Olfen (Nordrhein-Westfalen)

Datei:Olfen in COE.svg Olfen – mit derzeit ca. 12.000 Einwohnern - ist eine Kleinstadt im Kreis Coesfeld (Reg.bez. Münster) – knapp 40 Kilometer südwestlich von Münster gelegen (Kartenskizze 'Kreis Coesfeld', TUBS 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

In der zweiten Hälfte des 16.Jahrhunderts sind die ersten, wenn auch nicht dauerhaften Ansiedlungen von Juden im münsterländischen Olfen nachweisbar; das dürfte wohl auch daran gelegen haben, dass zweimal im Jahr in Olfen Märkte abgehalten wurden. Zudem versprachen sich Bürgermeister und Rat mit einer begrenzten Niederlassung von Juden einen Wirtschaftsaufschwung in der Stadt. Die Geschichte der Juden in Olfen beginnt 1568 mit dem Versuch von Bürgermeistern und Rat, Samuel Jud mit einem Schutzgeleit der Stadt zu versehen, um mit seiner Hilfe die Wirtschaft des Ortes zu entwickeln.(aus: G. Althoff, Geschichte der Juden in Olfen)

Gewöhnlich auf 15 Jahre befristete Geleitbriefe des Stifts Münster sicherten den jüdischen Familien Wohnrecht und Berufstätigkeit zu. Allerdings schienen sich erst Anfang des 18.Jahrhunderts Juden dauerhaft in Olfen angesiedelt zu haben; ihr Leben regelte eine „Judenordnung“ aus dem Jahre 1662, die - modifiziert - bis ins 19.Jahrhundert Geltung besaß. Über die Lage der Juden in Olfen gibt ein Bericht vom 3.3.1828 Auskunft, darin hieß es u.a.: ... Von den 10 jüdischen Familien (Anm.: ca. 40 Pers.) sind nämlich 4 so verarmt, daß sie Almosen erhalten und zwei sind in dürftigen Umständen. - Eine Vermehrung derselben ist demnach sowohl für Christen als Juden höchst nachteilig. ...”

Eine kleine Synagoge soll es in Olfen nach 1810 an der Oststraße (auf dem Grundstück der Fam. Salomon Anschel in Hinterhoflage) gegeben haben; wenige Jahre nach dem Stadtbrand von 1857 errichtete die Gemeinde einen Neubau in der Kirchstraße (eingeweiht 1860), der gleichzeitig auch als Schulhaus und Lehrerwohnung genutzt wurde. Aus dieser Zeit stammt auch das „Statut für die Synagogen-Gemeinde zu Olfen“ (von 1856), das nun verbindlich die Pflichten und Rechte der Gemeindemitglieder festlegte und damit jahrelangen Querelen ein Ende setzte. Etwa 20 Jahre später wurde eine neue Ordnung erlassen, die das Verhalten während des Gottesdienstes regelte.

Seit den 1820er Jahren wurden die wenigen jüdischen Kinder unregelmäßig von Privatlehrern unterrichtet; um 1880 wurde der Unterricht der jüdischen Privatschule eingestellt. Ansonsten besuchten die wenigen Kinder der jüdischen Familien die Ortsschule. Religionsunterricht erteilten ein Wanderlehrer oder auch die Eltern.

In Olfen verfügte die Judenschaft in der Flur „Auf der Horst“ auch über einen kleinen Begräbnisplatz, der spätestens Anfang der 1840er Jahre hier angelegt worden war; die letzte Beerdigung erfolgte hier 1926. Olfen war lange Zeit Hauptort des Synagogenbezirkes mit den Gemeinden Olfen, Lüdinghausen, Bork, Selm, Seppenrade, Senden und Ascheberg; danach übernahm Lüdinghausen diese Funktion.

Juden in Olfen:

         --- 1720 ............................  2 jüdische Familien,

    --- 1763 ............................  4     “       “    ,

    --- 1795 ............................  5     “       “    ,

    --- 1816 ............................ 10     “       “   (51 Pers.),

    --- 1843 ............................ 53 Juden (in 9 Familien),

    --- 1855 ............................ 63   “   (in 10 Familien),

    --- 1871 ............................ 51   “  ,

    --- 1885 ............................ 30   “  ,

    --- 1900 ............................ 20   “  ,

    --- 1912 ............................ 12   “  ,

    --- 1919 ............................  4   “  ,

             --- 1934 ...........................  keine.

Angaben aus: Gertrud Althoff, Geschichte der Juden in Olfen, S. 34 u. S. 194/195

und                 Andreas Determann, Die jüdischen Gemeinden in Lüdinghausen und Olfen 1800 - 1918, S. 171

 

Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts erreichte die Zahl der jüdischen Bewohner Olfens mit etwa 65 Personen ihren Höchststand; rund um den Marktplatz waren zahlreiche Häuser in jüdischem Besitz.

              https://image.jimcdn.com/app/cms/image/transf/dimension=260x1024:format=jpg/path/sd607b0afc2dfbc88/image/ieda8ff18e32ab0f9/version/1465381910/der-markt-um-1925-alte-ansichtskarte.jpg Marktplatz (hist. Karte, Heimatverein Olfen)

 

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges hielten sich nur noch drei jüdische Familien in Olfen auf. 

Da von ihnen das ungenutzte Synagogengebäude nicht mehr unterhalten werden konnte und zunehmend verfiel, wurde es 1914 auf Abbruch verkauft und vier Jahre später abgerissen.

Die letzte noch verbliebene Familie waren Aaron und Therese Simons mit ihren beiden Söhnen. Gegen Ende der 1920er Jahre lebten bereits keine jüdischen Einwohner mehr im Ort.

Nach Auflösung der Gemeinde blieb der jüdische Friedhof der Natur überlassen; d.h. die Vegetation überwucherte das Gelände. Seit Anfang der 1940er Jahre wurde dann das inzwischen in Privathand befindliche Areal landwirtschaftlich (als Weide) genutzt.

Das ehemalige Friedhofsareal wird heute durch eine Stele markiert, da ansonsten hier keine Grabsteine mehr vorhanden sind. Auf dem Gedenkblock wird aller jüdischen Opfer gedacht, die in der Zeit des Nationalsozialismus gewaltsam ums Leben kamen.

Mahnmal in Olfen (Aufn. D. Rabich, 2021, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Anm.: Der einzige erhalten gebliebene Grabstein für einen Olfener Juden (Herz Simon) befindet sich auf dem jüdischen Friedhof in Lengerich/Westf.

 

 

 

Weitere Informationen:

H.A. Mertens, Jüdische Gemeinden und Institutionen im Kreis Lüdinghausen und einige weiterführende Gedanken über die Erforschung der jüdischen Geschichte, in: "An Stever und Lippe", No. 19/1967

Andreas Determann (Bearb.), Die jüdischen Gemeinden in Lüdinghausen und Olfen 1800 - 1918, in: D. Aschoff (Red.), Juden im Kreis Coesfeld - Beiträge zur Landes- und Volkskunde des Kreises Coesfeld, Band 24, Dülmen 1990, S. 168 ff.

Thomas Rahe (Bearb.), Die jüdischen Gemeinden in Olfen und Lüdinghausen seit 1918, in: D. Aschoff (Red.), Die Juden im Kreis Coesfeld - Beiträge zur Landes- und Volkskunde des Kreises Coesfeld, Band 24, Dülmen 1990, S. 195/196

Günter Birkmann/Hartmut Stratmann, Bedenke vor wem du stehst - 300 Synagogen und ihre Geschichte in Westfalen und Lippe, Klartext Verlag, Essen 1998, S. 214

Gertrud Althoff (Bearb.), Geschichte der Juden in Olfen - Jüdisches Leben im katholischen Milieu einer Kleinstadt im Münsterland, in: "Geschichte und Leben der Juden in Westfalen", Band 4, LIT Verlag, Münster, 2000

Elfi Pracht-Jörns, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen. Regierungsbezirk Münster, J.P.Bachem Verlag, Köln 2002, S. 206 – 208

R. Schlautmann-Overmeyer/A.Determann (Bearb.), Olfen, in: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Münster, Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen XLV, Ardey-Verlag, München 2008, S. 560 – 567

Werner Frese (Hrg.), Geschichte der Stadt Olfen, Verlag für Regionalgeschichte, Gütersloh 2011

N.N. (Red.), Warum es auf dem alten jüdischen Friedhof keine Grabsteine gibt, aus: „Ruhr-Nachrichten“ vom 3.9.2012

N.N. (Red.), Das Leben der letzten jüdischen Familie Olfens, in: „Ruhr-Nachrichten“ vom 11.11.2014

Mario Bertlewski (Red.), So erinnert ein Plakat an die jüdische Geschichte in Olfen, in: „Ruhr-Nachrichten“ vom 30.12.2017

Sabine Geschwinder (Red.), Diskriminiert, schikaniert, ermordet: Das Schicksal der letzten jüdischen Familie Olfens, in: „Ruhr-Nachrichten“ vom 9.11.2018

Ulla Wolanewitz (Red.), Neue Geschichtsblätter Kreis Coesfeld erschienen. Jüdisches Leben im Fokus, in: „Allgemeine Zeitung. Billerbecker Anzeiger – Gescherer Zeitung“ vom 25.1.2022