Rhoden (Hessen)

 Datei:Diemelstadt in KB.svg Rhoden ist heute ein Stadtteil von Diemelstadt, das erst 1970 aus umliegenden Ortschaften, u.a. auch Wrexen, entstand; Rhoden ist heute Verwaltungssitz der Kommune Diemelstadt im Norden des Landkreises Waldeck-Frankenberg - ca. 40 Kilometer nordwestlich von Kassel gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'LandkreisWaldeck-Frankenberg', Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

In Rhoden (ehem. Freistaat Waldeck) liegen die Wurzeln einer jüdischen Gemeinde vermutlich in der Mitte des 18.Jahrhunderts. Aus dem Jahr 1767 lag eine Klage der damals aufgenommenen Schutzjuden Josua Abraham, Josef Abraham und Michael Joseph gegen den Magistrat der Stadt Rhoden vor, in der es um die Erhebung von Einzugs-, Bürger- und Feuereimergeldern ging. Obwohl sie zur Zahlung derselben aufgefordert waren, wurden ihnen jegliche Bürgerrechte verwehrt.
Die jüdische Gemeinde besaß an Einrichtungen eine Synagoge, eine Religionsschule sowie einen Friedhof.

Als sich um die Jahrhundertwende die Synagoge in Rhoden in einem baufälligen Zustand befand und der Bau einer neuen Synagoge dringlich erschien, wandte sich die jüdische Gemeinde mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit:

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27.Jan. 1902

Synagoge in Rhoden (hist. Aufn., Sammlung Mathias Kern)

Rituell-religiöse gemeindliche Aufgaben verrichtete ein Lehrer; neben der religiösen Unterweisung der Kinder war er - wie es in Landgemeinden allgemein üblich war - auch als Vorbeter und Schochet tätig.

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4.Juli 1859

Anzeigen in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3.März 1897 und vom 19.Nov. 1903

Der jüdische Friedhof in Rhoden wurde vermutlich gegen Mitte des 18. Jahrhunderts angelegt. Dessen erstmalige urkundliche Erwähnung (als „Heithügel“) datiert aber erst aus dem Jahre 1821.

Zur israelitischen Gemeinde Rhoden gehörten auch die im benachbarten Wrexen lebenden jüdischen Einwohner.

Juden in Rhoden/Wrexen:

--- 1802 ...........................  5 jüdische Familien,

--- 1826 ........................... 68 Juden,

--- 1847 ........................... 70   “  (in 15 Familien),

--- 1905 ........................... 48   “  (incl. Wrexen 65 Pers.),

--- 1925 ........................... 26   “  (incl. Wrexen 49 Pers.),

--- 1933 ....................... ca. 60   “  (incl. Wrexen),

--- 1942 (Sept.) ................... keine.

Angaben aus: Rhoden, aus: alemannia-judaica.de

 

An Gewerbebetrieben, die jüdischen Familien gehörten, sind insbesondere die Mazzenbäckerei der Familie Lichtenstein und der Gemischtwarenladen der Familie Stern in Rhoden sowie die Papierfabrik der Gebrüder Mosheim in Wrexen zu nennen.

Anfang der 1930er Jahre bestand die Kultusgemeinde Rhoden-Wrexen aus etwa 60 Personen; etwa ein Jahrzehnt später lebten auf Grund von Ab-/Auswanderung und Deportation hier keine Juden mehr.

Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge einschließlich der Ritualien durch SA- bzw. SS-Angehörige aus Arolsen zerstört. Das Gebäude brannte bis auf die Grundmauern nieder. Jüdische Bürger wurden zudem in ihren Wohnungen überfallen und misshandelt. Die letzten jüdischen Einwohner wurden 1942 deportiert. Einen Tag vor ihrer Deportation (30. Mai 1942) nahmen sich die Schwestern Anna und Ella Baer gemeinsam das Leben.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ sind nachweislich 29 aus Rhoden und 38 aus Wrexen stammende bzw. hier längere Zeit ansässig gewesene Juden Opfer der „Endlösung“ geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/rhoden_synagoge.htm).

 

Eine Gedenktafel an der Mauer unterhalb des Synagogenstandortes trägt die Inschrift:

Die Synagoge - Standort der ehemaligen Synagoge (oberhalb der Mauer)                                                                                                                                                                            Spätestens 1820 werden mehrere jüdische Familien bei einer Einwohnerzählung genannt. Ein Antrag auf Bau eines jüdischen Gotteshauses wurde bereits 1802 gestellt. Die Synagoge war ein Fachwerkbau mit einem kleinen anhängenden Wohnteil. Die Kinder gingen in eine jüdische Schule. Der Friedhof auf dem Heidhüwwel bestand bereits 1821, er war Begräbnisstätte der jüdischen Familien aus Rhoden, Wrexen, Dehausen und Ammenhausen. Einen eigenen Rabbiner hatte die Gemeinde nicht. Am 08.11.1938 wurde die Synagoge geplündert und in Brand gesteckt. Die bis dahin nicht emigrierten Familien wurden in Konzentrationslager verschleppt.

An die jüdische Geschichte Rhodens erinnert heute noch der Friedhof mit seinen fast 90 Grabsteinen, der während der NS-Zeit von Zerstörung und Schändung verschont geblieben ist. Der älteste noch vorhandene Stein stammt aus dem Jahre 1753.

Datei:Jüdischer Friedhof Rhoden 01.jpghttp://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20402/Rhoden%20Friedhof%20IMG_8408-1.jpg  

Jüdischer Friedhof von Rhoden (Aufn. Jkü 2022, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0  und  J. Hahn, 2016)

Auf einem Denkmal des jüdischen Friedhofs sind die Namen der 28 aus Rhoden und Wrexen stammenden jüdischen Männer, Frauen und Kinder aufgeführt, die Opfer der NS-Gewaltherrschaft geworden sind.

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang – Neubeginn, 1971, Bd. 2, S. 222/223

Studienkreis Deutscher Widerstand (Hrg.), Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945, Hessen II - Regierungsbezirk Darmstadt, 1995, S. 213

Rhoden mit Wrexen, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Heinrich Friele, Dokumentation des jüdischen Friedhofes in Rhoden. Hebräische Grabinschriften ins Deutsche übersetzt, Diemelstadt 2006 (online abrufbar unter: rhoden-waldeck.de)

Geschichte und Schicksale jüdischer Familien in Wrexen, hrg. vom Wrexer Heimatverein, 2008

Heinrich Friele/Karl Heinemann: Der jüdische Friedhof Rhoden, hrg. vom Waldeckischen Geschichtsverein, Bezirksgruppe Diemelstadt, 2010

Monica Kingreen, Die Papierfabrik der Familie Mosheim und weitere jüdische Familien – Spuren jüdischen Lebens in Wrexen, in: "Auf Omas Geburtstag fahren wir nach P." Die gewaltsame Verschleppung von Juden aus Waldeck-Frankenberg 1941/42, Kassel-Riga, Sobibor/Majdanek und Theresienstadt, hrg. von Marion Lilienthal, Karl-Heinz Stadtler und Wilhelm Völcker-Janssen, Korbach 2013, S. 364 - 383

Arbeitskreis Jüdisches Leben in Waldeck-Frankenberg (Hrg.), Erinnerung an jüdisches Leben in Waldeck-Frankenberg, online abrufbar unter: synagoge-voehl.de/images/pdf/brosch_lk/Judische_Orte_im_Landkreis_Doppelseiten.pdf