Langfuhr/Danzig (Ostpreußen)

  Jüdische Gemeinde - Danzig (Westpreußen)Langfuhr (poln. Wrzeszcz, derzeit ca. 50.000 Einw.) ist ein im Nordwesten liegender Vorort und ehemaliger Bezirk der Stadt Danzig. In der Zwischenkriegszeit („Freie Stadt Danzig“) zählte der Vorort bereits 40.000 Einwohner; hier lebte ein großer Teil der polnischen Minderheit Danzigs, vor allem Beamte und Arbeiter (Ausschnitt aus hist. Karte von 1898, aus: wikipedia.org, PD-alt-100  und  Kartenskizze 'Freie Stadt Danzig nach dem 1.Weltkrieg', Ziegelbrenner 2009, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

In Langfuhr entstand im 18.Jahrhundert eine größere jüdische Gemeinde; um 1765 besaß sie immerhin ca. 230 Angehörige. Die ersten Juden waren bereits in den 1680er Jahren hierher gekommen.

Etwa ein Jahrhundert später erbaute die Gemeinde ihre eigene Synagoge; zuvor hatte man bereits einen Friedhof angelegt, der sich in Hagelsberg (Grodzisko) befand. Zunächst benutzte die Gemeinde die Dienstleistungen der Chewra Kadischa aus Altschottland (Stare Szkoty), ab 1775 besaß sie ihre eigene Beerdigungsbruderschaft.

Anm.: Während der napoleonischen Besatzungszeit (1813/1815) wurde der Friedhof zum Großteil zerstört, in den 1820er Jahren wieder hergerichtet und wiedereröffnet. Das Areal nutzte man bis 1939.

Seit 1883 war die jüdische Gemeinde von Langfuhr Teil der Danziger Hauptgemeinde, der nun auch Alt-Schottland, Danzig-Breitgasse, Danzig-Mattenbuden und Danzig-Breitgasse angehörten.

Marktplatz - Zentrum von Langfuhr (hist. Postkarte, um 1900)

Die Langfuhrer Judenschaft spaltete sich wegen ihrer religiös-konservativen Grundhaltung von der Danziger Kultusgemeinde ab und bildete eine autonome Gemeinde.

1926/1927 wurde am Mirchauerweg in Langfuhr nach Plänen der Berliner Architekten Paul Imberg und Leopold Friedmann eine neue Synagoge gebaut. Die Einweihungsfeierlichkeiten fanden Ende September 1927 statt; sie begannen mit einer Prozession mit den Thorarollen – angeführt vom Gemeinderabbiner Dr. David Weiss.

undefined 

Ehem. Synagoge Langfuhr (Aufn. A. Andrzej 2011, aus: wikipedia.org, CC0  bzw.  commons.wikimedia.org, CC BY-SA 2.5)

Im November 1938 wurde die Synagogeneinrichtung demoliert. 1939 verkaufte die jüdische Gemeinde schließlich das Gebäude an einen holzverarbeitenden Betrieb. Wenige Monate nach Kriegsende wurde es wieder der jüdischen Gemeinde übereignet. Zunächst nur notdürftig instand gesetzt wurde das Gebäude von 1948 bis 1951 aufwändig renoviert und anschließend wieder von der jüdischen Gemeinde als Gotteshaus genutzt.

Anm.: Die Innenraumeinrichtung war zusammen mit den sakralen Objekten, u.a. Altarschrank mit gesticktem Vorhang und Thorarollen, gerettet worden; sie wurden nach dem Krieg der neuen Judengemeinde übergeben.

Doch bereits 1952 wurde das Gebäude von der Staatlichen Musikhochschule übernommen; umfangreiche Umbauten veränderten das Gebäude deutlich: eine Zwischendecke wurde eingezogen, die Frauenempore und die Chorgalerie entfernt und Aufschriften und jüdische Embleme vom Gebäude genommen. Die Synagoge - die einzig auf Danziger Stadtgebiet erhalten gebliebene - steht heute unter Denkmalschutz.

Nach Kriegsende wurde die jüdische Begräbnisstätte geschlossen und mit Bäumen bepflanzt.Vom einstigen jüdischen Friedhof sind heute nur noch sieben Grabsteine erhalten geblieben; der älteste stammt aus dem Jahr 1823.

Plik:Dawny cmentarz żydowski w Gdańsku Wrzeszczu.JPGPlik:Dawny cmentarz żydowski w Gdańsku–Wrzeszczu.JPG

Gelände des ehem. jüdischen Friedhofs und Grabsteinrelikte (Aufn. Artur Andrzej, 2013, in: wikipedia,org, CC BY-SA 4.0)

vgl. dazu: Danzig

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Schaefer: Die neue Synagoge in Danzig-Langfuhr, in: "Bauwelt", No. 19 (1928), S. 425 f.

Erwin Lichtenstein, Die Juden in Danzig (1933 - 1939), in: "Zeitschrift für die Geschichte der Juden", No. 4 (1967) 1, S. 199 – 217

Max Aschkewitz, Zur Geschichte der Juden in Westpreußen, in: "Wissenschaftliche Beiträge zur Geschichte und Landeskunde Ost-Mitteleuropas", hrg. vom Johann Gottfried Herder-Institut No. 81, Marburg 1967

Samuel Echt, Die Geschichte der Juden in Danzig, Verlag Gerhard Rautenberg, Leer 1972

Eliahu Stern, The History of the Jews of Danzig from the emancipation until the deportation in the nazi era, Jerusalem 1978

Israel Gutman (Hrg.), Enzyklopädie des Holocaust - Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, Serie Piper, München/Zürich 1995, Band I, S. 309/310

Gerhard Salinger, Zur Erinnerung und zum Gedenken - Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreußens, Teillband 1 (Regierungsbezirk Danzig), New York 2009, S. 24 – 56

Gabriele Lesser, Offen zur Stadt hin Offen zur Stadt hin. Die Gemeinde in Danzig möchte ihre Synagoge zu einem Kulturzentrum ausbauen, in: "Jüdische Allgemeine" vom 29.11.2012

Jüdischer Friedhof in Gdańsk-Wrzeszcz (Danzig-Langfuhr), in: sztetl.org.pl