Schwetz (Westpreußen)

Polski: Położenie na mapie English: Location on map  Die Stadt Schwetz/Weichsel - an der Mündung der Schwarzwasser in die Weichsel, ca. 40 Kilometer nordöstlich von Bromberg bzw. südwestlich von Graudenz gelegen - war seit 1772 (1. Teilung Polens) preußisch; nach Ende des Ersten Weltkrieges gehörte das westpreußische Schwetz zum polnischen Staatsgebiet; das heutige polnische Świecie nad Wisłą besitzt derzeit ca. 26.000 Einwohner (Ausschnitt aus hist. Landkarten, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Polen' mit Świecie nad Wisłą rot markiert, F. 2005, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts erreichte die israelitische Gemeinde mit ca. 500 Angehörigen ihren personellen Höchststand.

Vor 1772 waren in Schwetz keine jüdischen Familien ansässig. Erst um 1800 entstand in der Stadt eine kleine jüdische Gemeinde, deren Mitglieder größtenteils aus Tempelburg und Fordon, zum geringeren Teil aus den umliegenden Dörfern des Kreises Schwetz zugezogen waren. Die wenigen Familien standen auch unter dem Schutz des Schwetzer Bürgers, des „Schutzjuden“ Jacob Grünwald, der die Erlaubnis erhalten hatte, sich in Schwetz niederzulassen. Ab den 1830er Jahren stieg die Zahl jüdischer Bewohner erheblich an; im Kreis Schwetz lag diese 1871 knapp über 1.500 Personen. Ihre Synagoge errichtete die Gemeinde im Jahre 1851, als die hiesige Judenschaft auf ihren zahlenmäßigen Höchststand zusteuerte. Kurz vor der Jahrhundertwende wurde ein neues Synagogengebäude erbaut.

                         synagoga-czoloSynagoge rechts im Bild - hist. Aufn. (Stadtarchiv S.)

Ilustracja Synagoge von Schwetz -  Ansichtskarte (aus: objekte.jmberlin.de)

Innerhalb der jüdischen Gemeinde gab es eine Reihe von Vereinen.

                 Juden in Schwetz:

    --- um 1775 ................... ca.  30 Juden,

    --- 1816 .......................... 110 Juden,

    --- 1831 .......................... 126   "  ,

    --- 1940 .......................... 257   "  ,

    --- 1852 .......................... 398   “   (ca. 11% d. Bevölk.),

    --- 1871 .......................... 466   “  ,

    --- 1885 .......................... 497   “   (ca. 8% d. Bevölk.),

    --- 1895 .......................... 464   “  ,

    --- 1905 .......................... 370   “   (ca. 5% d. Bevölk.),

    --- 1910 .......................... 320   “   (ca. 4% d. Bevölk.),

    --- 1921 .......................... 171   “  ,*     * andere Angabe: ca. 60 Pers.

--- 1934 ...................... ca.  80   “  ,

--- 1940 (Dez.) ...................   3   “  .

Angaben aus: Max Aschkewitz, Zur Geschichte der Juden in Westpreußen, S. 22 und S. 174

und                 Gerhard Salinger, Zur Erinnerung und zum Gedenken. Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreußens, New York 2009, Teilband 3, S. 673 f.

Schwetz gegen Mitte des 19.Jahrhundert - Lithographie (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

Im Jahre 1877 war Schwetz von einer verheerenden Überschwemmung betroffen, bei der auch jüdische Bewohner ihr Hab und Gut verloren. Seitens der Gemeinde wurde ein Hilfskomitee gebildet, das zu Spenden für die Geschädigten aufrief: „Von allen Seiten der Stadt ertönen nur Noth- und Hülferufe; viele Familien sind durch das entfesselte Element Brod- und Obdachlos, viele Glaubensgenossen durch den Einsturz der Häuser, durch den Verlust ihrer Habe ruiniert, an den Bettelstab gebracht worden.Familienväter, die sich sonst durch Fleiß und Rührigkeit redlich ernährt haben, sind nun außer Stande für die Ihrigen zu arbeiten und ihnen das tägliche Brot zu verschaffen. Wie traurig es in unserer Stadt aussieht, entzieht sich jeder Schilderung, die kleinen Räume auf offenen Böden und Dachkammern dienen zu Haushaltungen für mehrere Familien, in denen sie das Pessachfest abhalten. Zwar ist schon Vieles von uns geschehen, aber es ist zu viel zu thun, um genügende Abhilfe zu schaffen, zu denen unsere lokalen Mittel nicht ausreichen. Glaubensbrüder, helfet, rettet! Setzt uns durch milde Beiträge in den Stand, dem großen Elend abzuhelfen, gedenkt Eurer unglücklichen Brüder, Eurer Glaubens- und Stammesgenossen.   ( Es folgen Unterschriften von acht Gemeindemitgliedern)

                              Swiecie n.W. - ul. Mickiewicza - Schwetz a.W. - Friedrichstrasse. 1899-1918 (72684707).jpghist. Ansichtskarte, um 1900/1910 (aus: wikipedia.org, CCO)

   

                      Kaufhaus Conitzer in Schwetz                          Aus einem Werbeprospekt des Jahres 1911 (Abb. aus: A. Prause)

Nach der Angliederung des westpreußischen Gebiets an den polnischen Staat 1920 verstärkte sich die jüdische Abwanderung weiter.

Mit der Besetzung durch deutsche Truppen im September 1939 endete die Geschichte der Juden in Schwetz; ein Teil der Familien hatte noch vor dem deutschen Einmarsch die Stadt gen Osten verlassen; der Rest fiel den Gewaltmaßnahmen des NS-Staates zum Opfer. So soll es unmittelbar nach der deutschen Okkupation in oder in der Nähe von Schwetz zu Massenerschießungen von Juden und Polen gekommen sein. Ein Jahr nach der Besetzung lebten in Schwetz keine Juden mehr.

Weder der jüdische Friedhof noch das ehemalige Synagogengebäude sind heute noch vorhanden.

Im Jahre 2014 wurde am Ort der Massenerschießungen (Herbst 1939) ein neues Mahnmal errichtet.

 

 

 

In Neuenburg (poln. Nowe nad Wisla) - weichselabwärts von Schwetz gelegen - gab es seit der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts eine jüdische Gemeinde, die zeitweilig mehrere hundert Angehörige zählte; aus dieser Zeit stammt auch das Begräbnisareal. Einen Synagogenbau besaß die Gemeinde seit 1881. Anfang der 1920er Jahre lebten in der Kleinstadt nur noch ca. 100 Juden. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde das Synagogengebäude von den Nationalsozialisten zerstört, das Abbruchmaterial zum Straßenbau benutzt.

Vom ehemaligen jüdischen Friedhof sind keine Spuren mehr vorhanden; das Gelände wird landwirtschaftlich genutzt bzw. ist eine Grünfläche. 

vgl. dazu: Neuenburg (Westpreußen)

 

 

 

 

Weitere Informationen:

Max Aschkewitz, Der Anteil der Juden am wirtschaftlichen Leben Westpreußens um die Mitte des 19.Jahrhunderts, in: "Zeitschrift für Ostforschung" 11/1962, S. 482 ff.

Max Aschkewitz, Zur Geschichte der Juden in Westpreußen, in: "Wissenschaftliche Beiträge zur Geschichte und Landeskunde Ost-Mitteleuropas", hrg. vom Johann Gottfried Herder-Institut No. 81, Marburg 1967

Gerhard Salinger, Zur Erinnerung und zum Gedenken. Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreußens, New York 2009, Teilband 3, S. 673 – 681

Krzysztof Bielawski (Red.), Swiecie, in: sztetl.org.pl

Andreas Prause (Red.), Kaufhaus Conitzer in Schwetz an der Weichsel, online abrufbar unter: chelmno.info/kaufhaus-conitzer-in-schwetz-an-der-weichsel-swiecie-nad-wisla

Andrzej Pudrzynski (Red.), Mój sąsiad Żyd. Duże i małe interesy w cieniu synagogi^, online abrrufbar unter. extraswiecie.pl/historia/moj-sasiad-zyd-duze-i-male-interesy-w-cieniu-synagogi/ (2020)