Groß-Meseritsch (Mähren)

Jüdische Gemeinde - Proßnitz (Mähren)https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/ef/Location_of_Czech_city_Velke_Mezirici.png  Groß-Meseritsch ist das heutige tschechische Velké Meziříčí mit derzeit ca. 11.500 Einwohnern - östlich von Iglau (Jilhava) bzw. nordwestlich von Brünn (Brno) gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte mit Groß-Meseritsch am linken Kartenrand, aus: wikipedia.org, PD-alt-100 und Kartenskizze 'Tschechien' mit Velké Meziříčí rot markiert , aus: commons.wikimedia.org).

 

In der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts soll mit mehr als 1.100 jüdischen Bewohnern der personelle Zenit der hiesigen Gemeinde bestanden haben;  der israelitische Bevölkerungsanteil soll damals zeitweilig bei ca. 30% der Einwohnerschaft gelegen haben.

Die Wurzeln einer jüdischen Gemeinde in Meseritsch sollen bereits im beginnenden 16.Jahrhundert liegen; deren Angehörige wohnten damals außerhalb der Befestigungen in der „Judengasse“. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges zogen weitere jüdische Familien zu; sie ließen sich im Gebiet der sog. „Neuen Stadt“ nieder, die von der eigentlichen Stadt durch einen Mühlgraben getrennt war. Ihren Lebensunterhalt verdienten sie zumeist in handwerklichen Berufen.

Der Vermehrung ihres Grundbesitzes wurde durch kaiserliche Verfügung Einhalt geboten: so mussten die inzwischen in jüdischem Eigentum stehenden Häuser wieder an ihre christlichen Vorbesitzer zurückgegeben werden; auch eine Synagoge, die ohne Bewilligung der Landesregierung eingerichtet worden war, musste zunächst wieder schließen. Auch im 18.Jahrhundert blieben zahlreiche Reglementierungen, denen sich die hiesigen Juden zu unterwerfen hatten, bestehen - ganz im Sinne der christlichen Bewohner. So musste die jüdische Gemeinde auch ein jährliches Schutzgeld an die Christengemeinde zahlen.

Da die Zahl der im jüdischen Besitz befindlichen Häusern festgeschrieben war und nicht erhöht werden durfte, führte die Bevölkerungszunahme zu einer Verdichtung der Bebauung: So wurden auf Hinterhöfen bestehender von jüdischen Familien bewohnter Häuser neue Gebäude errichtet.

Der aus dem 16. Jahrhundert stammende alte Tempel mit seinem wertvollen barocken Eingangsportal überstand die Jahrhunderte. In der Synagoge waren 85 Plätze für Männer und 63 für Frauen vorhanden, die von außen über eine Treppe die ihnen zugewiesene Empore erreichten.

All three synagogues in Velké Meziříčí - detail from exposition.jpg Stará synagoga-Velké Meziříčí-portál.jpg

Alte Synagoge - hist. Abb. (Filo cz, 2009, aus: commons.wikipedia, org, CC BY-SA 3.0) und Portal (Aufn. Ben Skála, 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 2.5)

Im Jahre 1867 wurde in unmittelbarer Nähe ein Synagogenneubau errichtet; der Architekt des im Stile der Neogotik errichteten Ziegelsteingebäudes war Augustin Prokop.

 

Frontansicht der (neuen) Synagoge (hist. Aufn)             und          Synagogeninnenraum (Muzeum Velké Meziříčí)  

Seit Ende der 1780er Jahre bestand in Groß-Meseritsch eine jüdisch-deutsche Schule, die sich gegenüber dem alten Tempel befand. Im 18. und 19.Jahrhundert wirkten an der hiesigen Jeschiwa berühmte Rabbiner. 1901 wurde das über Jahrhunderte hinweg bestehende Rabbinat in Groß-Meseritsch aufgegeben.

Die ältesten (barocken) Grabsteine des jüdischen Friedhofs, der an einem Hang oberhalb des Flüsschens Oslava liegt, stammen aus der Zeit um 1670. Eine Zeremonienhalle wurde hier um 1880 erstellt.

Juden in Groß-Meseritsch:

    --- um 1660 ...................... ca.     25 von Juden bewohnte Häuser,

    --- um 1685 ..........................     11  “    “       “       “  ,

    --- 1710 .............................     32  “    “       “       “  ,

    --- um 1790 ...................... ca.    900 Juden (ca. 30% d. Bevölk.),

    --- 1842 .............................    932   “  ,

    --- 1857 .............................  1.116   “   (ca. 25% d. Bevölk.),

    --- 1900 .............................    289   “   (ca. 6% d. Bevölk.),

    --- 1930 .............................     76   “  .

Angaben aus: Hugo Gold (Hrg.), Die Juden und Judengemeinden Mährens in Vergangenheit und Gegenwart, S. 226

10849-Groß-Meseritsch-1909-Blick auf Groß-Meseritsch-Brück & Sohn Kunstverlag.jpg

Teilansicht von Groß-Meseritsch - Postkarte um 1910 (aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei)

 

Die bereits in den letzten Jahrzehnten des ausgehenden 19.Jahrhunderts begonnene Abwanderung der jüdischen Bewohner ließ die Gemeinde, die in den 1850er Jahren immerhin mehr als 1.000 Angehörige besaß, nahezu in Bedeutungslosigkeit verfallen. Anfang der 1930er Jahren lebten in Groß-Meseritsch nur noch wenige jüdische Familien.

Die (neue) Synagoge wurde bis zum Jahre 1940 genutzt, dann wurde sie von Nationalsozialisten beschädigt. Seit 1943 befanden sich hier Lagerräume der deutschen Wehrmacht. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis Anfang der 1990er Jahre wurde sie weiterhin als Lager genutzt. Im Jahre 1942 erfolgte von Groß-Meseritsch aus die Deportation von ca. 150 Juden nach Theresienstadt, dann weiter nach Auschwitz oder Treblinka; der letzte Transport mit 71 jüdischen Bewohnern fand Mitte Mai 1942 statt.

 

Seit 2004 erinnert in der Stadt ein Mahnmal an die Opfer der Shoa; auf einer schwarzen Marmorplatte sind die Namen der Holocaust-Opfer zu lesen

    File:Valašské Meziříčí, památník holocaustu (06).jpgMahnmal (Aufn. Radim Holiš, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Bis in die Gegenwart haben etwa 60 Gebäude des ehemaligen Judenviertels von Velké Meziříčí die Zeiten überdauert; dazu zählen auch das Rabbinatsgebäude, die alte und neue Synagoge und Schule. Im restaurierten alten Synagogengebäude - seit 1988 als schützenswertes Kulturdenkmal eingestuft - befindet sich heute das Stadtmuseum, in dem die jüdische Historie der Region dargestellt ist. Auch das 1868/1870 errichtete (neue) Synagogengebäude steht seit Ende der 1990er Jahre unter Denkmalschutz.

     

alte Synagoge und neues Synagogengebäude (beide Aufn. Ben Skála, 2009, aus: wikipedia.org, GFDL)

Nová synagoga-Velké Meziříčí3.jpg Nová synagoga-Velké Meziříčí5.jpg

Detail-Aufnahmen des (neuen) Synagogengebäudes (Aufn. Ben Skála, 2009, aus: wikipedia.org, GFDL)

Der bis zu Beginn des Zweiten Weltkrieges benutzte jüdische Friedhof weist heute noch ca. 1.300 Grabstätten auf; der älteste Grabstein datiert aus dem Jahre 1677.

Jewish cemetery in Velké Meziříčí 11.JPGJewish ceremonial hall in Velké Meziříčí, Žďár nad Sázavou District.jpg

Friedhof und Taharahaus (Aufn. Fet'our, 2012 und Jiří Sedláček, 2017, aus: commons.wikimedia.org CCO bzw. CC BY-SA 4.0)

  In Groß-Meseritsch wurde im Jahre 1815 Eisik Hirsch Weiss geboren, der sich als Talmudforscher und Geschichtsschreiber einen Namen gemacht hat. Seine Erziehung und Ausbildung erhielt er in verschiedenen Jeschiwot Mährens, vor allem in Trebitsch und Eisenstadt. Seit 1858 lebte und wirkte er in Wien. Hier gab er wichtige jüdische Traditionswerke heraus; als Ziel seines publizistischen Engagements galt für ihn „die Erhabenheit des Judentums wirksam hervorzuheben“. Eisik Hirsch Weiss verstarb 1905 an seiner langjährigen Wirkungsstätte Wien.

 

 

 

Weitere Informationen:

Theodor Haas, Juden in Mähren - Darstellung der Rechtsgeschichte und Statistik unter besonderer Berücksichtigung des 19.Jahrhunderts, Brünn 1908

Hugo Gold (Bearb.), Geschichte der Juden in Groß-Meseritsch, in: Hugo Gold (Hrg.), Die Juden und Judengemeinden Mährens in Vergangenheit und Gegenwart, Jüdischer Kunst- und Buchverlag Brünn, 1929, S. 225 - 232

Hugo Gold (Hrg.), Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden Mährens, Olamenu-Verlag, Tel Aviv 1974, S. 56/57

P.Ehl/A.Parík/Jirí Fiedler, Alte Judenfriedhöfe Böhmens und Mährens, Paseka-Verlag, Prag 1991

Jiri Fiedler, Jewish sights of Bohemia and Moravia, Prag 1991, S. 195 - 197

Jaroslav Klenovský, Židovské památky Velkého Mezirící [Jüdische Denkmäler von Großmeseritsch], Brno 1997

Martin Stindl, Die Anfänge der jüdischen Siedlung in der Großen Mezirici, in: "Juden und Mähren", o.O. 1997, S. 3 ff.

Jewish cemetery in Velké Meziříčí, online abrufbar unter: ommons.wikimedia.org/wiki/Category:Jewish_cemetery_in_Velké_Meziříčí (mit zahlreichen aktuellen Aufnahmen des Friedhofs)

Jewish Families from Velké Meziříčí (Gross Meseritsch), Moravia, Czech Republic, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-Families-from-Velk...

The Jewish Community of Velké Meziříčí (Groß Meseritsch), Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/velke-mezirici

Michael Honey, Commemoration of Velké Meziříčí , online abrufbar unter: zchor.org/valasske.html

Martina Schneibergová (Red.), In Valašské Mezirící wurde ein Denkmal für die Holocaust-Opfer enthüllt, aus: radio.cz vom 14.9.2004

Jewish sights and monuments – Judendenkmäler in Velké Meziříčí, online abrufbar unter: turistikavm.cz (Touristeninformation Velké Meziříčí, 2014)