Langgöns (Hessen)

Jüdische Gemeinde - Gießen (Hessen)Bildergebnis für landkreis gießen ortsdienst karte Langgöns ist eine Kommune mit derzeit ca. 13.000 Einwohnern im äußersten Südwesten des mittelhessischen Landkreises Gießen unweit von Großenlinden (Ausschnitt aus hist. Karte ohne Eintrag von Langgöns, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Landkreis Gießen', aus: ortsdienst.de/hessen/landkreis-giessen).

 

In dem nördlich von Butzbach gelegenen Langgöns (auch: Lang-Göns) ließen sich erst im letzten Viertel des 18.Jahrhunderts einige wenige jüdische Familien nieder. Grund dafür waren die dreimal im Jahr stattfindenden großen Vieh- und Krämermärkte, die vor allem den jüdischen Viehhändlern eine sichere Erwerbsgrundlage boten. Um 1820/1930 waren zwölf Familien in Langgöns ansässig, die zumeist in bescheidenen Verhältnissen lebten.

Ein Betraum bestand in „einem dunklen Zimmer“ eines Hinterhof-Gebäudes. Bis um 1900/1910 kam ein Lehrer einer Nachbargemeinde und hielt hier Gottesdienste ab, danach übernahm ein Gemeindemitglied diese Aufgabe.

 http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20192/Langgoens%20Israelit%2017091903.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20192/Langgoens%20Israelit%2001091904.jpg

Kleinanzeigen aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 17.Sept. 1903 und 3.Sept. 1904

Ein kleiner Friedhof – an der Solmser Straße gelegen - ist vermutlich im letzten Viertel des 19.Jahrhunderts angelegt worden.

Um 1830 gehörten auch die in Kirchgöns lebenden jüdischen Personen zur Gemeinde in Langgöns, später waren sie der Gemeinde in Pohl-Göns angeschlossen.

Juden in Langgöns:

--- 1828 ........................ 30 Juden,

--- 1861 ........................ 64   “  (ca. 4% d. Bevölk.),

--- 1880 ........................ 36   “  ,

--- 1900 ........................  7   “  ,

--- 1910 ........................  9   “  ,

--- 1924 ........................  8   “  ,

--- 1933 ........................ 10   “  ,

--- 1939 ........................  7   “  ,

--- 1942 (Dez.) .................  keine.

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 476

 

Gegen Ende des 19.Jahrhunderts galt Langgöns als eine Hochburg der antisemitischen „Böckel-Bewegung“. Aus Protest gegen die antijüdische Hetze boykottierten jüdische Viehhändler den Viehmarkt, der daraufhin seine frühere Bedeutung verlor. Eine weitere Folge war die Abwanderung jüdischer Familien aus Langgöns; 1905 lebten hier nur noch zwei.

Das Haus mit dem Betraum wurde verkauft und in den 1930er Jahren abgerissen.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20192/Langgoens%20Israelit%2029051935.jpg eine Zeitungsnotiz vom Mai 1935

Die letzten sechs jüdischen Bewohner wurden 1942 deportiert und wurden Opfer der "Endlösung" (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/langgoens_synagoge.htm).

Auf dem kleinflächigen jüdischen Friedhof sind noch 14 Grabsteine bzw. -relikte erhalten

Jüdischer Friedhof (Lang-Göns) 01.JPGGrabsteine

Jüdischer Friedhof Langgöns und zwei alte in die Mauer eingefügte Grabsteine (Aufn. Ch., 2013, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Zur Erinnerung an die deportierten Langgönser Juden wurde 2008 ein Gedenkstein mit -tafel auf dem ehemaligen Viehmarkt (Ecke Amtshausstraße/Mühlberg) eingeweiht; die Inschrift führt auch die Namen der jüdischen Opfer auf.

Gedenktafel (Aufn. Ch., 2013, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0) Mahnmal auf dem Viehmarktplatz (Lang-Göns) 02.JPG

 

 

In Cleeberg – einem heutigen Ortsteil von Langgöns – gab es auch eine jüdische Gemeinde, die sich im Laufe der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts auf Grund der Abwanderung der Familien auflöste. An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge, vermutlich auch eine Mikwe und einen Unterrichtsraum für die jüdischen Kinder besessen. In der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts besorgte ein Religionslehrer die religiösen gemeindlichen Aufgaben. In den 1850er Jahren war ein vorgesehener Anschluss der jüdischen Familien aus Brandoberndorf (Herzogtum Nassau) an die Cleeberger kleine Gemeinde gescheitert, weil die Juden von Brandoberndorf diesen ablehnten.

Die Gemeinde Cleeberg hatte zum Rabbinatsbezirk Weilburg gehört

In Cleeberg findet man heute in der Alten Gasse eine Brunnengrotte, die im Volksmund als "Judenborn" bezeichnet wird. Dabei könnte es sich um eine alte Wasserentnahmestelle handeln, die ausschließlich den jüdischen Familien vorbehalten war; möglicherweise könnte hier auch ein Zusammenhang mit einer Mikwe bestanden haben (?).

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 476/477

Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 - 1945, Hessen I: Regierungsbezirk Darmstadt, VAS-Verlag, Frankfurt/M. 1995, S. 41

Dieter Wolf (Hrg.), Vor 50 Jahren brannten die Synagogen - Aus sieben Jahrhunderten jüdischen Lebens in Butzbach und Umgebung, Begleitheft zur Sonderausstellung des Stadtarchivs u. Museums der Stadt Butzbach, 3.Aufl., Butzbach 1998

H.Müller/B.Heil (Hrg.), Judenfamilien in Butzbach und seinen Stadtteilen - Ortsfamilienbuch, Geschichtsverein Butzbach und Umgebung, Butzbach 2007

Langgöns, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Cleeberg, in: alemannia-judaica.de

Otto Berndt/Friedrich Damrath/Hanno Müller, Juden in Lang-Göns. Eine Dokumentation gegen das Vergessen, 2010

Otto Berndt, Lang-Göns. Einblicke in die Vergangenheit, Druckwerkstatt Fernwald, Langgöns 2013