Saarunion (Elsass)

Kreis Zabern.png Der im Grenzgebiet zu Lothringen liegende Ort Saar-Buckenheim (auch Bockenheim) ist ein Teil der heutigen französischen Stadt Sarre-Union (dt. Saarunion). Die Stadt entstand 1794 durch Vereinigung der beiden Städte Bockenheim und Neu-Saarwerden (Ausschnitt aus hist. Landkarte von 1905, Saarunion oben links, aus: wikipedia.org, gemeinfrei).

 

Gegen Ende des 18.Jahrhunderts siedelten sich die ersten Juden in Saar Buckenheim an; innerhalb weniger Jahrzehnte entwickelte sich eine relativ große jüdische Gemeinde, die zwischen 1850 bis 1870 maximal etwa 350 Angehörige zählte. Das heute noch vorhandene Synagogengebäude wurde nach Plänen des Architekten Robin Alexis 1839/1840 in der "Rue des Juifs" errichtet.

Synagoge in Saarunion (hist. Postkarte bzw. Ausschnitt aus einer Bildpostkarte)

In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts gab es – neben einer Religionsschule – auch eine israelitische Elementarschule in Saar Buckenheim.

Bereits in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts wurde an einem Hang unweit des heutigen Ortszentrums der jüdische Friedhof angelegt; er wird bis zur Gegenwart belegt.

Über viele Jahrzehnte hinweg besaß der Ort ein eigenes Rabbinat; zeitweilig war die Gemeinde dem Rabbinat Buchsweiler (Bouxwiller) zugehörig. In besonderer Erinnerung blieb Joseph Levy, der ein halbes Jahrhundert das Amt des Rabbiners (von 1829 bis zu seinem Tod 1879) bekleidete. Anlässlich seines Todes erschien in der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 13. August 1879 der folgende Artikel:

Saarunion (Elsaß.) Man schreibt uns unterm 9. Juli: Die isr. Gemeinde unserer Stadt hat einen herben und schwer ersetzlichen Verlust erlitten durch das Hinscheiden seines ehrwürdigen Rabbiners, Herrn Joseph Levy, welcher letzten Dienstag in einem Alter von 80 Jahren gestorben ist. Während der 50 Jahre, die er in Ausübung seines Amtes in unserer Mitte zubrachte, hatte Herr J. Levy durch seine Herzensgüte, durch seinen biederen Charakter und durch seine Wohltätigkeit sich die Sympathie nicht nur der Gemeindemitglieder, sondern auch aller seiner Mitbürger aller Confessionen zu gewinnen gewußt. Eine große Menschenmenge drängte sich am Montag in die mit schwarzem Tuch verhängte Synagoge; von weit und breit war man gekommen, um dem Manne, dessen Andenken lange im Herzen seiner Glaubensgenossen fortleben wird, die letzte Ehre zu erweisen. Der Condukt wurde durch die beiden Söhne des Verstorbenen, wovon einer selbst Rabbiner ist, geführt; in dem Leichenzug bemerkte man den Oberrabbiner von Metz, die Rabbiner von Zabern, Saargemünd und Pfalzburg, den Maire und den Munizipalrath, den Kirchenvorstand und Delegirte der eingeladenen Gemeinden. Dem Sarge voran, der abwechselnd durch Notabilitäten der Stadt getragen wurde, gingen die Kinder der israelitischen Schule.  Nach einem Gesang, bestieg der Oberrabbiner Bicard die Kanzel und hob in einer französischen Rede alle die Verdienste hervor, welche sich der Verstorbene in der langjährigen Ausübung seines geistlichen Amtes erworben. Die Rabbiner Dreyfuß und Bernheim hielten nachher jeder eine Rede, in welcher sie besonders der unerschöpflichen Wohltätigkeit des Verstorbenen ein Lob zollten. Nach Absingung eines Psalms verließ der Zug die Synagoge und begab sich auf den Friedhof, wo der Rabbiner Weil ungeachtet des strömenden Regens einem alten isr. Gebrauch gemäß den Verstorbenen in seinem Namen und im Namen aller zum Oberrabbinat gehörenden Gemeinden um Verzeihung bat. Nach einer kurzen Rede eines Neffen des Verstorbenen wurde der Sarg in das Grab gesenkt.

Im gleichen Jahre wurde das Rabbinat wieder neu besetzt.

aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Dez. 1879

Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war neben dem Rabbiner zeitweise auch ein Elementarlehrer/Vorbeter angestellt.

Nachdem sich die Zahl der Gemeindeangehörigen deutlich vermindert hatte, erlosch im Jahre 1927 der Rabbinatssitz in Sarre-Union.

Juden in Saar Buckenheim (Sarre-Union):

         --- um 1785 .........................   ?  Juden,

    --- 1807 ............................  190   “  ,

    --- 1846 ............................  335   “  ,

    --- 1861 ............................  343   “  ,

    --- 1870 ............................  354   “  ,

    --- 1900 ............................  204   “  ,

    --- 1910 ............................  187   “  ,

    --- 1936 ............................   81   “  ,

    --- 1953 ............................   53   “  ,

--- 1965 ........................ ca.   45   “  .

Angaben aus: Michel Rothé/Max Warschawski, Les synagogues d’Alsace et lieur histoire, S. 33

 

Ak Sarre Union Saarunion Elsass Bas Rhin, Totalansicht

Ansicht von Saarunion - hist. Postkarte (aus: akpool.de) und  Postkarte um 1900 (aus: commons.wikimedia,org, CCO)

Die meisten der 1940 am Ort lebenden jüdischen Bewohner wurden 1940 nach Südfrankreich deportiert.

Von den aus Sarre-Union stammenden bzw. längere Zeit am Ort ansässig gewesenen jüdischen Bürgern wurden nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ nachweislich 23 Personen Opfer der „Endlösung“ (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe:alemannia-judaica.de/sarre-union_synagogue.htm).

 

Ein Teil der Überlebenden kehrte nach Kriegsende in den Ort zurück.

In der deutschen Besatzungszeit war die Synagoge geschändet/geplündert und infolge von Kriegsereignissen schwer beschädigt worden; nach 1945 wurde das Gebäude wieder grundlegend restauriert und 1950 erneut eingeweiht.

Anfang der 1960er Jahre lebten knapp 50 Juden in Sarre-Union.

 

                                    Synagogengebäude (Aufn. J. Hahn, 2007)                                           Thoraschrein (Aufn. J. Hahn, 2007)

Auf dem jüdischen Friedhof, auf dem sich ca. 400 Gräber befinden und der bis in die Gegenwart belegt wird, erinnert heute ein Mahnmal an die jüdischen NS-Opfer von Saar Buckenheim.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Alsace%203/Sarre%20Union%20Cimetiere%20102.jpg

jüdischer Friedhof von Saarunion-Saar Buckenheim (Aufn. J. Hahn, 2004)

reich-ornamentierte Steine (Aufn. M. Rothé, um 2000)

Im Februar 2015 wurde der Friedhof von mehreren Jugendlichen schwer geschändet: Es wurden etwa 200 - 300 Grabsteine umgeworfen und das Holocaust-Mahnmal beschädigt; zurückblieb ein Trümmerfeld. Ein demonstrativer Besuch des französischen Staatspräsidenten Francois Hollande sollte die Solidarität mit der jüdischen Glaubensgemeinschaft dokumentieren. Bereits in der Vergangenheit war dieser Friedhof Ziel von Grabschändern gewesen, so in den Jahren 1988 und 2001.

 

Schwere Schäden auf dem jüdischen Friedhof in Sarre Union (Aufn. 2015, AFP bzw. R.Hamann, 2015, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

 

Im lothringischen Finstingen (frz. Fénétrange) – südwestlich von Saare-Union im Departement Moselle – existierte eine jüdische Gemeinde mit einer aus dem 18.Jahrhundert stammenden Synagoge – untergebracht im Obergeschoss eines Wohnhauses. Im 19.Jahrhundert wurde sie vergrößert bzw. umgebaut.

http://www.synagoge-fenetrange.de/gfx/karte5.jpg File:Synagogue Fenetrange.JPG

Synagoge in Fénétrange, mit Pfeil markiert (links: hist. Aufn. - rechts: Aufn. 2013, wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Am Ort gab es auch einen Friedhof, der aus dem 18.Jahrhundert stammt. Während der deutschen Okkupation wurde die Inneneinrichtung der Synagoge vernichtet. Anfang der 1950er Jahre bestand die kleine Gemeinde nur noch aus ca. 30 Angehörigen. 1979 wurde die Synagoge geschlossen, das profanierte Gebäude nun verkauft. Im Juni 2010 gründete sich die „Initiative Synagoge Fénétrange“ mit dem Ziel, die Synagoge als Denkmal jüdischen Kulturguts zu erhalten und zu restaurieren, ihre Geschichte und die der Juden aus der Region zu dokumentieren. Auf dem jüdischen Friedhof erinnert heute ein Gedenkstein an die verfolgten jüdischen Bewohner; das Areal wurde jüngst bei einem deutsch-französischen Jugendprojekt in einen vorzeigbaren Zustand versetzt; die ältesten Grabsteine stammen aus der Zeit der Anlage des Begräbnisstätte.

Grabmale auf dem Friedhof in Fénétrange (Aufn. H. Schumann) 

Eingang (Aufn. Aimelaime, 2013, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

In Insmingen (frz. Insming) – einer kleinen lothringischen Ortschaft ca. 15 Kilometer westlich von Saarunion – bestand seit dem 18.Jahrhundert eine jüdische Gemeinde; ihr gehörten auch die jüdischen Familien aus Dörfern der nahen Umgebung an. Gemeinsam nutzten die Gemeindeangehörigen eine 1843 errichtete Synagoge. Dieses Gebäude wurde bis in die 1970er Jahre genutzt; danach wurde das marode Gebäude abgerissen.

        Synagoge in Insmingen, hist. Aufn.

Verstorbene Juden aus Insmingen wurden auf dem jüdischen Friedhof in Hellimer begraben.

 

 

 

Weitere Informationen:

Joseph Bloch, Sarre-Union (Bouquenom) Chronique consistoriale du Bas-Rhin - Histoire de nos Communautés SARRE-UNION – BOUQUENOM, Auszug aus: Bulletin de nos Communautés 1958

J. Wolff, Sarre-Union. Le cimetiere (online unter: judaisme.sdv.fr)

Jean-Bernard Lang, Fenetrange (online unter: judaisme.sdv.fr/synagog/moselle/fenetran.htm)

Jean-Bernard Lang/Pascal Faustini (Red.), Insming, online abrufbar unter: dv.fr/synagog/moselle/insming.htm

Michel Rothé/Max Warschawski, Les synagogues d’Alsace et lieur histoire, Jerusalem 1992, S. 113

Henry Schumann, Mémoire des communautés juives de Moselle, Éditions Serpenoise, Metz 1999

Sarre-Union, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Text- u. Bilddokumenten zur jüdischen Ortshistorie)