Klattau (Böhmen)

Jüdische Gemeinde - Prestitz (Böhmen) Klattau wurde um 1260 als "königliche Stadt" an einem wichtigen Handelsweg gegründet und liegt im Vorland des Böhmerwaldes; es ist das heutige tsch. Klatovy mit derzeit ca. 22.000 Einwohnern (Ausschnitt aus hist. Landkarte von 1905, aus: europe1900.eu und Kartenskizze 'Tschechien' mit Klatovy rot martkiert, K. 2005, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Erste Hinweise auf jüdisches Leben in Klattau reichen bis ins 14.Jahrhundert zurück; eine kleine Gemeinde soll zu Beginn des 16.Jahrhunderts bestanden haben. Doch bald wurden die Juden wieder aus der Stadt vertrieben.

http://sumavanet.cz/user/portal/klatovy/kt-1602-a.jpgStadtansicht von Klattau um 1600 (Abb. aus: klatovy.cz)

Jahrhundertelang beschränkte sich jüdische Ansässigkeit in Klattau auf nur sehr wenige geduldete Familien. Erst gegen Mitte des 19.Jahrhunderts bildete sich aus zugewanderten Familien eine neuzeitliche israelitische Gemeinde heraus, die innerhalb weniger Jahrzehnte sehr stark anwuchs (siehe Statistik).

1876 wurde ein neues Synagogengebäude eingeweiht.

http://www.soaplzen.cz/sites/default/files/public/00003.jpg Ehem. Synagoge (Aufn. 1968, aus: soaplzen.cz)

Im gleichen Jahrzehnt legte man auch ein eigenes Beerdigungsareal an.

Juden in Klattau:

--- 1869 ........................  1.345 Juden,*      * im Distrikt Klattau

--- 1881 ........................  1.305   “  ,*

--- 1891 ........................     532   "  ,

--- 1893 ........................     724   “  ,

--- 1901 ........................     553   "  ,

--- 1930 ........................     344   “   (ca. 2% d. Bevölk.),

--- 1940 ........................       ?   “  .

Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 2), S. 632

 

Die jüdischen Einwohner Klattaus bestimmten zu Beginn des 20.Jahrhunderts maßgeblich das Wirtschaftsleben in der Stadt; so gehörten ihnen die meisten Fabrikbetriebe in der Stadt.

Im Jahre 1897 war Klattau Schauplatz antijüdischer Ausschreitungen, die zu Sachbeschädigungen führten.

Während der sog. „Sudetenkrise“ diente Klattau als Zufluchtsort von Juden aus Südwest-Böhmen. Mit dem Einmarsch deutscher Truppen im März 1939 begann auch für die Juden Klattaus die Leidenszeit. Im Sommer 1941 setzten tschechische Faschisten die Synagoge in Brand. Im November 1942 wurde die verbliebene jüdische Bevölkerung Klattaus ins Ghetto Theresienstadt abtransportiert - mit Ausnahme der 25 „arisch-versippten“ Personen, die dann zur Zwangsarbeit verpflichtet wurden. Von den nach Theresienstadt Verschleppten deportierten die Behörden die allermeisten ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.

Seit 1989 erinnert ein Denkmal an die Opfer des Holocaust.

Der jüdische Friedhof hat die NS-Zeit und die Jahrzehnte des Kommunismus fast unbeschadet überstanden.

File:Jewish Cemetery Klatovy 17.JPG

Jüdischer Friedhof in Klatovy (Aufn. Fet'our, 2012, aus: commons.wikimedia.org, CCO)

 

 

In Slatina, einem Dörfchen im Bezirk Klatovy, wurden jüdische Familien um 1700 durch den dortigen Gutsherrn angesiedelt. Dieser stellte ihnen - gegen finanzielle Leistungen - Grund und Boden für die Errichtung eigener Häuser zur Verfügung; das war der Ursprung des Slatiner Ghettos. Die Juden des Dorfes trieben Hausierhandel und waren als Vieh- und Getreidehändler tätig. Um 1850 lebten in den „Ghettohäusern“ ca. 20 Familien, etwa ein Drittel der Dorfbevölkerung. Eine kleine Gemeinde muss bereits um 1720 bestanden haben; denn die Anlage eines eigenen Friedhofs spricht für diese Annahme. Auf dem Gelände fanden fortan auch verstorbene Juden aus dem nahen ländlichen Umland ihre letzte Ruhe. Zur Slatinaer jüdischen Gemeinde gehörten mindestens zwölf weitere Dörfer.

Eine ursprünglich aus Holz gebaute Synagoge wurde um 1850 (oder 1870) durch einen Steinbau ersetzt wurde. Eine jüdische Schule bestand bis in die 1890er Jahre. Abwanderung führte dazu, dass die jüdische Gemeinde gegen Ende des 19.Jahrhunderts sich in Auflösung befand; die letzte Familie verließ 1917 das Dorf.

 File:ŽH Slatina (KT) 15.jpg

Jüdischer Friedhof von Slatina (Aufn. Jitka Erbenová, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

Im Dorf Chlistau bzw. Klistau (tsch. Chlistov, derzeit kaum mehr als 100 Einw.) – ca. zehn Kilometer südöstlich von Klattau/Klatovy – existierte auch eine jüdische Gemeinde, die Ende der 1860er Jahre auf einem Hügel nördlich des Dorfes einen eigenen Friedhof angelegt hatte. Nach dem Ersten Weltkrieg verkleinerte sich die jüdische Gemeinde infolge Abwanderung immer mehr, so dass die Synagoge kaum noch genutzt wurde. In den 1960er Jahren wurde das inzwischen verfallenene Synagogengebäude abgerissen. Nur der in einem Wäldchen versteckt liegende, von einer Bruchsteinmauer umgebene jüdische Friedhof erinnert heute noch an die einstige jüdische Gemeinde des Dorfes.

 

Zugang zum Friedhof  - Grabstätten (Aufn. Jitka Erbenová, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

In der Ortschaft Deschenitz (tsch. Dešenice, derzeit ca. 650 Einw.) - ca. 15 Kilometer südwestlich von Klattau - war eine kleine jüdische Gemeinde beheimatet. Erste Hinweise auf jüdische Anwesenheit im Ort stammen aus den 1770er Jahren, als hier fünf jüdische Familien ansässig waren. 1866 wurde ein neues Synagogengebäude eingeweiht, das einen älteren Betraum ersetzte. Verstorbene Juden aus Deschenitz fanden ihre letzte Ruhe auf dem jüdischen Friedhof in Neuern (Nyrsko).

Die Synagoge wurde bis in die 1930er Jahre genutzt, danach das Gebäude profaniert und dient seitdem Wohnzwecken.

 

 

In der Ortschaft Drosau (tsch. Strážov, derzeit ca. 1.300 Einw.) – etwa zwölf Kilometer südwestlich von Klattau/Klatovy gelegen befindet sich östlich der Wohnbebauung ein jüdischer Friedhof; auf dem Gelände sind derzeit noch ca. 250 Grabsteine vorhanden.

ŽH Strážov 13.jpgŽH Strážov 23.jpg

Jüdischer Friedhof (beide Aufn. J. Erbenová, 2012, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

Erste jüdische Ansiedlung in Drosau soll bis ins beginnende 15.Jahrhundert zurückreichen. Im Folgejahrhundert sollen hier 16 Familien gelebt haben, die ihren Lebensunterhalt vor allem im Handel mit Landesprodukten verdienten.

Eine bereits 1680 erwähnte Synagoge wurde 1808 durch einen steinernen Bau ersetzt, in dem auch das Schulzimmer sich befand.

Zu Beginn des 19.Jahrhunderts lebten im Ort 16 jüdische Familien; ihre maximale Größe erreichte die Gemeinde mit knapp 300 Personen (ca. 20% der Bev.) in den 1860er Jahren. Doch bereits drei Jahrzehnte später war die Zahl der Gemeindeangehörigen in Folge Abwanderung in größere Städte stark zurückgegangen. Nach der Jahrhundertwende löste sich die Gemeinde schließlich auf.

 

 

 

Im Dörfchen Podmok (tsch. Podmokly Sušice, derzeit kaum mehr als 150 Einw.) – ca. 30 Kilometer südöstlich von Klattau – hat es bis ins ausgehende 19.Jahrhundert eine kleine jüdische Gemeinschaft gegeben. Das Synagogengebäude, dessen Alter unbekannt ist, wurde nach dessen Aufgabe zu einem Wohnhaus umgebaut.

Ehem. Bethaus (Aufn. Jitka Erbenová, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Auf dem ca. 1.400 m² großen Friedhofsgelände sind heute noch ca. 30 Grabsteine erhalten, die teilweise schon in den Erdboden versunken sind; der älteste datiert von 1732; auch Relikte des Taharahauses sind ebenfalls noch vorhanden.

ŽH Podmokly 18.jpg Grabsteine (Aufn. J. Erbenová, 2012, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

In der Ortschaft Rabi, auch Raby im Landkreis Klattau (tsch. Rábí, derzeit ca. 500 Einw.), deren Historie eng mit der dort anzutreffenden Burg verknüpft ist – muss es bereits im 18.Jahrhundert (oder noch früher ?) eine jüdische Gemeinschaft gegeben haben. Ein aus den 1840er Jahren stammendes, noch heute vorhandenes Gebäude beherbergte die Synagoge. Das dann bald zu Wohnzwecken genutzte Haus ist seit den 1990er Jahren als ein geschütztes Kulturdenkmal eingestuft.

Ehem. Synagogengebäude (Aufn. J. Erbenová, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Der jüdische Friedhof mit seinen alten Grabsteinen, die schon teilweise im Boden versunken sind, erinnert an die jüdische Ortsgeschichte.

ŽH Rabí 13.jpg

Jüdischer Friedhof unterhalb der Burg (Aufn. J. Erbenovà, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

Weitere Informationen:

Gabriel Perlitz, Rede zur Einweihung der Synagoge in Klattau: gehalten am 2. Oktober 1876 , Selbstverlag 1877

Rudolf Krizek (Bearb.), Geschichte der Juden in Drosau, in: Hugo Gold (Hrg.), Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart, Jüdischer Buch- und Kunstverlag, Brünn/Prag 1934, S. 115 – 118

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 2), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 632/633

The Jewish Community of Klatovy (Klattau), Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/klatovy

Jewish Families from Klatovy, Bohemia, Czech Republic, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-Families-from-Klatovy-Bohemia-Czech-Republic/people/15458

Jewish Families from Chlistov (Klistau), Bohemia, Czech Republic, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-families-from-Chlistov-Klistau-Bohemia-Czech-Republic/25810

Jewish Families from Strážov (Drosau), Bohemia, Czech Republic, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-Families-from-Str%25C3%25A1%25C5%25BEov-Drosau-Bohemia-Czech-Republic/15143