Preußisch Oldendorf (Nordrhein-Westfalen)

Jüdische Gemeinde - Minden (Nordrhein-Westfalen)Datei:Preußisch Oldendorf in MI.svg  Preußisch Oldendorf ist mit derzeit ca. 13.500 Einwohnern heute die kleinste Kommune im ostwestfälischen Kreis Minden-Lübbecke (Reg. Detmold) nur unweit von Lübbecke - ca. 35 Kilometer östlich von Osnabrück gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus:wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Kreis Minden-Lübbecke', TUBS 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Ende des 17.Jahrhunderts erhielten die ersten Juden in Oldendorf vom Kurfürsten von Brandenburg Schutzbriefe, die ihnen hier Wohn- und Handelsrechte zusicherten. Der Oldendorfer Jude Salomon Sloimann besaß zeitweilig die Funktion des Steuereinnehmers der Gesamtjudenschaft im Rabbinatsbezirk. Die wenigen im Ort ansässigen Familien brachten es zu gewissem Wohlstand.

Spätestens seit Beginn des 19.Jahrhunderts besaß die kleine jüdische Gemeinschaft ein kleines Gebäude, das neben einem Schul- auch einen Betraum besaß. 1862/1863 gab die Gemeinde das inzwischen marode gewordene alte Bethaus auf und ließ einen Synagogenneubau an der heutigen Mindener Straße errichten - in unmittelbarer Nähe der jüdischen Schule. Der Betsaal, in dessen Mitte die Bima stand, war mit acht Sitzreihen ausgestattet; die Frauen saßen auf Bänken im hinteren Bereich. Die Kosten des eingeschossigen Neubaues finanzierte man aus Erträgen einer Kollekte und durch eine Anleihe. Doch schon wenige Jahrzehnte später konnte die Synagoge nicht mehr genutzt werden, da infolge der Abwanderung kein Minjan mehr zustande kam. An hohen Feiertagen fanden Gottesdienste in der jüdischen Schule statt.

Weit außerhalb der Ortschaft, in einem Waldgelände Richtung Börninghausen, war Mitte des 18.Jahrhunderts ein eigener Friedhof angelegt worden; dessen Eröffnung erfolgte durch eine Genehmigung des preußischen Königs Friedrich des Großen vom 24. Oktober 1740. 

Die kleine Synagogengemeinde Pr. Oldendorf umfasste auch die Ortschaften Engershausen, Harlinghausen, Holzhausen, Börninghausen, Blasheim und Rödinghausen.

Juden in Preußisch-Oldendorf:

--- um 1710 ........................  4 jüdische Familien,

--- 1790 ...........................  5    “        “    ,

--- 1843 ........................... 51 Juden

--- um 1855 ........................ 58   "  ,

--- 1871 ........................... 43   “  ,

--- 1899 ........................... 22   “  ,

--- 1925 ........................... 13   “  ,

--- 1932 ........................... 14   “  .

Angaben aus: Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Reg.bez. Detmold, S. 415

und                 Volker Beckmann (Bearb.), Preußisch-Oldendorf, iin: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen , S. 637/638

 

Zu Beginn der NS-Zeit lebten nur noch drei jüdische Familien und zwei Witwen in Pr. Oldendorf.

Wenige Tage vor der „Reichskristallnacht“ im November 1938 wurden das schon jahrzehntelang ungenutzte Synagogengebäude und die ehemalige Schule verkauft, beide Gebäude wurden später (1939 bzw. 1957) abgerissen.

Die letzte jüdische Familie Georg Ehrlich musste im Oktober 1938 Pr. Oldendorf verlassen.

                   Haus der Familie Ehrlich um 1800 (Gemälde von M. Klein)

Der einzige jüdische Bewohner von Pr. Oldendorf, der den Holocaust überlebte, war der Schlachter und Kaufmann Alfred Ehrlich; von ihm stammt ein erschütterndes Dokument über die Jahre von 1933 bis 1945 (siehe Lit. unten).

Auf einer am Bürgerhaus angebrachten Gedenktafel ist Alfred Ehrlicher auch namentlich genannt:Zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus, die aufgrund ihres Glaubens, ihrer Nationalität, ihrer Abstammung, ihrer Behinderung, ihrer politischen Übeezeugung oder durch Kriegseinwirkungen ihr Leben verloren haben. Den Lebenden zur Mahnung „dass dieses sich nie wiederholen möge“. Alfred Ehrlich (1909-1984) überlebender jüdischer Bürger des Holocaust aus Preußisch-Oldendorf.  STADT PREUßISCH OLDENDORF“

Der jüdische Friedhof in Pr. Oldendorf ist das einzige und letzte Kulturerbe der früheren Synagogengemeinde; 57 Grabstätten haben die Zeiten überdauert; der älteste Grabstein datiert von 1741.

2012 Preussisch Oldendorf - Jüdischer Friedhof (10).jpgJüdischer-Friedhof Preussisch-Oldendorf.jpg2012 Preussisch Oldendorf - Jüdischer Friedhof (19).jpg

jüdischer Friedhof Preußisch-Oldendorf (Aufn. TUBS, 2012 und Grugerio, 2015, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0/4.0)

Mehr als die Hälfte der Gräber nehmen Verstorbene von den drei bekannten jüdischen Familien Cahen, Löwenstein und Ehrlich ein. Das größte Einzelgrab mit einem eindrucksvollen ornamentalen Aufbau ist das von Jacob Cahen (von 1884).

Auf dem Kirchplatz wurden 2018 an fünf Standorten Namenstafeln in Form von „Stolpersteinen“ verlegt, auf denen die 24 Holocaust-Opfer aus Preußisch-Oldendorf genannt sind.

Gedenktafeln Gedenktäfelchen (Abb. Stadt Preußisch Oldendorf)

 

 

 

In Wittlage (heute Ortsteil von Bad Essen) – ca. zwölf Kilometer westlich von Pr.-Oldendorf – haben stets nur sehr wenige Menschen jüdischen Glaubens gelebt.

 

 

 

Weitere Informationen:

Alfred Ehrlich, 12 Jahre nazistische Schreckensjahre, Typoskript im Stadtarchiv Preußisch Oldendorf

Dieter Besserer, Von der Bauernschaft “Aldenthorpe” zur Stadt Preußisch Oldendorf. Ein Beitrag zum Stadtjubiläum, in: "Mitteilungen des Mindener Geschichtsvereins", No. 66/1994

Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Regierungsbezirk Detmold, J.P.Bachem Verlag, Köln 1998, S. 415 - 418

Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938 Nordrhein-Westfalen, Ludwig Steinheim-Institut, Kamp Verlag, Bochum 1999, S. 436/437

Volker Beckmann, Die jüdische Bevölkerung der Landkreise Lübbecke und Halle i.W. - Vom Vormärz bis zur Befreiung vom Faschismus (1815 - 1945), Dissertation Univ. Bielefeld 2000/2001 (2015 überarb. als PDF-Datei vorl. S. 75 - 80 u.a.)

Friederike Niemeyer (Red.), Als die Juden noch im Zentrum lebten – Dieter Besserer und Helmut Recker bereiten Ausstellung vor, in: "Lübbecker Kreiszeitung – Westfalenblatt“ vom 29.9. 2010

Cornelia Müller (Red.), Mahnung eines Überlebenden – Erinnerung an Alfred Ehrlich, in: „Lübbecker Kreiszeitung – Westfalenblatt“ vom 11.11.2010

Volker Beckmann (Bearb.), Preußisch-Oldendorf, iin: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Detmold, Ardey-Verlag, Münster 2013, S. 635 - 641

Dieter Besserer, Jüdisches Leben in der Stadt Preußisch Oldendorf, Preußisch Oldendorf 2014 (Anm. In der Publikation befindet sich eine fast 100seitige Dokumentation des jüdischen Friedhofs, bearb. von Nathanja Hüttenmeister)

N.N. (Red.), Jüdisches Leben in Pr. Oldendorf - Viele Verbindungen ins Wittlager Land, in: „Neue Osnabrücker Zeitung“ vom 19.12.2014

Thomas Grove (Bearb.), Es betrifft uns: Lebensläufe Wittlager Juden - Seminararbeiten von Schüler/innen im Geschichtskurs „Geschichte der Wittlager Juden zwischen 1800 und heute" am Gymnasium Bad Essen, 2018

Lars Hermann (Red.), Schicksale Wittlager Juden. Bad Essener Schüler auf intensiver Recherchearbeit, in: „Lingener Tagespost“ vom 7.6.2018

Sandra Spieker-Beutler (Red.), 24 Gedenktafeln werden in Preußisch Oldendorf eingeweiht, in: „Neue Westfälische“ vom 25.10.2018

Lena Knickmeier (Red.), „Die Erinnerung darf nicht enden“, in: „Westfalen-Blatt“ vom 13.11.2018 (Anm. mit namentlicher Nennung der Opfer)

Stadt Preußisch Oldenorf (Hrg.), Namenstafeln auf dem Kirchplatz zum Gedenken an 24 Bürger der Stadt, die im Konzentrationslager umgebracht worden sind, online abrufbar unter: preussischoldendorf.de

Mindener Geschichtsverein/Kreis Minden-Lübbecke (Hrg.), Orte erinnern – Spuren der NS-Zeit in Minden-Lübbecke, online abrufbar unter: minden-luebbecke.de/media/custom/2832_1688_1.PDF?1557728062, S. 46/47