Nieder Mockstadt (Hessen)

Wetteraukreis KarteWo liegt Florstadt Nieder-Mockstadt? Lageplan mit Karte Nieder Mockstadt ist seit 1972 ein Stadtteil von Florstadt im hessischen Wetteraukreis mit derzeit ca. 1.500 Einwohnern - knapp 20 Kilometer östlich von Friedberg gelegen (Kartenskizze 'Wetterauskreis', aus: ortsdienst.de/hessen/wetteraukreis).

 

In dem ca. zehn Kilometer nördlich von Altenstadt liegenden Nieder Mockstadt gründete sich zu Beginn des 19.Jahrhunderts eine jüdische Kultusgemeinde, zu der in den Anfangsjahrzehnten ihres Bestehens auch die Familien aus Ranstadt gehörten (Anm.: Nach 1849 gehörte Ranstadt zu Ober Mockstadt).

Eine umgebaute Scheune (in der Orlesgasse, heute Orlesstr.) diente als Betraum; daneben gab es eine winzige Religionsschule und ein rituelles Bad. Zur Verrichtung religiös-ritueller Aufgaben war zeitweilig ein von der Gemeinde besoldeter Lehrer tätig, gegen Ende des 19. Jahrhunderts gemeinsam mit der Nachbargemeinde Staden.

                 Anzeige aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21.Aug. 1893

Auch ein kleines Beerdigungsgelände war vorhanden.

Die Gemeinde gehörte zum orthodoxen Provinzialrabbinat Oberhessen in Gießen.

Juden in Nieder Mockstadt:

--- 1828...........................  53 Juden,

--- 1861 ..........................  89   “  (ca. 13% d. Bevölk.),

--- 1880 ..........................  54   “  ,

--- 1900 ..........................  32   “  ,

--- 1905 ..........................  32   “  ,

--- 1910 ..........................  44   “  (ca. 6% d. Bevölk.),

--- 1924 ...................... ca.  40   “  ,

--- 1933 ..........................  35   “  ,

--- 1942 (Dez.) ...................  keine.

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 2, S. 139

 

Ak Nieder Mockstadt Florstadt im Wetteraukreis, Zur Post, Inh. Culmann, Postauto Nieder-Mockstadt, hist. Ansichtskarte um 1910 (Abb. aus: akpool.de)

Lehrlingsgesuche von 1903 und 1905

Zu Beginn des 20.Jahrhunderts lebten ca. 35 jüdische Bewohner am Ort; Anfang der 1930er Jahre gab es am Ort noch zwei jüdische Vieh- und drei Textilhändler, je einen Kolonialwaren-, Eisenwaren- und Landesproduktenhändler sowie einen Bäcker und einen Metzger.

Die meisten jüdischen Familien verließen nach 1933 auf Grund der zunehmenden Entrechtung und Ausgrenzung ihr Heimatdorf; einige gingen in die Emigration.

Während des Novemberpogroms wurde die Inneneinrichtung der Synagoge zerstört; das Gebäude blieb erhalten, wechselte in den Besitz der Kommune und diente fortan als Feuerwehrgerätehaus.

Der letzte jüdische Bewohner (Aron Heß) wurde Ende 1942 nach Theresienstadt deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ sind neun gebürtige bzw. länger in Nieder Mockstadt lebende jüdische Bewohner Opfer der NS-Gewaltherrschaft geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/nieder-mockstadt_synagoge.htm).


Die Anbringung einer Gedenktafel am ehemaligen Synagogengebäude erfolgte in den 1990er Jahren. Auf Beschluss der Kommunalvertretung wird dass ehemalige Gebäude der Synagoge - es war seit den 1950er Jahren als Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr genutzt worden - mit hohem Kostenaufwand denkmalgerecht saniert und als Kulturdenkmal erhalten.

Das in einem kleinen Waldstück südöstlich des Ortskerns befindliche, ummauerte jüdische Friedhofsgelände weist auf einer Fläche von ca. 300 m² noch eine Reihe stelenförmiger Grabmale auf.

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20453/Nieder-Mockstadt%20Friedhof%20DSC04125_PerClr.jpghttps://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20453/Nieder-Mockstadt%20Friedhof%20DSC04123_PerClr.jpg 

Ummauertes Friedhofsgelände (Aufn. Horst Ulf, 2021, aus: alemannia-judaica.de)

Der 2013 gegründete Arbeitskreis „Jüdisches Leben in Florstadt“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, die jüdische Geschichte der einzelnen Stadtteile zu dokumentieren. 

2016 wurden vor dem ehemaligen Wohnsitz der Familie Gerson Halberstadt in der Orlesstraße – sie besaß ein Geschäft für Eisen- u. Haushaltswaren – acht sog. "Stolpersteine" verlegt. Sie erinnern an Gerson und Berta Halberstadt, die deportiert und ermordet wurden, und an ihre Kinder, die ihr Leben durch Emigration retten konnten.

Aufn. aus: nieder-mockstadt.de

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag Frankfurt/M. 1971, Bd. 2, S. 139

Thea Altaras, Synagogen in Hessen. Was geschah nach 1945, o.O. 1988, S. 190/191

Studienkreis Deutscher Widerstand (Hrg.), Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 – 1945, Hessen I: Reg.Bez. Darmstadt, 1995, S. 319

Susanne Gerschlauer, Katalog der Synagogen, in: Ulrich Schütte (Hrg.), Kirchen und Synagogen in den Dörfern der Wetterau, "Wetterauer Geschichtsblätter - Beiträge zur Geschichte u. Landeskunde", Band 53, Friedberg (Hessen) 2004, S. 555 ff. 

Nieder Mockstadt, in: alemannia-judaica.de 

Robin Laumann (Verf.), Lebensgeschichte: Halberstadt Jaacov, 2008 (online abrufbar unter: Association of Israelis of Central European Origin)

Stadt Florstadt (Hrg.), Nieder-Mockstadt – Unser Dorf hat Zukunft, 2011 (Anm. mit Fotos von Synagoge)

Meike Kolodziejczyk (Red.), Hakenkreuz mit Apfelbrei. Unbekannte schänden jüdischen Friedhof in Nieder-Mockstadt, in: „Frankfurter Rundschau“ vom 6.7.2012

N.N. (Red.), Stolpersteine sollen an Familie Halberstadt erinnern, in: „Kreisanzeiger – Zeitungsgruppe Zentralhessen“ vom 28.4.2016

pm/dab (Red.), Jeder Stolperstein ein Schicksal, in: „Wetterauer Zeitung“ vom 28.4.2016

pm/dab (Red.), Jeder Stolperstein ein Schicksal, in: „Gießener Allgemeine“ vom 29.3.2019 (betr. Jüdische Familie Halberstadt)

Stadt Florstadt (Hrg.), Jüdisches Leben, online abrufbar unter: florstadt.de/seite/365868/Position_21_Jüdisches_Leben.html

Stefan Lutz (Red.), Alte Synagoge wird saniert, in: „Frankfurter Neue Presse“ vom 7.7.2022