Prerau (Mähren)

Přerov - mapy | Kurzy.czDie mährische Stadt Prerau - etwa 20 Kilometer südöstlich von Olmütz (Olomouc) gelegen - erlebte in der Zeit vor dem Dreißigjährigen Kriege ihre Blüte. Die zunächst „deutsche“ Stadt wurde durch Zuwanderung von Tschechen bereits zu Beginn des 20.Jahrhunderts zu einer rein „tschechischen“ Stadt; sie heißt heute Přerov und besitzt derzeit ca. 42.500 Einwohner (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: wikipedia.org, PD-alt-100 und Kartenskizze 'Tschechien' mit Přerov rot markiert, aus: kurzy.cz).

 

Juden siedelten sich vermutlich schon in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Prerau an; gesicherte urkundliche Belege über Prerauer Juden stammen aber erst aus dem 15. Jahrhundert. Um 1450 ließen sich jüdische Familien aus Breslau und Olmütz in Prerau nieder, die infolge des Wirkens Capistranos von dort geflüchtet waren und hier Aufnahme fanden. Die bereits 1447 in Dokumenten belegte „Judengasse“ war kein abgeschlossenes Ghetto; im Unterschied zu anderen Städten lebten die jüdischen Familien hier mit Christen zusammen; dabei handelte es sich um einen schmalen Platz, um den sich jüdische Schule, Spital und Synagoge gruppierten. 

Zahlreiche Brandkatastrophen im 18. und in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts schädigten in hohem Maße auch die jüdischen Einwohner Preraus.

Bereits im 16.Jahrhundert gab es in Prerau eine Betstube, die in den 1830er Jahren durch Brand zerstört wurde. Seit 1860 verfügte die Gemeinde über einen Synagogenneubau; dieser wurde acht Jahre später durch ein erneutes Feuer teilzerstört. Der heute noch vorhandene, kaum veränderte Jugendstilbau - ein Werk des in Prerau geborenen Architekten Jakob Gartner - ist das Ergebnis einer Rekonstruktion von 1898.

                           Außen- und Innenansicht der Synagoge in Prerau (hist. Aufn.)

Zu den Rabbinern der Prerauer Judengemeinde gehörten Rabbi Abraham, Isak Homburg und Samuel Schick, die in der Zeit des 16. bis 18.Jahrhunderts durch ihr Wirken gewisse Bedeutung erlangten. Die beiden letzten Rabbiner in Prerau waren Dr. Jacob Tauber und Dr. Leopold Goldschmied.

Ein neuer jüdischer Friedhof in Prerau wurde 1882 angelegt; der aus dem frühen 16.Jahrhundert stammende wurde dann alsbald geschlossen.

Juden in Prerau:

    --- 1564 .............................    8 jüdische Familien,*   *mit Siedlungserlaubnis

    --- 1614 .............................   16     "       "    ,

    --- 1756 .............................   66     "       "    ,

    --- 1791 .............................  230 Juden (ca. 8% d. Bevölk.),

    --- 1830 .............................  286   “  ,

    --- 1848 .............................  342   “   (ca. 8% d. Bevölk.),

    --- 1890 .............................  622   “  ,

    --- 1901 .............................  717   “  ,

    --- 1921 .............................  336   “  ,

    --- 1930 .............................  267   “   (ca. 1% d. Bevölk.),

    --- 1938 .............................  316   “  .         

Angaben aus: Jakob Freimann, Geschichte der Juden in Prerau

Alte Ansichtskarte: AK Prerov, Blick über die gesamte StadtPrerov/Prerau - hist. Postkarte (aus: ansichtskartenversand.com)

 

Wohlhabende Juden betrieben hier hauptsächlich den Getreidehandel und lieferten ihre Ware nach Olmütz und nach Schlesien.

Bis in die 1890er Jahre nahm die Zahl der in Prerau lebenden jüdischen Familien stetig zu. Erst mit der Migration - vor allem der jüngeren Generation - in die größeren Industriestädte schrumpfte die Zahl der Gemeindeangehörigen zusehends; Anfang der 1930er Jahre lebten nur noch etwa 250 Juden in der Stadt. Während der deutschen Okkupation wurden die allermeisten der noch hier lebenden Juden von Prerau Ende 1941/Anfang 1942 deportiert; die meisten fielen der Shoa zum Opfer.

 

Unmittelbar nach Kriegsende versuchte eine Handvoll Überlebender eine Wiederbelebung der Gemeinde - allerdings ohne Erfolg.

Das die NS-Zeit ohne Schäden überdauerte, als Lagerraum benutzte Synagogengebäude wurde nach dem Krieg von der hiesigen orthodoxen Kirchengemeinde angekauft und 1953 eingeweiht. In den 1990er Jahren stellte man das inzwischen baufällige Gebäude unter Denkmalschutz und renovierte es 2002 grundlegend. Heute erinnern zwei Gedenktafeln an der Kirche an die Opfer der NS-Herrschaft.

Auf dem seit 1882 bestehenden jüdischen Friedhof (am östlichen Stadtrand gelegen) erfolgten Begräbnisse bis in die 1980er Jahre.

JC Přerov - panorama.jpg

Jüdischer Friedhof in Přerov (Aufn. T. Bednarz, 2017, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

1956 wurden Grabsteine vom alten Friedhof umgesetzt, der im gleichen Jahr zu einem kleinen Park umgestaltet wurde.

 

 1799 wurde in Prerau Abraham Placzek geboren, der hier in den 1820er Jahren als Rabbiner wirkte; anschließend wechselte er nach Weißkirchen und schließlich nach Boskowitz. Seit 1851 übte er die Funktion des Landesrabbiners von Mähren aus und setzte sich erfolgreich für die Rechte seiner Glaubensgenossen ein. Plaszek war einer der bekannten Talmudisten seiner Zeit; er starb 1884 in Biskowitz.

 Ein berühmter Sohn der jüdischen Gemeinde von Prerau war Jakob Gartner (geb. 1861), der sich als Architekt einen Namen machte; besonders seine zahlreichen von ihm konzipierten Synagogenbauten – so u.a. auch in Wien der sog. Humboldttempel und der Brigittenauer Tempel (beide 1938 zerstört) – verhalten ihm zu seiner Bekanntheit. Gartner war es auch, der während des Ersten Weltkrieges die Anlage des neuen jüdischen Friedhofs in Wien geplant hatte. Jakob Gartner starb 1921 in Wien.

 

 

 

Weitere Informationen:

Ignaz Briess (sen.), Schilderungen aus dem ehemaligen Ghettoleben vom Jahre 1938 - 1848 mit Streiflichtern bis an die Gegenwart und Jugenderinnerungen eines 78jährigen, Brünn 1922 (Anm. 2. erg. Auflage 1922)

Jakob Freimann (Bearb.), Geschichte der Juden in Prerau, in: Hugo Gold (Hrg.), Die Juden und Judengemeinden Mährens in Vergangenheit und Gegenwart, Jüdischer Verlag, Brünn 1929, S. 487 - 491

Hugo Gold, Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden Mährens, Olamenu-Verlag, Tel Aviv 1974, S. 103

Ignaz Briess, Vzpomínky na prerovské ghetto, Státní okresní archiv v Prerove, Přerov 2000

The Jewish Community of Prerov (Prerau), Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/prerov

Jewish Families from Přerov (Prerau), Moravia, Czech Republic, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-Families-from-P%25C5%2599erov-Prerau-Moravia-Czech-Republic/13165