Rommerskirchen (Nordrhein-Westfalen)

Datei:Rommerskirchen in NE.svg Rommerskirchen ist eine Kommune mit derzeit ca. 13.000 Einwohnern im Rhein-Kreis Neuss im Südwesten Nordrhein-Westfalens. Zur politischen Gemeinde Rommerskirchen gehören heute die ehemaligen Bürgermeistereien Nettesheim-Butzheim und Rommerskirchen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905 ohne Eintrag von Rommerskirchen, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und  Kartenskizze 'Rhein-Kreis Neuss', TUBS 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Im 19.Jahrhundert existierte in Nettesheim-Butzheim eine der größeren jüdischen Landgemeinden dieser Region.

Vermutlich ließen sich Juden im 14. Jahrhundert in Nettesheim am Gillbach nieder; darauf deutet die damals schon benutzte Wegbezeichnung „Judenpat“ hin, der zu einer jüdischen Begräbnisstätte geführt haben soll. Der erste schriftliche Beleg mit konkretem Bezug auf einen Juden am Gillbach stammt aber erst aus dem Jahre 1475. Bis um 1750 lebten die Juden fast ausschließlich in den Dörfern der Bürgermeisterei Nettesheim; erst gegen Ende des 18.Jahrhunderts ließen sie sich auch in Rommerskirchen nieder.

Die Rommerskirchener Juden besaßen ein aus dem 19.Jahrhundert stammendes Fachwerk-Synagogengebäude. Seit 1853 gehörten die Rommerskirchener Juden zur Filialgemeinde Zons-Dormagen; ab Anfang der 1930er Jahre zählten sie dann zur Neußer Gemeinde.

Die Nettesheimer Synagoge war bereits um 1770/1790 errichtet worden; dieser Fachwerkbau am Lommertzweg fiel 1846 (oder 1847) einem Brand zum Opfer. Erst mehrere Jahre später konnte ein neues Bethaus eingeweiht werden, das sich in einem umgebauten Wohnhause befand.

Ihre Verstorbenen begrub die Rommerskirchener Judenschaft auf einem kleinen Areal an der Nettesheimer Straße. Die Juden von Nettesheim-Butzheim verfügten seit Ende des 18.Jahrhunderts über einen eigenen Begräbnisplatz, der weit außerhalb der Bebauung am Waldrand (Bruchrandweg) lag. Seit etwa 1900 stand ein anderes Gelände am Stommelner Weg zur Verfügung.

Juden in Nettesheim/Butzheim:

         --- 1724 ......................... eine jüdische Familie,*

    --- um 1750 .......................   9      “        “ n,*

    --- 1801 ..........................   8      “        “  ,**

    --- 1806 ..........................  11      “        “  ,**

    --- 1830 ..........................  86 Juden,*

    --- 1848 ..........................  68   “  ,*

    --- 1871 ..........................  43   “  ,*

    --- 1911 ..........................  23   “  ,*

    --- 1939 ..........................  15   “  ,*

* in Nettesheim und Butzheim    ** in Nettesheim, Butzheim und Anstel

Juden in Rommerskirchen (u. Vanikum):

         --- um 1850 ...................... eine jüdische Familie,

    --- 1801 .........................   3     “       “   n,

    --- 1806 .........................   6     “       “    ,

    --- 1843 .........................  45 Juden

    --- 1871 .........................  31   “  ,

    --- 1911 .........................  24   “  ,

    --- 1928 .........................  35   “  ,

    --- 1937 .........................   8 jüdische Familien,

    --- 1939 .........................  eine    “       “ ().

Angaben aus: Josef Schmitz, Jüdische Familien am Gillbach - Herkunft und Schicksal

und                  Elfi Pracht-Jörns, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil II: Reg.bez. Düsseldorf, S. 491 f.

 

In den Gillbach-Dörfern kam es in den 1830er Jahren zu antijüdischen Ausschreitungen, die ihren Ausgang in einem Mord an einem Kinde im damaligen Kreis Grevenbroich hatten. Das Kind war angeblich einem Ritualmord durch einen Juden zum Opfer gefallen. Nur durch den Einsatz von Militär konnte der Mob vor weiteren Ausschreitungen abgehalten werden. Zielscheibe der antijüdischen Ausschreitungen in Rommerskirchen war vor allem der dort lebende Jude Abraham Emanuel; Drahtzieher der Unruhen soll der Schneider Kirschbaum gewesen sein, der aus rein persönlichen Motiven gehandelt haben soll. Im Revolutionsjahr 1848 kam es in Nettesheim erneut zu antijüdischen Ausschreitungen; preußische Truppen stellten die Ruhe aber wieder her.

Zu Beginn der 1930er Jahre lebten im gesamten heutigen Stadtgebiet von Rommerskirchen etwa 50 Juden. Die meisten jüdischen Familien waren bis 1937/1938 in ihren Heimatdörfern am Gillbach verblieben, ehe sie dann in den Raum Köln zwangsweise umgesiedelt und schließlich von dort deportiert wurden. Während des Novemberpogroms von 1938 wurden Wohnungen jüdischer Familien in den Ortschaften am Gillbach teilzerstört, Möbel und Hausrat zerschlagen. Die Fachwerk-Synagoge an der Giller Straße in Rommerskirchen wurde in Brand gesetzt und brannte bis auf die Grundmauern nieder. Die Synagoge in einem Wohnhaus am Lommertz-Weg in Nettesheim blieb dagegen weitgehend unzerstört. Aus der „Rheinischen Landeszeitung” vom 11.11.1938:

... Vor allem aber war es selbstverständlich, daß die Versammlungsstätten des Judentums in Neuß und unserem Kreis, diese Stätten, wo die Juden in der Vergangenheit an ihrem Sabbat ausheckten, wie sie weiterhin das Volk ausbeuten, knechten, unterdrücken und schließlich vernichten könnten, daß wir diese Stätten von diesem Augenblick an nicht mehr dulden konnten. Und so wurden sämtliche Synagogen zerstört und verbrannt.

Etwa 40 jüdische Bewohner, die am Gillbach ihre Heimat gehabt hatten, wurden Opfer des NS-Regimes.

 

An der Außenmauer des jüdischen Friedhofs in Rommerskirchen am Nettesheimer Weg ist seit 1982 eine Gedenktafel angebracht.

Gedenktafel (Aufn. Käthe u. Bernd Limburg, 2012)

   

Jüdischer Friedhof (Aufn. K. u. B. Limburg, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0) und Gedenkstein (Aufn. Klaus Erdmann, 2006)

Der ummauerte, nicht öffentlich zugängliche Begräbnisplatz weist heute noch neun Grabsteine auf.

Am Grundstück in der Gillerstraße, auf dem die Synagoge stand, weist seit 1983 eine Tafel auf das ehemalige jüdische Gotteshaus hin:

Treppenaufgang zu den jüdischen Gärten mit Synagoge.

Angezündet und abgebrannt in der Reichskristallnacht.

Anno domini MCMLXXXIII

Pfarrgemeinde St. Peter

 

 

In Nettesheim waren Mitte des 18.Jahrhunderts neun jüdische Familien ansässig; eine autonome Kultusgemeinde konnte aber nicht gebildet werden; so gehörten die Nettesheimer Juden dem Synagogenbezirk Zons an. In der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts richtete die Judenschaft in einem Fachwerkhaus einen Betraum ein, der durch einen Brand 1846/1847 zerstört wurde; Jahre später wurden Gottesdienste im Nachbargebäude abgehalten. Der Friedhof am Bruchrandweg bestand seit ca. 1770; er wurde bis ca. 1900 von den Juden aus Nettesheim und Butzheim genutzt. Danach legte die Nettesheimer Gemeinde einen eigenen neuen Friedhof am Stommelner Weg an.

Zugangstor zum Friedhof (Aufn. K., 2006, aus: wikipedia.org, GPL)

In den 1840er Jahren zählte die hiesige jüdische Gemeinschaft knapp 70 Personen; Anfang der 1930er Jahre waren es nur noch etwa 20. Der in den 1930er Jahren beabsichtigte Zusammenschluss der Juden aus Nettesheim und Rommerskirchen kam auf Grund der politischen Situation nicht mehr zustande. Die Synagoge in Nettesheim am Lommertz-Weg blieb während der NS-Zeit von Zerstörungen verschont; das Gebäude ging in Privatbesitz über. 

Auch die Kommune Rommerskirchen nimmt am europaweiten "Stolperstein-Projekt" teil; so wurden in der Martinusstraße in Nettesheim-Butzheim bereits 2008 neun messingfarbene Steinquader verlegt, die an ehemalige jüdische Bewohner erinnern, die in der NS-Zeit deportiert und ermordet wurden; allein sechs erinnern an die Angehörigen der Familie Kaufmann, die deportiert und in Minsk ermordet wurden.

File:Stolperstein Kaufmann Rommerskirchen.jpg Stolpersteine Marx Jonassohn Rommerskirchen.jpg

Stolpersteine“ in Butzheim-Nettesheim, Martinusstr. (Aufn. N., 2015, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)

vgl.  Nettesheim (Nordrhein-Westfalen)

 

 

 

Weitere Informationen:

Klaus H.S. Schulte, Dokumentation zur Geschichte der Juden am linken Niederrhein seit dem 17.Jahrhundert, in: "Veröffentlichungen des Historischen Vereins für den Niederrhein ..." , Bd. 12, Verlag L.Schwann, Düsseldorf 1972, S. 185/186

Josef Schmitz, Jüdische Familien am Gillbach - Herkunft und Schicksal, in: "Beiträge zur Geschichte der Gemeinde Rommerskirchen", Band 3, o.O. 1999

Josef Schmitz, Die Judengemeinde Nettesheim, in: J. Schmitz, Leben am Gillbach. Nettesheim-Butzheim 1800 - 1974, Rommerskirchen 1987, S. 195 - 211

Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938 Nordrhein-Westfalen, Ludwig Steinheim-Institut, Kamp Verlag, Bochum 1999, S. 395 und S. 465

Elfi Pracht-Jörns, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil II: Regierungsbezirk Düsseldorf, J.P.Bachem Verlag, Köln 2000, S. 491 – 495

Ursula Reuter, Jüdische Gemeinden vom frühen 19. bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts, Bonn 2007, S. 77

Josef Wißkirchen, Rudi Herz – ein jüdischer Rheinländer, o.O. 2012

Juden in Rommerskirchen – Virtuelles Gemeindemuseum, online abrufbar unter: vmrommerskirchen.de

Sebastian Meurer (Red.), Rommerskirchen. Durch Stolpersteine soll Erinnerung bleiben, in: „NGZ – Neuß-Grevenbroicher Zeitung“ vom 12.11.2014

Auflistung der in Rommerskirchen verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Rommerskirchen

Josef Wißkirchen, Verfolgte Nachbarn am Gillbach - Juden in Rommerskirchen", Klartext-Verlag, Essen 2016

Carina Wernig (Red.), Geschichte in Rommerskirchen. Historiker widmet sich jüdischem Leben, in: "NGZ – Neuß-Grevenbroicher Zeitung“ vom 8.5.2020

Josef Wißkirchen, Jüdische Familien kämpfen ums Überleben: Kaufmann und Vosen aus Rommerskirchen, Aschendorf Verlag Münster 2021