Steele (Nordrhein-Westfalen)

 Bildergebnis für Landkarte ruhrgebiet wikipedia Lage von Steele im Stadtbezirk VII Steele/KraySteele ist seit 1929 ein Stadtteil von Essen (Karte des Ruhrgebietes um 1940 aus: gen.wiki.genealogy.net  und  Stadtteilskizze 'Essen', Markus Baumer 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 2.0 de).

 

Erste urkundliche Belege für den erlaubten Aufenthalt von einzelnen jüdischen Familien in Steele stammen aus dem ausgehenden 15. bzw. beginnenden 16.Jahrhundert. Allerdings war deren Ansässigkeit nur für eine gewisse Zeit ‚unter Schutz’ gestellt, sodass es bis Ende des 18. Jahrhunderts immer wieder zu Ausweisungen bzw. Vertreibungen kam. Ihren Lebensunterhalt verdienten die wenigen jüdischen Familien in Steele bis ins 19.Jahrhundert als Hausierer und Tagelöhner, später dann als Kaufleute, Viehhändler/Metzger und Handwerker.

Seit 1858 gehörten die Steeler Juden offiziell als „Filiale“ zur Essener Kultusgemeinde; zwei Jahrzehnte später gelang es ihnen, eine autonome Gemeinde zu etablieren, zu der auch die wenigen jüdischen Bewohner des Umlandes zählten.

Bereits 1791 wurde erstmals eine „Judenschule“ (Betraum) erwähnt; in einem 1802 auf dem gleichen Grundstück errichteten Fachwerkhaus wurde die neue Synagoge eingerichtet, in der sich auch Schule und Wohnung des Vorstehers befanden. Um 1860 kaufte die Steeler Gemeinde für den geplanten Neubau von Schule und Synagoge ein Grundstück an der Isinger Straße an; mehr als 20 Jahre später wurde der Grundstein für das Synagogengebäude gelegt. Im September 1883 fand die feierliche Einweihung des Synagogenneubaus unter Leitung des Kölner Rabbiners Dr. Abraham Frank statt.

                         Steeler Synagoge am Isinger Tor (hist. Aufn., aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Die beiden, ehemals für die Juden des Kirchspiels Steele angelegten Friedhöfe befanden sich außerhalb der Stadtmauern: Der ältere Begräbnisplatz am Knottenberg, der schon im 17.Jahrhundert existierte (von diesem gibt es keine sichtbaren Spuren mehr), wurde gegen Mitte des 19.Jahrhunderts von dem am Hiltrops Kamp abgelöst; der heute mitten im Wohngebiet liegende Friedhof mit seinen ca. 150 Grabsteinen wurde bis 1943 belegt.

Essen-Steele, Jüdischer Friedhof Hiltrops Kamp6.JPGEssen-Steele, Jüdischer Friedhof Hiltrops Kamp3.JPG

 Jüdischer Friedhof am Hiltrops Kamp (beide Aufn. W., 2012, aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Anm.: Im Essener Stadtteil Huttrop (Lanterstrasse) gab es einen Friedhof, auf dem auch Juden aus Steele beerdigt wurden; auf dem von 1755 bis ca. 1855 belegten Areal gibt es heute nur noch zwei Grabsteine.

Juden in Steele:

    --- um 1795 .........................  11 jüdische Familien,

    --- 1822 ............................  95 Juden,

    --- 1843 ............................ 138   “  ,

    --- 1860 ............................ 134   “  ,

    --- 1883 ............................ 183   “  ,

    --- 1900 ............................ 247   “  ,

    --- 1914 ............................ 206   “  ,

    --- 1932 ............................ 140   "  .

Angaben aus: Elfi Pracht-Jörns, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil II: Reg.bez. Düsseldorf. S. 119

Ortsansicht Steele um 1850 (Abb. aus: Steeler Archiv)

 

Gegen Ende des 19.Jahrhunderts - die Zahl der Gemeindemitglieder erreichte zu dieser Zeit ihren Höchststand - hatte es die Steeler Gemeinde zu Wohlstand und Ansehen gebracht.

Zu ersten gewalttätigen Ausschreitungen kam es im Mai und Dezember 1934, als Nationalsozialisten Fenster der Synagoge einwarfen und deren Portal beschädigten. - Am Morgen des 10.November 1938 setzten SS-Angehörige die Steeler Synagoge in Brand; sie wurde völlig zerstört; ebenso erging es dem Gebäude der jüdischen Schule. Kurz danach wurden beide Gebäude endgültig abgerissen.

Das Geschäft von Moritz Coppel in der Hansastr. wurde demoliert (Aufn. Steeler Archiv)

Die jüdische Bevölkerung des gesamten Essener Stadtgebietes wurde ab April 1942 im Barackenlager „Holbeckshof“ - es befand sich auf einem Gelände der ehemaligen Zeche "Johann Deimelsberg" - zwangsweise zusammengefasst; danach wurde sie deportiert. Mehr als 70 jüdische Bewohner aus Steele wurden Opfer der Shoa.

[vgl. Essen (Nordrhein-Westfalen)]

              (Aufn. W., 2008, aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Eine Gedenktafel am Isinger Tor erinnert heute an die einstige Synagoge der Jüdischen Kultusgemeinde Steele; neben einem Relief der Synagogenfassade und einem in der Pflasterung sichtbar gemachten Grundriss des Gebäudes ist die folgende Inschrift zu lesen:

Am 14.September 1883 weihten die 183 in Steele lebenden Juden am Isinger Tor eine Synagoge.

In unmittelbarer Nachbarschaft befand sich auch die jüdische Volksschule.

In der Nacht zum 10.November 1938 wurde die Steeler Synagoge von Nationalsozialisten in Brand gesteckt und entweiht.

Wenig später wurde sie abgerissen.

In den Straßen Steeles sind - beginnend im Jahre 2006 - ca. 55 sog. „Stolpersteine“ verlegt worden (Stand 2023).

 Max Holländer 1875.jpgLaura Holländer.jpgHeinz Holländer 1903.jpgHarry Holländer 1906.jpg verlegt Alte Zeilen

Stolperstein für Ruth IsaackStolperstein für Ernst SteilbergerStolperstein für Judis Stern

in der Gehwegpflasterung in Essen-Steele (Aufn. J., 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0

Jüngst wurden „von Unbekannten“ drei an der Dahlhauser Straße verlegte Stolpersteine gewaltsam herausgerissen (2023).

An das ehemalige Barackenlager „Holbeckshof“ in Essen-Steele erinnert eine Inschriftentafel am Aron-Weg:  

Das Barackenlager Holbeckshof bildete den Ausgangs- und Sammelpunkt für mehrere Deportationen von Essener Juden. Sie wurden von hier aus tagsüber und vor aller Augen zum Essener Hauptbahnhof oder zum Nordbahnhof geführt, von wo sie nach Düsseldorf in ein weiteres Sammellager gebracht wurden. Dort begann der Weg in die Vernichtungslager.

Ausdruck der Selbstbehauptung der in diese Lage gebrachten Juden war, daß sie selbst unter den schrecklichsten Lebensbedingungen im Lager Holbeckshof ein begrenztes kulturelles Leben aufrechterhielten.

 

 

 

In Kupferdreh – ein Stadtteil im äußersten Südosten von Essen – wurde 2009 ein aus vier Stelen bestehendes Mahnmal für die Opfer der NS-Diktatur errichtet und damit auch an die ehemaligen jüdischen Bewohner erinnert, die hier zuhause waren und ihre Geschäfte betrieben. So lagen an der Hauptstraße (heute Kupferdreherstraße) die Klempnerei u. das Haushaltswarengeschäft von Karl Aaron, das Bekleidungsgeschäft (mit Schneiderei) von Louis Kamp und das Konfektionshaus von Benjamin Löwinsohn.

1929 lebten in Kupferdreh noch 15 Juden, die der Gemeinde in Steele angeschlossen waren.

 

 

In Huttrop – einem Stadtteil von Essen – befand sich an der Lanterstraße/Ecke Moltkestraße ein jüdischer Friedhof, der von Mitte des 18. bis gegen Mitte des 19.Jahrhunderts von Essener und Steeler Juden belegt wurde. Nur drei Grabsteine sind heute noch erhalten.

alter Grabstein (Aufn. Harald Lordick, 2015, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

Weitere Informationen:

Salomon Samuel, Geschichte der Juden in Stadt und Stift Essen bis zur Säkularisation des Stiftes von 1291 - 1802, Essen 1905

Salomon Samuel, Geschichte der Juden in Stadt und Synagogenbezirk Essen von der Einverleibung Essens in Preußen (1802) bis zur Errichtung der Synagoge am Steeler Tor (1913) - Festschrift zur Weihe der Synagoge, Essen 1913

Anton Lehnhäuser, Geschichte der jüdischen Gemeinde in Essen-Steele, in: "Das Münster am Hellweg", Juni 1975, S. 123 - 137

Hermann Schröter, Die ‘Reichskristallnacht’ in Essen, in: "Das Münster am Hellweg", Jg. 32, Heft 1 - 4/1979

Hermann Schröter, Geschichte und Schicksal der Essener Juden - Gedenkbuch für die jüdischen Mitbürger der Stadt, Essen, hrg. von der Stadt Essen, Essen 1980

Michael Zimmermann, Zur Geschichte der Essener Juden im 19. und im ersten Drittel des 20.Jahrhunderts. Ein Überblick, in: Alte Synagoge Essen (Hrg.), Jüdisches Leben in Essen 1800 - 1933, Essen 1993

Ernst Schmidt, Lichter der Finsternis. Widerstand und Verfolgung in Essen 1933 - 1945. Erlebnisse - Berichte - Forschungen - Gespräche, Essen 1989

Michael Brocke, Jüdische Friedhöfe in Essen, in: Michael Zimmermann/Claudia Konieczek (Hrg.), Jüdisches Leben in Essen 1800–1933, Essen 1993, S. 103 –1 35

Ingrid Niemann/Ludger Hülskemper-Niemann, Vom Geleitbrief zum gelben Stern. 450 Jahre jüdisches Leben in Steele, Essen 1994

Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938 Nordrhein-Westfalen, Ludwig Steinheim-Institut, Kamp Verlag, Bochum 1999, S. 510 - 512

Elfi Pracht-Jörns, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil II: Regierungsbezirk Düsseldorf, Bachem Verlag, Köln 2000, S. 119 – 121

Ursula Reuter, Jüdische Gemeinden vom frühen 19. bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts, "Geschichtlicher Atlas der Rheinlande", VIII.8, Bonn 2007, S. 83/84 

Rainer Busch (Bearb.), Essen-Kupferdreh - Juden unerwünscht. Das Schicksal der jüdischen Bürger von Kupferdreh in der NS-Zeit (Broschüre), 2007

N.N. (Red.), Mahnmal für Kupferdreher Nazi-Opfer, in: "Neue Ruhr-Zeitung" vom 18.2.2009

Ingrid Niemann/Ludger Hülskemper-Niemann, Stolpersteine in Steele, Steeler Archiv e.V. 2015

Auflistung der in Essen-Steele verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Essen

Nathanja Hüttenmeister/Anna Martin (Bearb.), Dokumentation des jüdischen Friedhofs in Essen-Steele, hrg. vom Steinheim-Institut, Essen 2015

Ehemalige jüdische Gemeinde in Steele, online abrufbar unter: rheinruhronline.de/essen/essen2/essen-steele/juedische-gemeinde.htm

Jörg Maibaum (Red.), Stolpersteine in Essen-Steele geschändet und herausgerissen, in: „WAZ - Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ vom 17.11.2023