Trabelsdorf (Oberfranken/Bayern)

Datei:Lisberg in BA.svg Trabelsdorf mit seinen derzeit ca. 800 Einwohnern ist seit 1976 ein Ortsteil der Verwaltungsgemeinschaft Lisberg im Landkreis Bamberg - ca. 15 Kilometer westlich der Kreisstadt gelegen (Kartenskizze 'Landkreis Bamberg', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Das kleine Dorf Trabelsdorf an der Aurach beherbergte nachweislich seit etwa 1740 einige jüdische Familien, die unter dem Schutz des Adelsgeschlechts der Freiherren von Marschalk von Ostheim standen. Ihren Lebensunterhalt verdienten die Trabelsdorfer Juden im Handel und Handwerk.

Weil die Trabelsdorfer „ritterschaftlichen“ Juden - im Gegensatz zu den „fürstbischöflichen““ - keine Abgaben an das Landesrabbinat entrichten wollten, wurden sie vom Fürstbistum Bamberg mit Handelsbeschränkungen bzw. zeitweise sogar mit einer Handelssperre belegt. Erst unter Fürstbischof Franz Ludwig von Erthal (er amtierte im letzten Viertel des 18.Jh.) durften sie wieder an den Frühjahrs- und Herbstmessen teilnehmen. Da sie dann auch allen ausstehenden Geldforderungen nachkamen, wurde den Trabelsdorfer Juden dann wieder der ganzjährige Handel gestattet.

Um 1800 erbaute die hiesige Judenschaft am Ortsrand ein schlichtes Synagogengebäude. Im Laufe weniger Jahrzehnte wurde es baufällig; die Kosten für die fälligen Renovierungsarbeiten konnten von den Mitgliedern der Gemeinde nur unter größten Anstrengungen aufgebracht werden.

                                                        Thora-Schrein in der Synagoge Trabelsdorf (hist. Aufn.)

Gemeinsam mit den jüdischen Kindern aus Lisberg, Walsdorf und Kolmsdorf besuchten die aus Trabelsdorf von Mitte der 1820er Jahre bis 1869 den Religions- und Elementarunterricht in der 1826 neu geschaffenen israelitischen Schule in Kolmsdorf. Als dann keine jüdischen Familien mehr in Kolmsdorf lebten, wurden dann jeweils Religionsschulen in Trabelsdorf und in Walsdorf eingerichtet; die Lehrerstellen waren einem häufigen Wechsel unterworfen.

 

aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 3.Jan. 1884, vom 6.Dez. 1900 und vom 22.Okt. 1908

Ab 1905 gehörten auch die wenigen Juden aus Lisberg zur Trabelsdorfer Kultusgemeinde. Zwei Jahre später schlossen sich die Gemeinden von Trabelsdorf und Walsdorf zusammen, da die Zahl der religionsmündigen männlichen Mitglieder inzwischen stark zurückgegangen war.

Eine eher ungewöhnliche (für heutige Verhältnisse kaum vorstellbare) Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Dezember 1900, in der einem Lehrer seitens der Gemeinde öffentlich für seine Arbeit gedankt und für die Zukunft alles Gute gewünscht wird.

Einen eigenen Friedhof besaß die Judenschaft Trabelsdorf nicht; ihre Verstorbenen wurden auf dem nahgelegenen Lisberger Friedhof beerdigt.

Friedhof in Lisberg (Aufn. R. Möller, 2017, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Die Kultusgemeinde gehörte zum Distriktsrabbinat Bischberg mit Sitz in Burgebrach (ab 1826); ab Beginn des 20.Jahrhunderts war Bamberg das zuständige Rabbinat.

Juden in Trabelsdorf:

         --- 1811 ........................ 63 Juden,

    --- 1824 ........................ 74   “   (ca. 20% d. Dorfbevölk.),

    --- 1840 ........................ 80   “  ,

    --- 1852 ........................ 67   “  ,

    --- 1875 ........................ 66   “  ,

    --- 1890 ........................ 66   “  ,

    --- 1900 ........................ 59   “   (ca. 15% d. Dorfbevölk.),

    --- 1910 ........................ 37   “  ,

    --- 1925 ........................ 16   “  ,

    --- 1928 ........................ 25   “   (in 7 Familien),

    --- 1933 ........................ 18   “   (ca. 4% d. Dorfbevölk.),

    --- 1938 ........................ 14   “  ,

    --- 1942 (Apr.) ................. 10   “  ,

             (Juni) ................. keine.

Angaben aus: Klaus Guth, Jüdische Landgemeinden in Oberfranken (1800 - 1942), S. 304

 

Während der NS-Zeit lebten nur noch wenige Juden in Trabelsdorf; die Kultusgemeinde war Anfang der 1930er Jahre offiziell aufgelöst worden. Die wenigen im ‚braunen‘ Dorf (1933 Stimmanteil der NSADP 87% !) verbliebenen jüdischen Bewohner waren zunehmenden Anfeindungen und Repressalien ausgesetzt; vier verließen das Dorf und gingen in die Emigration.

Während des Novemberpogroms von 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge von einem SA-Trupp aus Bamberg, dem sich auch Einheimische angeschlossen hatten, zerstört. Kultgegenstände, Gebetbücher u..ä. warf man auf die Straße. Eine Inbrandsetzung des Synagogengebäudes fand wegen wegen einer möglichen Ausweitung des Feuers auf umliegende Gehöfte nicht statt. Bei weiteren Ausschreitungen wurden jüdische Männer misshandelt, „in Schutzhaft“ genommen und ins KZ Dachau verbracht. Das Synagogengebäude selbst blieb baulich erhalten und wurde von der Ortsgemeinde für einen Spottpreis erworben.

Die im Dorf noch verbliebenen jüdischen Personen wurden im Frühjahr 1942 nach Izbica deportiert; über ihr weiteres Schicksal ist kaum etwas bekannt. Mindestens zwölf Trabelsdorfer Juden, die noch nach 1930 im Dorf wohnten, fielen dem Holocaust zum Opfer. Das Gedenkbuch des Bundesarchivs verzeichnet insgesamt 24 in Trabelsdorf gebürtige bzw. längere Zeit am Ort wohnhaft gewesene Personen mosaischen Glaubens, die der "Endlösung" zum Opfer gefallen sind (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe. alemannia-judaica.de/trabelsdorf_synagoge.htm).

Im Frühjahr 1949 mussten sich 24 der am Novemberpogrom 1938 in Trabelsdorf und Walsdorf Beteiligten vor dem Landgericht Bamberg verantworten; sie wurden zu Gefängnisstrafen zwischen einem Monat und vier Jahren verurteilt.

 

2016/2017 wurden im Lisberger Ortsteil Trabelsdorf sechs sog. "Stolpersteine" verlegt; sie erinnern an Luise Löwenfels* und an fünf Angehörige der Familie des jüdischen Viehhändlers Siegfried Liffgens (Bamberger Straße). 2018 kamen weitere Steine (Von-Ostheim-Straße) hinzu.

       Fünf "Stolpersteine" für Fam. Liffgens (Aufn. Chr. Horn, 2018)

* Aus Trabelsdorf stammte die Jüdin Luise Löwenfels (geb. 1915), die im Alter von 20 Jahren zum katholischen Glauben konvertierte. Als katholische Ordensschwester (Maria Aloysia) wurde sie von den Niederlanden aus nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort im August 1942 ermordet. An sie erinnert seit 2006 in der niederländischen Ortschaft Geleen ein Gedenkstein.

 

Seit 2023 ist nun auch in englischer Sprache ein „Gedenkbuch“ vorhanden, das insbesondere für die Nachfahren der ehemals in Trabelsdorf und Lisberg wohnhaft gewesenen jüdischen Bewohner erstellt wurde.

 

[vgl. Lisberg (Bayern)]

 

 

 

Weitere Informationen:

Adolf Eckstein, Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstbistum Bamberg, Bamberg 1898 (Neudruck Bamberg 1995)

Baruch Z. Ophir/F. Wiesemann (Hrg.), Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, München/Wien 1979, S. 150/151

Ulrike Krzywinski (Bearb.), Trabelsdorf, in: Klaus Guth (Hrg.), Jüdische Landgemeinden in Oberfranken (1800 - 1942). Ein historisch-topographisches Handbuch, Bayrische Verlagsanstalt, Bamberg 1988, S. 301 - 308

Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern - Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 236

Johann Fleischmann, Mesusa 1 - Spuren jüdischer Vergangenheit an Aisch, Aurach, Ebrach und Seebach, Hrg. Arbeitskreis “Jüdische Landgemeinden an Aisch, Aurach, Ebrach und Seebach”, Selbstverlag J.Fleischmann, Mühlhausen 1998, S. 191

Trabelsdorf, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

S. Michael Westerholz, Das Schicksal der jüdischen Nonne Luise Loewenfels aus Trabelsdorf, in: Johann Fleischmann, "Mesusa 4 - Lebensbeschreibungen und Schicksale. Spuren jüdischer Vergangenheit an Aisch, Aurach, Ebrach und Seebach", Hrg. Arbeitskreis “Jüdische Landgemeinden an Aisch, Aurach, Ebrach und Seebach”, Selbstverlag, Mühlhausen 2004

Hans-Christof Haas (Bearb.), Trabelsdorf, in: Mehr als Steine ... Synagogengedenkband Bayern, Band 1, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2007, S. 209 - 213

Christa Horn (Red.), Erster Stolperstein in Trabelsdorf, online abrufbar als PDF-Datei unter: vg-lisberg.de (2016)

Christa Horn (Red.), Stolpersteine, online abrufbar als PDF-Datei unter: vg-lisberg.de (2017)

Auflistung der in Lisberg verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Lisberg

Marion Krüger-Hundrup (Red.), Spurensuche gegen das Vergessen, in: inFranken.de vom 24.9.2018

Marion Krüger-Hundrup (Red.), Bamberg. Erinnerungsbuch der Schüler: Spurensuche gegen das Vergessen, in: „Main-Post“ vom 2.4.2019

Christa Horn, Gedenkbuch für die jüdische Bevölkerung in den ehemaligen Gemeinden Trabelsdorf und Lisberg, Lisberg 2019

Christa Horn, Gedenkbuch für die jüdische Bevölkerung in den ehemaligen Gemeinden Trabelsdorf und Lisberg, Hrg. Gemeinde Lisberg 2019 (Projekt des Kaiser-Heinrich-Gymnasiums Bamberg)

Marion Krüger-Hundrup (Red.), Erinnerung wachhalten – berührende Lektüre für Nachfahren verfolgter Juden, in: „Fränkischer Tag“ vom 20.6.2023