Staden/Wetterau (Hessen)

Jüdische Gemeinde - Hanau/Main (Hessen)Wetteraukreis Karte Staden ist heute ein Ortsteil der Großgemeinde Florstadt im hessischen Wetteraukreis - ca. 30 Kilometer nördlich von Hanau/Main gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Wetteraukreis', aus: ortsdienst.de/hessen/wetteraukreis).

 

Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts gehörte jeder 6. Bewohner Stadens dem mosaischen Glauben an.

Seit 1649 sind die ersten jüdischen Bewohner in Staden urkundlich nachgewiesen. Seit Anfang des 18.Jahrhunderts soll in dem Städtchen eine kleine jüdische Gemeinde beheimatet gewesen sein; als Schutzjuden unterstanden sie bis 1816 den Herren von Ysenburg-Büdingen.

Die Synagoge von Staden, Hofgasse 1, erbaut 1830, Rekonstruktionsskizze von W.Bonerewitz aus dem Jahr 2004 Die Synagoge lag in der Hofgasse (Abb. Rekonstruktionsskizze der Synagoge, W. Bonerewitz, 2004) und wurde in den Jahren vor 1830 (oder erst Anfang der 1860er Jahre) eingerichtet. Über eine steinerne Außentreppe erreichten die Frauen ihre Plätze auf der Empore. Der Synagogeninnenraum soll mit farbigen Ornament-Malereien ausgestaltet gewesen sein. Neben den hiesigen Juden suchten auch die wenigen Familien aus Stammheim die Stadener Synagoge auf.  In einem Privathaus einer jüdischen Familie in der heutigen Hofgasse 16 befanden sich ein Unterrichtsraum und eine Mikwe.

                 Anzeige aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21.Aug. 1893

Zu den gemeindlichen Einrichtungen gehörte auch ein Friedhof vor der Stadtmauer - im heutigen Bereich des Straßenzuges „Hinter den Tannen“.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20383/Staden%20Friedhof%207562.jpgJüdischer Friedhof in Staden (Aufn. Stefan Haas, 2015)

Zur Gemeinde Staden, die dem liberalen Provinzialrabbinat Oberhessen (Gießen) unterstand, zählten auch die im benachbarten Stammheim lebenden Juden.

Juden in Staden:

         --- um 1755 .......................  einige jüdische Familien,

    --- 1830 .......................... 108 Juden,

    --- 1861 ..........................  71   “  (ca. 17% d. Bevölk.),

    --- 1871 ..........................  87   “  ,

    --- 1880 ..........................  63   “  (ca. 16% d. Bevölk.),

    --- 1905 ..........................  56   “  ,

    --- 1910 ..........................  36   “  (ca. 10% d. Bevölk.),

    --- 1925 ..........................  63   “  ,*      * mit Stammheim

    --- um 1930 ................... ca.  20   “  ,

    --- um 1940 .......................  keine.

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 2, S. 293

      Staden um 1850 - Stahlstich (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

Abwanderung der jüdischen Einwohner Stadens in größere Städte - vor allem nach Frankfurt/M. und Bad Nauheim - ließen die Gemeinde deutlich kleiner werden.

Zu Beginn der 1930er Jahre verdienten die wenigen noch in Staden lebenden jüdischen Familien ihren Lebensunterhalt als Viehhändler; sie vermarkteten die von hiesigen Landwirten produzierten Agrarprodukte und betrieben Kleinhandelsgeschäfte, die den alltäglichen Bedarf abdeckten.

Während des Novemberpogroms von 1938 wurden die Fenster und die Inneneinrichtung der kleinen Synagoge zertrümmert, Bücher und Ritualgegenstände herausgeschleppt und verbrannt; das Gebäude selbst - es stand zwischen Wohnhäusern - blieb von einer Brandlegung verschont. In der Pfarrchronik hieß es dazu: „ ... Am 10.November 1938 kam es zu einer Bestrafungsaktion auch gegen die hiesigen Juden, die daraufhin nach Frankfurt zogen oder auswanderten. Damit war Staden judenfrei, eine Seltenheit in der Geschichte der Stadt.” Das Synagogengebäude wurde 1939 von einem Landwirt erworben, der es umbaute und als Stallung bzw. Futtermittellager nutzte; heute dient es als Abstellraum bzw. Garage.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden 14 Stadener Bewohner mosaischen Glaubens Opfer der NS-Gewaltherrschaft; weitere neun ermordete Juden stammten aus Stammheim (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/staden_synagoge.htm).

 

Der 2013 gegründete Arbeitskreis „Jüdisches Leben in Florstadt“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, die jüdische Geschichte der einzelnen Stadtteile zu dokumentieren.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20144/Staden%20Synagoge%20250.jpg

Ehem. Synagoge - Haus mit Toreinfahrt (Aufn. Arbeitskreis - Stadtarchiv Florstadt, 2013)

Mitten im Dorf wurde im Jahre 2015 ein Mahnmal zur Erinnerung an die ehemaligen jüdischen Bewohner erstellt; eine stählerne Tafel trägt die Namen der deportierten und ermordeten Juden aus Staden.

           Staden, Denkmal NS-Opfer.jpg Mahnmal (Aufn. Karsten Ratzke, 2021, aus: wikipedia.org, CCO)

Die Inschrift der Tafel lautet: „Zum Gedenken an die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verfolgten und ermordeten jüdischen Bürgerinnen und Bürger Stadens (nun folgen 8 Namen) ermordet in den Konzentrationslagern Majdanek, Riga und Kaunas. Das Leid der Verfolgten ist uns bleibende Mahnung. Die Bevölkerung der Stadt Florstadt im Jahr 2015“

 

Das ca. 800 m² große Friedhofsgelände (Ecke Hinter den Tannen – Römerstraße) weist noch eine Reihe von Grabsteinen auf, die ungeordnet auf einem trapezförmigen Grundstück stehen.

undefinedFriedhof in Staden (Aufn. K. Ratzke, 2021, aus: wikipedia.org, CCO)

 

 

Auch in anderen Ortsteilen Florstadts - so in Nieder-Florstadt, Nieder Mockstadt und Stammheim - gab es jüdische Gemeinden.

 

[vgl. Nieder-Florstadt, Nieder Mockstadt und Stammheim (Hessen)]

 

 

 

Weitere Informationen:

J. Grießmer, ‘Der Mensch denkt und Gott lenkt’ - Handschriftliche Aufzeichnungen zur Geschichte von Staden, Staden 1890 (im Historischen Archiv der Gemeinde Florstadt)

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 2, S. 293

Heidi Schwendemann, Jüdisches Leben in Staden, in: Gemeinde Florstadt/Kurt Leidecker (Hrg.), Staden. Das Klein-Venedig der Wetterau, in: "Schriften des Historischen Archivs der Gemeinde Florstadt", Band 3, Florstadt 2004, S. 133 - 142

Hedi Strauss/Johanna Voss, Mein immergrünes Dorf. Vom Schicksal der Juden aus Stammheim in der Wetterau, hrg. von der Kommune Florstadt 2004

Susanne Gerschlauer, Katalog der Synagogen, in: Ulrich Schütte (Hrg.), Kirchen und Synagogen in den Dörfern der Wetterau, in: "Wetterauer Geschichtsblätter - Beiträge zur Geschichte und Landeskunde", Band 53, Friedberg (Hessen) 2004, S. 578

Kurt Leidecker/Walburga Papsch, Jüdische Einwohner und Hausbesitzer von Staden (Maschinenmanuskript), Historisches Archiv Florstadt, 2005

Stadt Florstadt (Hrg.), Jüdisches Leben in Staden, online abrufbar unter: florstadt.de

Staden mit Stammheim (Wetterau/Hessen), in: alemannia-judaica.de

N.N. (Red.), Ehrgeiziges Projekt des Arbeitskreises: SYNAGOGE Rekonstruktionszeichnung soll angefertigt werden, in: „Kreisanzeiger“ vom 29.5.2013

lu (Red.), Mahnmal erinnert an jüdische Mitbürger, in: „Kreis-Anzeiger“ vom 19.9.2015