Zeitz (Sachsen-Anhalt)

Landkreis Naumburg.jpg Burgenlandkreis Karte Zeitz mit derzeit ca. 28.000 Einwohnern ist eine Kleinstadt im heutigen Burgenlandkreis im Süden von Sachsen-Anhalt - zwischen Gera (im Süden) und Leipzig (im Norden) gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org Bild-PD-alt und Kartenskizze 'Burgenlandkreis', aus: ortsdienst.de/sachsen-anhalt/burgenlandkreis).

 

Das im 10.Jahrhundert gegründete Zeitz lag an einer Kreuzung von Fernhandelsstraßen und zog deshalb schon frühzeitig jüdische Kaufleute an; erstmals werden sie im 14.Jahrhundert urkundlich erwähnt. Schutzherr war der Bischof von Naumburg, der den Juden befristete Schutzbriefe ausstellte. Die jüdischen Familien wohnten in der „Judengasse“ in der Oberstadt. Aus dem 15.Jahrhundert ist die Existenz eines Betraumes bzw. einer Religionsschule bekannt.

Ende des 15.Jahrhunderts mussten die Juden Zeitz verlassen; denn der Naumburger Bischof Johannes III. von Schönberg hatte - auf Bitten der Stadtbürger - den Zeitzer Juden „wegen Wucherzinsen“ den bisher gewährten Schutz aufgekündigt. Als Gegenleistung hatte die Stadt Zeitz dem Bischof den Ausfall der „Judensteuern“ zu ersetzen. Die Synagoge übertrug der Bischof der Stadt.

Ansicht von Zeitz – Stich von M. Merian, um 1650 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

Erst gegen Mitte des 19.Jahrhunderts wurden Juden in der Stadt Zeitz wieder ansässig; als erste Familie hatte sich 1847 die des jüdische Kaufmanns Soberski niedergelassen; danach folgten weitere.

In einem Hinterhaus der Judengasse hatten die Familien ihren Betraum eingerichtet.

Einen eigenen Friedhof besaßen sie aber nicht; ihre Verstorbenen beerdigten sie auf dem jüdischen Friedhof in Leipzig oder auf dem in Halle/Saale.

Juden in Zeitz:

         --- um 1850 .........................  11 Juden,

    --- 1895 ............................  44   “  ,

    --- 1905 ........................ ca.  90   “  ,

    --- 1913 ........................ ca. 150   “  ,*    * andere Angabe: ca. 95 Pers.

    --- 1925 ............................  95   “  ,

    --- 1933 ............................  47   “  ,

    --- 1938 ............................  22   “  .

Angaben aus: Helmut Eschwege, Geschichte der Juden im Territorium der ehemaligen DDR, Band I, S. 433

       Zuckerpfad Station 9 - Die Judenstraße - Zeitz Meine Region - Das Portal  für Deine Region Judenstraße - Postkarte von 1905 (aus: zeitzmeineregion.de)

 

Zu Beginn des 20.Jahrhunderts lebten etwa 90 Juden in der Stadt Zeitz; in der Zeit um den Ersten Weltkrieg erreichte die Zahl der hier lebenden jüdischen Einwohner ihren Höchststand, nahm danach aber wieder stark ab. Zu den in Zeitz wohnhaften Familien bzw. vorhandenen Ladengeschäften gehörten die Fam. Leschziner (Wendische Straße), Strumpf-Lenhoff, das Schuhhaus am Neumarkt, Messow & Waldschmidt (Kramerstraße), Fam. Kraushaar (Messerschmiedestraße), Fam. Mendelsohn (Kramerstraße), Fam. Tasse (Weberstraße) und das Metropol-Lichtspielhaus (Kramerstraße).

Vom reichsweiten Boykott jüdischer Unternehmen waren auch die etwa 15 Zeitzer jüdische Geschäfte betroffen; ein Aufruf im „Zeitzer Trommler“ hatte die hiesige Bevölkerung auf den Boykott eingestimmt.

Aus der „Judenstraße“ wurde bald die „Gustloff-Straße“. (Anm.: Am 18. Mai 1945, also noch unter amerikanischer Besatzung, erhielt sie ihren historischen Namen Judenstraße zurück und behielt ihn seitdem.)

In der Pogromnacht vom November 1938 verwüsteten SA-Trupps die noch bestehenden wenigen jüdischen Geschäfte und demolierten das Inventar des Synagogenraumes; einige Zeitzer Juden wurden „in Schutzhaft“ genommen. Zu diesem Zeitpunkt lebten noch etwa 20 Juden in der Stadt. Über ihr weiteres Schicksal ist kaum etwas bekannt.

In Rehmsdorf, etwa fünf Kilometer von Zeitz entfernt, befand sich 1944/45 ein großes Außenlager des KZ Buchenwald; ein Großteil der mehr als 4.000 hier Zwangsarbeit leistenden Häftlinge waren ungarische Juden. Sie waren zunächst in Zelten, danach in einem Barackenlager untergebracht. Anfang April 1945 wurde das Lager Rehmsdorf evakuiert: etwa 3.000 Lagerinsassen wurden in Güterwaggons gepfercht und in Richtung Leitmeritz abtransportiert.

 

Eine bronzene Gedenktafel erinnert heute an den ehemaligen Standort des jüdischen Betsaals in der Judenstraße 8.

                                             Gedenktafel (Aufn. Wilfried Heineck)

Seit 2007 nimmt auch Zeitz am sog. „Stolperstein-Projekt“ teil; die ersten drei Steine wurden im Gehweg in der Leipziger Straße verlegt und erinnern an Angehörige der Familie Flörsheim; weitere drei für die Familie Mendelsohn fanden in der Kramerstraße ihren Platz. Drei Steine befinden sich zudem am Neumarkt und Kramermarkt, ein weiterer Stolperstein am Eulengrund für Siegfried Fürst. 2014 wurden von „Unbekannten“ die unten abgebildeten Steine aus dem Gehwegpflaster (Kramerstraße) herausgebrochen und entwendet.

                                Drei „Stolpersteine“, Kramerstraße (Aufn. Katja Bahlmann, 2010)

und Leipziger Str. Stolperstein für Gustav Flörsheim (Leipziger Str.45)Stolperstein für Hilda Flörsheim (Leipziger Str.45)Stolperstein für Ingeborg Flörsheim (Leipziger Str.45) (Aufn. C., 2021, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

Eine der bekanntesten jüdischen Persönlichkeiten aus der Filmbranche war der 1891 in Zeitz geborene und in Berlin aufgewachsene Ewald Andreas Dupont. Der Sohn eines Journalisten machte sich als Drehbuchautor und Filmregisseur einen Namen. Zu seinen bekanntesten Filmen zählten u.a. der Stummfilm „Varieté“ von 1929, der erste deutschsprachige Tonfilm „Atlantik“ von 1929; auch Filme über jüdische Themen gehörten zu seiner Arbeit, z.B. „Das alte Gesetz“ von 1923. Im Jahre 1933 ging Dupont ins Exil in die USA; dort blieb sein filmisches Wirken jedoch nahezu bedeutungslos. Er starb 1956 in Los Angeles.

 

 

 

Weitere Informationen:

Helmut Eschwege, Geschichte der Juden im Territorium der ehemaligen DDR, Dresden 1990, Band I, S. 432/433

M.Brocke/E.Ruthenberg/K.U.Schulenburg, Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), in: "Veröffentlichungen aus dem Institut Kirche und Judentum", Hrg. Peter v.d.Osten-Sacken, Band 22, Berlin 1994, S. 677/678

Germania Judaica, Band III/2, Tübingen 1995, S. 1716/1717

Geschichte jüdischer Gemeinden in Sachsen-Anhalt - Versuch einer Erinnerung, Hrg. Landesverband jüdischer Gemeinden Sachsen-Anhalt, Oemler-Verlag, Wernigerode 1997, S. 282 – 285

Hartmut Landes (Red.), Messingpflaster weckt Erinnerung, in: „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 25.5.2007

Volkhard Winkelmann/u.a. (Bearb.), Unser Gedenkbuch für die Toten des Holocaust in Halle (mit Juden aus Zeitz), 3. Aufl., 2008 (online abrufbar unter: gedenkbuch.halle.de)

Jens Aaron Guttstein, Juden in Zeitz, 2014 (?)

Angelika Andräs (Red.), Jüdische Geschichte in Zeitz: „Jedes Opfer ist einmalig“, in: „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 5.2.2014

Angelika Andräs (Red.), Stolpersteine in Zeitz: Jeder Stein eine Geschichte, in: „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 24.9.2014

N.N. (Red.), 9.November 1938 in Zeitz: Erinnerungen an Familie Leschziner, in: „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 7.11.2014

Auflistung der in Zeitz verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Zeitz

Angelika Andräs (Red.) 9.November 1938 – Zeitz gedenkt der Pogromnacht, in: „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 9.11.2016

Jens Aaron Guttstein, Lebenswege – Die Shoa in Zeitz 1933 – 1945, Halle/Saale 2017

Sonderausstellung „Jüdische Kultur in Zeitz“ im Museum Moritzburg, Nov. 2018/März 2019

Julian Feldmann (Red.), Falsche Gemeinden. Der Oberrabbiner von Parchim, in: “Jüdische Allgemeine“ vom 26.9.2023 (Anm. makabre 'Vorgänge' in einigen ostdeutschen Kommunen, u.a. auch in Zeitz)