Sachsenhausen (Hessen)

Der Landkreis Frankenberg 1905Datei:Waldeck in KB.svg Die bis 1971 selbstständige Gemeinde Sachsenhausen ist heute mit knapp 2.000 Einwohnern der größte Ortsteil der Kommune Waldeck im hessischen Landkreis Waldeck-Frankenberg - ca. 35 Kilometer westlich von Kassel gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Landkreis Waldeck-Frankenberg', Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Mit der Verleihung von Schutzbriefen an vermögendere jüdische Zuwanderer begann gegen Mitte des 18.Jahrhunderts jüdische Ansässigkeit im Waldecker Fürstentum, so auch in Sachsenhausen. Die ersten drei jüdischen Familien durften sich hier nach 1770 niederlassen; ihren Lebensunterhalt verdienten sie damals als „Handelsmänner“, nebenbei betrieben sie eine kleine Landwirtschaft.

Zu Beginn der 1860er Jahre - die jüdische Gemeinde hatte damals ihren zahlenmäßigen Zenit erreicht - errichtete man u.a. auch aus Abbruchmaterial der alten Stadtmauer ein recht ansehnliches Synagogengebäude; dessen Finanzierung erfolgte aus Eigenmitteln und aus Spenden anderer wohlhabenderer Gemeinden. Die Einweihung des an der Ecke Wildunger Straße/Freienhagener Straße stehenden Gebäudes wurde 1863 mit einem dreitägigen Fest gefeiert. In den Jahrzehnten zuvor waren Beträume in Privathäusern benutzt worden. 

                

                                                                      Ehemaliges Synagogengebäude in Sachsenhausen (Aufn. um 1955)

Zur Besorgung religiöser Aufgaben hatte die Gemeinde einen Religionslehrer angestellt, der auch als Vorbeter und Schochet tätig war.

             https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20360/Sachsenhausen%20AZJ%2016011872.jpg

                                      Stellenanzeigen aus: „Jeschurun“, Mai 1858  und  "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 16.1.1872

Die kleine Gemeinde besaß auch ein eigenes Friedhofsareal, das in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhundert angelegt worden war und sich ca. 200 Meter nördlich der Synagoge befand.

Zur Synagogengemeinde Sachsenhausen gehörten auch Familien aus nahen Orten wie Netze, Meineringhausen, Waldeck und Nieder-Werbe. Mit der benachbarten Synagogengemeinde in Höringhausen bestanden zahlreiche Kontakte.

Juden in Sachsenhausen:

         --- um 1770 ........................   3 jüdische Familien,

--- 1802 ...........................   4     “        “   ,

    --- 1874 ...........................  16     “        “   ,

    --- 1905 ....................... ca.  45 Juden,

    --- 1925 ...........................  26   “  ,

    --- 1933 ...........................   9 jüdische Familien,

    --- 1942 ...........................   keine.

Angaben aus: Sachsenhausen - 750 Jahre Stadtrechte. Beiträge zur Geschichte und Gegenwart

 

Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts lebten die Sachsenhausener Juden vom Handel mit Landesprodukten und als kleine Handwerker. Einige alteingesessene Familien brachten es zu gewissem Wohlstand. Die in die USA ausgewanderte jüdische Familie Bloch engagierte sich sozial für die Stadt; sie stellte ein Haus für einen Kindergarten zur Verfügung; zudem trugen sie mit einem hohen Geldbetrag zur Unterhaltung der Einrichtung bei. In den 1870/1880er Jahren wanderten vermehrt jüdische Familien ab, teilweise verzogen sie in größere deutsche Städte, teilweise wanderten sie nach Nordamerika aus.

In der NS-Zeit gelang einigen von den neun um 1930 in Sachsenhausen lebenden jüdischen Familien noch die Emigration nach Übersee. Mit der Auflösung der Gemeinde ging auch der Verkauf des Synagogengebäudes einher, das nun als Baustofflager diente. Da sich das Gebäude in „arischen“ Händen befand, wurde es auch während des Novemberpogroms von 1938 nicht zerstört. Die letzten verbliebenen jüdischen Bewohner wurden - via Kassel - deportiert; über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Nur der völlig mittellose und auf die Hilfe von Mitbürgern angewiesene Moritz Mildenberg (gest. Jan. 1945) blieb im Ort zurück.    

Von den aus Sachsenhausen stammenden bzw. längere Zeit am Ort ansässig gewesenen jüdischen Bürgern wurden nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ elf Personen mosaischen Glaubens Opfer der „Endlösung(namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe:alemannia-judaica.de/sachsenhausen_synagoge.htm).

 

Das einstige Synagogengebäude wurde Jahre nach Kriegsende von der katholischen Kirchengemeinde erworben und ging 1960 in den Besitz der Kommune über; zwei Jahre später wurde das Gebäude auf Grund von Straßenbaumaßnahmen abgerissen. Seit 1991 erinnert an einer Mauer eine informative Tafel an den einstigen Standort des jüdischen Gotteshauses und an die ehemaligen jüdischen Bürger.

                        Den jüdischen Opfern der faschistischen Gewaltherrschaft zum Gedenken,

                        die ihre Synagoge aufgeben mussten, aus ihrer Heimat vertrieben, verschleppt und ermordet wurden.

An dieser Stelle befand sich die im Jahre 1863 von Kreisbaumeister Brumhard erbaute Synagoge der Jüdischen Gemeinde. In Sachsenhausen gab es von 1771 bis 1945 jüdische Einwohner. Bis zu 13 Familien wohnten ständig am Ort. Seit 1870 wanderten viele nach Amerika aus. 1938 wurde die Synagoge verkauft. Von 1947 bis 1960 diente das Gebäude der hiesigen sich in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg hier neu gegründeten katholischen Gemeinde als Gotteshaus, wurde 1960 von der Straßenbauverwaltung gekauft und später im Zuge der Straßenerweiterung abgerissen. Über der Tür zur Sakristei der neuen katholischen Kirche ist der Türsturz der ehemaligen Synagoge eingesetzt. Er trägt die hebräische Inschrift: „Haus Jakob, kommt, laßt uns wandeln im Lichte von Ihm“ (Jes. 2,5).

Reliefs der Synagoge auf der Gedenktafel (Aufn. Günter Lorenz, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Auf dem in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts angelegten, am Fuße einer Anhöhe liegenden jüdischen Friedhof – das Areal umfasst ca. 2.000 m² – befinden sich heute noch 29 Grabsteine.

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Jüdischer Friedhof in Sachsenhausen (Aufn. Günter Lorenz, 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

Bis in die Zeit des Ersten Weltkrieges lebten nur sehr wenige jüdische Familien in Waldeck; sie gehörten der Kultusgemeinde Sachsenhausen an. Das dortige winzige Friedhofsareal nahe der Edertalsperre war in Privatbesitz; heute findet man dort nur noch fünf Grabsteine.

Jüdisches Begräbnisfeld in Waldeck (Aufn. J. Hahn, 2016) http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20402/Waldeck%20Friedhof%20IMG_8609.jpg

[vgl.  Höringhausen (Hessen)

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Jüdische Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 2, S. 325/326 und S. 243/244

Thea Altaras, Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945?, Königstein i. Ts.1988, S. 69   

Thea Altaras, Das jüdische Rituelle Tauchbad und Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945, Teil II, 1994, S. 66 - 68 

175 Jahre jüdische Mitbürger, in: Sachsenhausen - 750 Jahre Stadtrechte. Beiträge zur Geschichte und Gegenwart, Hrg. Magistrat der Stadt Waldeck, Korbach 1995, S. 91 - 97

Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945, Hessen II (Regierungsbezirk Gießen und Kassel), Hrg. Studienkreis Deutscher Widerstand, 1995, S. 222

Sachsenhausen (Hessen), in: alemannia-judaica.de (mit Aufnahmen vom jüdischen Friedhof)

Waldeck - Jüdischer Friedhof, in: alemannia-judaica.de (mit Aufnahmen der wenigen Gräber)