Hohenems/Vorarlberg (Österreich)

 Karte von HohenemsDatei:Karte A Vlbg DO.svg Datei:Karte Gemeinde Hohenems.png Hohenems ist eine Stadt mit derzeit ca. 16.500 Einwohnern im Bezirk Dornbirn des österreichischen Bundeslandes Vorarlberg - im äußersten Westen Österreichs gelegen (Kartenskizzen Lage von Hohenems innerhalb Österreichs, aus: plz-suche.org  und  'Vorarlberg mit Bezirk Dornbirn - dunkel markiert, A. 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0  und  'Stadtgemeinde Hohenems', 2021, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

In Hohenems existierte etwa 300 Jahre lang eine bedeutende jüdische Landgemeinde, die in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts ihren demographischen Zenit erreichte.

Hohenems mit Schloss und Gartenanlage im Jahre 1613 (Abb. aus: wkipedia.org, gemeinfrei)

Die ersten jüdischen Familien siedelten sich 1617 in der Reichsgrafschaft Grafen Caspar von Hohenems (1573-1640) an, dauerhaft aber erst ab 1632; wirtschaftliche Gründe hatten den Landesherrn dazu bewogen, jüdischen Familien Schutzbriefe auszustellen. Der Graf gewährte den zunächst 14, meist aus der Markgrafschaft Burgau vertriebenen jüdischen Familien und ihren Bediensteten Glaubensfreiheit, den freien Handel, den Besitz von Grundstücken u.a. - alles zur damaligen Zeit eher seltene Zusagen. Während des Dreißigjährigen Krieges wurden in Hohenems weitere jüdische Familien aufgenommen; es bildete sich nun eine kleine Gemeinde heraus. 1640 ist namentlich der erste Rabbiner, Herz Abraham, belegt.

Im Haus des Kaufmanns und Vorstehers der Gemeinde, Jonathan Uffenheimer (er war 1725 von Innsbruck zugezogen) war bis zum Bau der Synagoge (1772) ein Betraum untergebracht.

Der jüdische Friedhof am steilen Abhang des sog. „Schwefelbergs“ (am südlichen Ortsrand) war um 1615/1620 angelegt worden; ursprünglich nur aus einem kleinen Feld bestehend wurde das Begräbnisgelände im Laufe der Zeiten mehrmals erweitert.

Unter den nachfolgenden gräflichen Regenten verschlechterten sich aber die Lebensbedingungen der ansässigen Juden: die Geltungsdauer der Schutzbriefe wurde verkürzt und höhere finanzielle Abgaben eingefordert. 1663 wurden die ca. zehn jüdischen Familien aus Hohenems vertrieben; sie ließen sich vorübergehend bei Altenstadt in der österreichischen Herrschaft Feldkirch nieder. Wenige Jahre später durften sie nach Hohenems zurückkehren.

Für den Großteil der Juden in Hohenems war der Hausierhandel alleinige Existenzgrundlage; so zogen sie bis gegen Ende des 18.Jahrhunderts durch die Lande und waren wochenlang unterwegs. Trotz Anfeindungen der christlichen Hohenemser und weiterer zwischenzeitlicher Vertreibungen (1676) entwickelte sich in der Folgezeit (nach 1690) allmählich eine bedeutende Gemeinde, die besonders durch die Aufnahme der 1748 aus Sulz vertriebenen, zumeist wohlhabenden jüdischen Familien anwuchs.

[vgl. Sulz (Vorarlberg/Österreich)]

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts war die Hohenemser jüdische Gemeinde ständig bedroht; eine neu erlassene, strengere Judenordnung schränkte ihre Entfaltungsmöglichkeiten deutlich ein, zudem war Hohenems ca. 1760 nach dem Tod des letzten Emser Reichsgrafen an Österreich gefallen. Aber auch innerhalb der Hohenemser Judenschaft kam es zu Konflikten. Die jüdischen Bewohner lebten im 17. und 18. Jahrhunderte in einem eigenen Viertel, nach einem Großbrand 1777 wurde es wieder aufgebaut. Anfang der 1770er Jahre wurde eine Synagoge errichtet. Eine Besonderheit stellte der später errichtete turmartige Aufsatz dar, der mit einer Uhr und einem Läutewerk ausgestattet war. Die Synagoge und der Synagogenvorplatz bildeten das Zentrum des jüdischen Hohenems. Bereits in den ersten Schutzbriefen war die Erlaubnis zur Einrichtung einer Schule für die jüdischen Kinder erteilt worden; diese führte dazu, dass - im Gegensatz zur christlichen Bevölkerung - Hohenemser Juden bereits im 17.Jahrhundert lesen und schreiben konnten. Zu Beginn des 19.Jahrhunderts besuchten nur noch Kinder aus sozial-schwächerem Milieu die „Allgemeine Schule“, während wohlhabendere Eltern Privatschulen bevorzugten.

Aus ersterer entwickelte sich um 1825 eine anerkannte Elementarschule, die 1851 zu einer „Höheren Bürgerschule“ für Jungen und Mädchen aufgewertet wurde und mit dem Aufschwung der Gemeinde um 1850/1870 ihre Blüte erreichte. Neben den klassischen Fächern Deutsch und Rechnen wurden hier auch Französisch und Italienisch, Buchhaltung und Wirtschaft, Geschichte, Geographie und natürlich Hebräisch und Religion unterrichtet. Der aus Böhmen stammende Moritz Federmann, Oberlehrer und späterer Schulleiter, war hier mehr als 50 Jahre tätig und begründete den guten Ruf dieser Bildungseinrichtung. Auf Grund seines Engagements verlieh ihm der Kaiser 1904 das Verdienstkreuz mit der Krone. In den Jahren 1861 bis 1896 war es der jüdischen Schule sogar erlaubt worden, auch nicht-jüdische Kinder aufzunehmen. 

Kurznotiz aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21.Sept.1896 http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20163/Hohenems%20Israelit%2021091896.jpg

Trotz Unterstützung durch finanzkräftigere Gemeindemitglieder konnte der Niedergang der Schule wegen der zunehmenden Abwanderung jüdischer Familien nicht aufgehalten werden; kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges wurde die jüdische Schule in Hohenems geschlossen.

  

Synagoge Hohenems (links: hist. Aufn., Museum Hohenems   und   rechts: Aquarell von C.H.Wünsch, 1931)

  Innenansicht der Synagoge Hohenems (hist. Aufn., aus Sammlung Th. Harburger)

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20163/Hohenems%20AZJ%2031071883.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20163/Hohenems%20AZJ%2002061887.jpg

Anzeigen in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 31.Juli 1883 und vom 2.Juni 1887

Der jüdische Friedhof in Hohenems war bereits um 1625 an einem Abhang des „Schwefelberges“ angelegt worden; diese Begräbnisstätte nutzten auch die Sulzer Juden. In den Folgejahrhunderten wurde das Areal mehrfach erweitert.

In der Mitte des 19.Jahrhunderts erlebte die Hohenemser Judenschaft einen starken wirtschaftlichen Aufschwung. Neben wohlhabenden Kaufleuten und Fabrikanten (im Textilsektor) lebten aber hier noch bis um 1860 arme Hausierer und kleine Handwerker. Die 1815 in der Nähe von Hohenems von Isaak und Ephraim Löwengard gegründete Baumwollspinnerei – Anfang der 1840er Jahren von der Fa. Rosenthal übernommen – zählte zu den bedeutendsten Textilproduzenten der Region.

Von 1849 bis 1878 bildeten die Juden in Hohenems eine eigene politische Gemeinde. Zur Auflösung der politischen jüdischen Gemeinde ist in einem Artikel der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 19. Febr.1878 zu lesen: "St. Gallen, im Februar. (Privatmitth.) Unsere österreichische, einst sehr zahlreiche, gegenwärtig aber auf 20 - 30 Familien zusammengeschmolzene Nachbargemeinde Hohenems, die bekanntlich bis jetzt eine selbstständige politische Gemeinde mit ihrem eigenen Bürgermeister an der Spitze bildete, hat es endlich nach jahrelangem Processiren mit der Orts- und Bezirksbehörde dahin gebracht, daß sie dieses ihres politischen Charakters entkleidet und ihre Mitglieder in den Ortsbürgerverband aufgenommen werden. Wer einst Zeuge war der Blüthe dieser ansehnlichen wohlhabenden Gemeinde unter der Leitung des wackeren strebsamen, leider (in Lemberg) zu früh vollendeten Rabbiners Abraham Kohen und des allbeliebten und hoch geachteten, von der Kaiserlichen Gnade mit mehreren Orden dekorirten, erst vor 1 ½ Jahren verschiedenen Bürgermeisters Samuel Menz, der hat sich wohl nicht träumen lassen, daß sie einem so jähen Verfall entgegen gehe. – Sic transit gloria mundi! E.

Juden in Hohenems:

         --- um 1625 .......................  14 jüdische Familien,

    --- um 1640 ................... ca. 100 - 120 Juden,

    --- 1696 ...................... ca.  60 Juden,

    --- 1773 .......................... 227   “  ,

    --- 1810 .......................... 470   “  ,

    --- 1830 .......................... 528   “  ,

    --- 1849 .......................... 521   “  ,

    --- 1862 .......................... 564   “  , 

    --- 1869 .......................... 221   “  ,

    --- 1890 .......................... 118   “  ,  

    --- 1900 ..........................  91   “  ,*

    --- 1910 ..........................  66   “  ,*

    --- 1931 ..........................  22   “  ,*

    --- 1935 ..........................  16   “  ,*      * nur Gemeindemitglieder

    --- 1937 ..........................  38   “  ,

    --- 1938 ..........................  27   “  .

Angaben aus: “ ... eine ganz kleine Gemeinde, die nur von den Erinnerungen lebt !” - Juden in Hohenems. Katalog des Jüdischen Museums Hohenems, 1996

 

In den Wirren der Napoleonischen Kriege geriet Hohenems kurzzeitig unter bayrische Herrschaft, wobei der jüdische Bevölkerungsteil von der liberaleren Gesetzgebung profitierte; doch gleichzeitig begrenzte die bayrische Regierung die Zahl der jüdischen Familien auf insgesamt 90. Als Vorarlberg 1814 wieder unter österreichische Herrschaft kam, fand in der Hohenemser Synagoge ein Festgottesdienst statt; ein Jahr später huldigte die hiesige Judenschaft dem Kaiser Franz.

Auch die Hohenemser Juden waren oft antisemitischen Vorurteilen ausgesetzt, die bis zur offenen Ablehnung reichten. Aus einer Aussage des Vorarlberger Kreishauptmanns Franz Anton Dauabrava (um 1830): „ ... Der Christengemeinde in Hohenems ist zwar der dasige Wohnplatz der Hebräer, von denen ein großer Teil der Markteinwohner lebt, vorteilhaft. Im allgemeinen aber wäre es allerdings sehr wünschenswert, wenn die Judengemeinde zu jener Zeit, als sie aus ihrem damaligen Aufenthaltsorte vertrieben wurden, ihren neuen Aufenthalt nicht in Vorarlberg gesucht und gefunden hätte. Die Hebräer bringen, besonders durch ihren Schacherhandel, im allgemeinen vielen Nachteil und wenigstens die gemeinere Klasse derselben will sich zu ordentlicher Arbeit nicht verstehen. ...”

Seit den 1860er Jahren wanderten zahlreiche Hohenemser Juden als eine Folge der Freizügigkeit - auf Grund der besseren wirtschaftlicher Perspektiven - in größere Städte ab, besonders nach Wien ab. Damit einher gingen auch die religiösen Aufgaben innerhalb der Restgemeinde verloren. Zu Jahresbeginn 1914 wurde dann auch der Rabbinatssitz nach Innsbruck verlegt.

Zur Zeit des sog. „Anschlusses“ an das Deutsche Reich (Frühjahr 1938) lebten in Hohenems nur noch knapp 20 Juden.

Während der „Reichskristallnacht“ kam es in Hohenems zu keinerlei Ausschreitungen; die Synagoge und der jüdische Friedhof überstanden die NS-Zeit unbeschadet. 1938 wurde das Vermögen der Kultusgemeinde Hohenems beschlagnahmt, zwei Jahre später wurde diese zwangsaufgelöst; das Gemeindeeigentum ging in den Besitz der Kommune über. Während einigen die Emigration gelang, wurden die verbliebenen Juden – via Wien - deportiert und ermordet.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind sieben jüdische Bürger aus Hohenems der „Endlösung" zum Opfer gefallen (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/hohenems_synagoge.htm).

 

Nach 1945 lebten für wenige Jahre Juden in Hohenems; es waren Überlebende der Konzentrations- und Vernichtungslager (DPs), die zunächst in Bregenz untergebracht, kurz danach zumeist nach Hohenems verlegt worden waren. Spätestens bis 1954 hatten die DPs den Ort wieder verlassen und waren emigriert.

Die Kommune Hohenems erwarb 1953 das Synagogengebäude und das Rabbinatshaus; während letzteres abgebrochen wurde, diente erstgenanntes bis 2001 als Feuerwehrgerätehaus.

Das ehemalige jüdische Viertel war in den Nachkriegsjahrzehnten zusehends dem Verfall preisgegeben. Zusammen mit der ehemaligen Christengasse (heute Marktstraße) bildete es den städtischen Kern von Hohenems. Im Jahre 1996 erfolgte die Unterschutzstellung der wesentlichsten Teile des historischen Viertels durch das Bundesdenkmalamt. Seit 2001 haben Kommune und private Investoren - in Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt - jedes der 30 ehemaligen jüdischen Häuser von Grund auf erneuert. 2003 begann die Restaurierung und Teilrekonstruktion des einstigen Synagogengebäudes; drei Jahre später wurde das Haus offiziell eingeweiht als Stätte der kulturellen Begegnung und des Dialogs.

 Saniertes Synagogengebäude (Aufn. F. Böhringer, 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 2.5)

Heute ist das historische Stadtzentrum von Bürgerhäusern der einstigen jüdischen Oberschicht - von Villen der Fabrikanten - und Häusern der Handwerker und Kleinhändler geprägt. Erhalten sind auch noch andere bauliche Einrichtungen der ehemaligen jüdischen Gemeinde: die Schule, die Mikwe und der Friedhof. Das ehemalige jüdische Armenhaus, das 1872 mittels einer Stiftung der Eheleute Rosenthal geschaffen werden konnte, ist 2012/2013 generalsaniert worden.

Im jüdischen Viertel von Hohenems befindet sich die älteste erhaltene Mikwe Österreichs; dabei handelt es sich um ein Ritualbad, das nach seiner Restaurierung 2010 als neue Dependance des Jüdischen Museums Hohenems eröffnet wurde.

2014 wurde in Hohenems mit der Verlegung von neun sog. "Stolpersteinen" begonnen.

File:Stolperstein Hohenems Hans Elkan.jpgFile:Stolperstein Hohenems Helene Elkan.jpgFile:Stolperstein Hohenems Louis Weil.jpgFile:Stolperstein Hohenems Frieda Nagelberg.jpgStolperstein Hohenems Gisela Figdor.jpg

Fünf Stolpersteine (alle Aufn. Kretzer, 2014, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

Eingangstor zum Friedhof (Aufn. J. Hahn, um 1995)   und   ältere Grabsteine (Aufn. F. Böhringer, 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 2.5)

  Auffällige Grabmale (Aufn. J. Hahn)

Ein Gedenkstein auf dem jüdischen Friedhof in Hohenems erinnert an die jüdischen NS-Opfer Vorarlbergs:

Zum Gedenken an die jüdischen Mitbürger Vorarlbergs, die in den Jahren 1938 - 1945 Opfer des Nationalsozialismus wurden.

Möge ihre Seele eingebunden sein im Bund des ewigen Lebens

Gestiftet vom Verein zur Erhaltung des jüdischen Friedhofs in Hohenems, 1992

Auf dem Friedhofsgelände, das bis in die Gegenwart genutzt wird, findet man heute noch ca. 320 Grabsteine, die ältesten stammen aus der Zeit des 18.Jahrhunderts. In den letzten Jahren wurde die Restaurierung des Friedhofs abgeschlossen; erstmals kamen damit Gelder aus dem Nationalfonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich zum Einsatz.

In den 1960er Jahren wurden in Hohenemser Neubaugebieten Straßen nach ehemals hier lebenden Juden benannt.

Das 1991 eröffnete Jüdische Museum Hohenems, das in der 1864 erbauten Heimann-Rosenthal-Villa untergebracht ist, dokumentiert u.a. die Geschichte der Hohenemser Juden, ihr religiöses Leben und ihren Alltag. Träger des Museums war bis Herbst 2002 der 1886 gegründete „Verein Jüdisches Museum Hohenems”; nun tragen die Stadt, das Land Vorarlberg und der Bund die Verantwortung für das Museum. Nach einer umfangreichen Restaurierung ist das Haus mit einer neukonzipierten Dauerausstellung wieder der Öffentlichkeit zugänglich.

Forschungsinfrastruktur-Datenbank :: Forschungsinfrastruktur JüdischesMuseumHohenems.JPGAufn. F. Böhringer, 2007, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 2.5

Im Jahre 2022 erhielt das Jüdische Museum Hohenems den Österreichischen Museumspreis.

Im Jahr 1996 wurde das Becken des Ritualbades wieder freigelegt, das Gebäude 2009 restauriert. Als Dependance des Jüdischen Museums Hohenems steht die Mikwe nun für Besichtigungen zur Verfügung.

 

  Salomon Sulzer (Loewy) wurde 1804 als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Hohenems geboren. Im Alter von 16 (!) Jahren übernahm er die Kantorenstelle in Hohenems; neben seinen Amtspflichten gründete er einen Chor und ein kleines Orchester. 1826 wurde Sulzer an den im Jahr zuvor neu errichteten Wiener Stadttempel als Kantor berufen, wo er gemeinsam mit dem Prediger Isaak Noah Mannheimer (1793-1865) den sog. „Wiener Ritus“ begründete - eine gemäßigte Art der Reform, die sowohl von Erneuerern als auch von Traditionalisten angenommen wurde. Salomon Sulzers Gesänge für den jüdischen Gottesdienst „Schir Zion“ (herausgegeben 1840/65) - die früheste Sammlung, die den liturgischen Jahreskreis detailliert musikalisch beschreibt -, prägt den synagogalen Gesang bis heute. 1890 verstarb Salomon Sulzer in Wien.  Der Saal der ehemaligen Synagoge in Hohenems trägt zu seinem Angedenken heute dessen Namen.

 

  Anfang des 20.Jahrhunderts legte der Hohenemser Rabbiner Aron Tänzer mit seiner „Geschichte der Juden in Hohenems“ das Fundament für die Erforschung der jüdischen Geschichte des Landstädtchens. Aron Tänzer wurde 1871 in Pressburg als Sohn eines Rabbiners geboren. Nach fünfjährigem Besuch einer Rabbinatshochschule absolvierte er ein Studium in Philosophie, Germanistik und semitischer Philologie in Berlin und Bern; nach seiner Promotion an der Universität Bern (1895) übte er in zahlreichen Städten - u.a. in Hohenems, Meran, Göppingen - das Amt eines Rabbiners aus. Während des Ersten Weltkrieges amtierte er als Feldrabbiner.  Nach dem Krieg widmete er sich der Volksbildung; auf seine Initiative ging die Einrichtung der Städtischen Bibliothek Göppingens zurück. Dr. Aron Tänzer starb 1937 in Göppingen. 

Seit 2021 trägt der Platz vor dem Museum offiziell den Namen „Aron-Tänzer-Platz“.

 

 

 

Die jüdische Gemeinde Am Eschnerberg stellt nur ein kurzes Kapitel in der jüdischen Geschichte des 17.Jahrhunderts in der Region südlich von Hohenems dar. Die nur zwei Jahrzehnte bestehende Gemeinde war in der Nähe der Dörfer Eschen und Mauren (im nördlichen Teil des Fürstentums Liechtenstein) ansässig; insgesamt sollen es knapp 100 Menschen gewesen sein, die aus Feldkirch vertrieben worden waren. Ihren Lebenserwerb bestritten sie zumeist im Vieh- und Pferdehandel; ihr Handelsgebiet ging weit über die unmittelbare Region hinaus. 1650 soll sich die Gemeinde bereits wieder aufgelöst haben; wohin sich ihre Angehörigen begeben haben, ist nicht bekannt.

 

 

Seit 2022 wird das Projekt des Jüdischen Museums Hohenems "Über die Grenze" realisiert, das entlang einer Fahrradroute (vom Bodensee beginnend zwischen Vorarlberg und der Schweiz) auf besondere Weise über Flüchtlingsschicksale in der NS-Zeit informiert. An ausgewählten Standorten wird dabei an symbolischen Grenzsteinen per QR-Code auf Verfolgte des NS-Regimes aufmerksam gemacht. Dieser ‚mobile Hörweg‘ ist durch Mitarbeit zahlreicher Kommunen der Region umgesetzt worden.

 

 

 

Im Kleinstaat Liechtenstein – unweit von Hohenems gelegen - hat sich 2020 der Verein „Jüdische Gemeinschaft in Liechtenstein“ gegründet.

Auf dem Gebiet des heutigen Liechtenstein hatten sich im Laufe der Jahrhunderte nur einzelne jüdische Familien niedergelassen - und das auch nur zeitlich begrenzt. (vgl. Kurzhistorie ‚Juden in Liechtenstein‘, in: wikipedia.org/wiki/Judentum_in_Liechtenstein)

Erst seit Ende der 1920er Jahre lassen sich wieder Juden auf dem Gebiet des Fürstentums nachweisen. Bei einer Ende 1938 durchgeführten Zählung von Ausländern wurden 118 Personen mit jüdischem Glauben erfasst; mehrheitlich waren sie erst kurze Zeit im Land. Auf Beschluss der Landesregierung wurden damals alle Einreisegesuche von Juden abgewiesen mit der Begründung „Ruhe und Ordnung zu gewährleisten." 

Im Fürstentum leben heute nur sehr wenige jüdische Familien; eine Gemeinde gibt es hier nicht.

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Weitere Informationen:

Aron Tänzer, Der israelitische Friedhof in Hohenems, Selbstverlag, Hohenems 1901  * Anm.: Aron Tänzer war von 1896 bis 1905 Rabbiner in Hohenems

Lothar Rothschild, Geschichte der Juden in Hohenems, in: Hugo Gold (Hrg.), Geschichte der Juden in Österreich - ein Gedenkbuch, Tel Aviv 1971, S. 27 - 32

Aron Tänzer, Die Geschichte der Juden in Hohenems und im übrigen Vorarlberg, Meran 1905 (unveränderter Nachdruck, Bregenz 1971/1982)

Karl Heinz Burmeister, Die Entwicklung der Hohenemser Judengemeinde, in: Hohenems. Geschichte (Gesamtdarstellung Band 1), Hrg. Marktgemeinde Hohenems, Hohenems 1975, S. 171 ff.

K.Lohrmann/W.Wadl/M.Wenninger, Überblick über die jüdischen Siedlungen in Österreich, in: Klaus Lohrmann (Hrg.), 1000 Jahre österreichisches Judentum, Wien 1982, S. 69 ff.

Maria Luise Stainer, “Wir werden den Juden schon eintunken !” - Ein Beitrag zur Geschichte der Juden in Innsbruck, Vorarlbergs und des übrigenTirol, in: “sturzflüge” - eine Kulturzeitschrift, No. 15/16(1986), S. 17 - 32

Harald Walser, Zwischen Duldung und Verfolgung - Zur Geschichte der Juden in Vorarlberg, in: “'sturzflüge' - eine Kulturzeitschrift", No. 15/16 (1986), S. 33 - 39

Ingrid E. Kopf, Die Geschichte der Juden in Vorarlberg, in: ‘Das kleine Blatt’ (verschiedene Ausgaben aus dem Jahre 1987)

K.H.Burmeister/A.Niederstätter (Bearb.), Dokumente zur Geschichte der Juden in Vorarlberg vom 17. bis 19.Jahrhundert, in: "Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs", Heft 9, Dornbirn 1988

Werner Dreier (Hrg.), Antisemitismus in Vorarlberg. Regionalstudie zur Geschichte einer Weltanschauung, in: "Studien zur Geschichte und Gesellschaft Vorarlbergs", Band 4/1988 (diverse Aufsätze)

Norbert Peter, Hohenems. Bilder einer jungen Stadt, Hohenems 1988

Karl Heinz Burmeister, Der jüdische Pferdehandel in Hohenems und Sulz im 17. u. 18.Jahrhundert, in: "Veröffentlichungen der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg 3", Wiesbaden 1989

Thomas Welte, Die Hohenemser Judengemeinde im 20.Jahrhundert. (1896 - 1954), Diplomarbeit, Innsbruck 1990

Karl Burmeister, Hohenems zur Jugendzeit Salomon Sulzers, in: Salomon Sulzer - Kantor, Komponist, Reformer, Katalog für die Sonderausstellung im jüdischen Museum in Hohenems, Bregenz 1991

Vorarlberger Landesarchiv (Hrg.), Landjudentum im Süddeutschen- und Bodenseeraum, in: "Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs", Heft 11, Dornbirn 1992

Pierre Genée, Synagogen in Österreich, Löcker Verlag, Wien 1992, S. 112 - 114

E.Grabherr/A.Gisinger (Hrg.), Beit haChaim. Haus des Lebens - Der jüdische Friedhof in Hohenems. Katalog zur Ausstellung 1992, Hohenems 1992

Karl Heinz Burmeister, Geschichte der Juden in Stadt und Herrschaft Feldkirch, in: "Schriftenreihe der Rheticus-Gesellschaft", 31/1993, Feldkirch 1993, S. 67 – 69 und S. 115 ff.

Erik Weltsch, Wer waren die jüdischen Displaced Persons (DPs) in Vorarlberg in den Jahren 1945 bis 1952 ?, in: "Jahrbuch des Vereins Jüdisches Museum Hohenems 1992", Hohenems 1993

Geschichte von Gegenständen”. Judaika aus dem Beziehungsraum der Hohenemser Juden (The Gross Family Collection - Tel Aviv), Hohenems 1994

Eva Grabherr (Bearb.), “ eine ganz kleine Gemeinde, die nur von den Erinnerungen lebt !” - Juden in Hohenems, Katalog des Jüdischen Museums Hohenems, 1996

Eine Viertel Stadt. Zur Frage des Umgangs mit dem ehemaligen jüdischen Viertel in Hohenems, in: "Schriften des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck und des Jüdischen Museums", Innsbruck 1997

Theodor Harburger, Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, Band 2: Adelsdorf - Leutershausen, Hrg. Jüdisches Museum Franken - Fürth & Schnaiitach, Fürth 1998, S. 298 - 300

Esther Haber (Hrg.), Displaced Persons - Jüdische Flüchtlinge nach 1945 in Hohenems und Bregenz, Jüdisches Museum Hohenems, Hohenems 1998

Thomas Albrich (Hrg.), “Wir lebten wie sie ...” - Jüdische Lebensgeschichten aus Tirol und Vorarlberg, Haymon-Verlag, Innsbruck 1999

Anton Legerer jun., Hohenems: Jüdische Geisterstadt unter Denkmalschutz, in: haGalil.com vom 24.5.1999

Esther Graf, Die Bedeutung des jüdischen Museums Hohenems für die Geschichte der Juden in Schwaben, in: Peter Fassl (Hrg.), Geschichte und Kultur der Juden in Schwaben II, Irseer Schriften, Band 5, Verlag Thorbecke Stuttgart 2000, S. 309 ff.

Evelyn Grimm, Die Geschichte der Juden in Hohenems, in: http://www.brg-schoren.ac.at/nationalsozialismus/hohenems

Esther Graf, Die jüdischen Gemeinden Hohenems und Sulz und der Minhag Schwaben, in: M. Bosch (Hrg.), Alemannisches Judentum - Spuren einer verlorenen Kultur, Edition Isele, Eggingen 2001, S. 12 - 17

Werner Dreier, Geduldet - gemieden - vertrieben: Juden in Vorarlberg, in: M. Bosch (Hrg.), Alemannisches Judentum - Spuren einer verlorenen Kultur, Ed. Isele, Eggingen 2001, S. 34 - 39

Bernhard Purin, “Ich habe nie aufgehört, ein Vorarlberger zu sein” - Hohenemser Juden in der Fremde, in: M. Bosch (Hrg.), Alemannisches Judentum - Spuren einer verlorenen Kultur, Ed. Isele, Eggingen 2001, S. 40 - 49

Bernhard Purin, Wilhelm Frey (1833 - 1909) - ein jüdischer Schriftgelehrter aus Hohenems, in: M. Bosch (Hrg.), Alemannisches Judentum - Spuren einer verlorenen Kultur, Ed. Isele, Eggingen 2001, S. 336 - 340

Eva Grabherr, Das Gestalten der Erinnerung: Das Beispiel Hohenems, in: M. Bosch (Hrg.), Alemannisches Judentum - Spuren einer verlorenen Kultur, Ed. Isele, Eggingen 2001, S. 497 - 503

Hohenems, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen Bild- u. Textdokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Johannes Inama/Hanno Loewy, “ ... wohl eine Illusion ?”- Geschichte und Gegenwart der Hohenemser Synagoge, Hrg. Jüdisches Museum Hohenems, 2004

Hanno Loewy, Synagoge in Hohenems - eine wechselvolle Geschichte, in: "DAVID - Jüdische Kulturzeitschrift", Heft 69/Juni 2006

Hanno Loewy (Hrg.), Heimat Diaspora. Das jüdische Museum Hohenems (Museumskatalog), Hohenems 2008 (auch als englische Ausgabe)

GANZ REIN! Jüdische Ritualbäder – Fotografien von Peter Seidel, Das Mikwen Projekt – Fotografien von Janice Rubin und Texte von Leah Lax, Sonderausstellung März - Oktober 2010

Jüdisches Museum Hohenems/Franken in Fürth/Frankfurt (Hrg.), Ganz rein! Jüdische Ritualbäder, Wien 2010

Gerhard Salinger, Jüdische Gemeinden im alpinen Grenzgebiet, in: "DAVID - Jüdische Kulturzeitschrift", Heft 86/Sept. 2010

Th. Albrich/K. Brandstätter/H. Noflatscher/ M. Achrainer/S. Albrich-Flach, Jüdisches Leben im historischen Tirol. Von den Anfängen bis zu den Kultusgemeinden in Hohenems, Innsbruck und Meran (3 Bände), Verlag Haymon, Innsbruck 2012

E.Brugger/M.Keil/A.Lichtblau/Chr.Lind/B.Staudinger, Geschichte der Juden in Österreich, Verlag Carl Ueberreuter, Wien 2013, S. 245 f., 305 f., 361 ff. und S. 438 f.

Julia Ess, Mikwe Hohenems. Ein jüdisches Ritualbad des frühen 19. Jahrhunderts, Diplomarbeit, Technische Universität Wien 2014

Matthias Rauch (Red.), Stolpersteine in Hohenems: Clara Heimann, Alois Weil und Sophie Steingraber-Hauser, in: Vorarlberg online vom 5.7.2014

Auflistung der in Hohenems verlegten Stolpersteine (mit Abb.), online abrufbar unter: commons.wikimedia.org/wiki/Category:Stolpersteine_in_Hohenems

Julia Ess, Die Mikwe von Hohenems – Architekturhistorische Betrachtung, in: "DAVID – Jüdische Kulturzeitschrift", Heft 103/Dez. 2014

Hanno Loewy (Red.), 'Lummerland' oder 'Bilbao'? Ein jüdisches Museum in der globalisierten Peripherie - Hohenems und 'sein' jüdisches Viertel", in: Wiederhergestellte Synagogen. Raum - Geschichte - Wandel durch Erinnerung, Hrg. Benigna Schönhagen im Auftrag der Stiftung Jüdisches Kulturmuseum Augsburg-Schwaben, S. 79 - 91

Johannes Inama, Der jüdische Friedhof in Hohenems – 400 Jahre Geschichte, in: "DAVID – Jüdische Kulturzeitschrift", Heft 108/April 2016

Ada und Reinhard Rinderer, Jüdischer Friedhof Hohenems. Instandsetzungsarbeiten – Projekte 2012 bis 2017, in: "DAVID – Jüdische Kulturzeitschrift", Heft 108/April 2016

Andrea Pezold (Red.), Ein Ort der Begegnung im Jüdischen Viertel, in: vorarlberg.online vom 1.11.2016

N.N. (Red.), Lange Zeit ein Hort der Bildung, in: „Vorarlberger Nachrichten“ vom 6.6.2017

Christa Dietrich (Red.), Dokument, das die Region prägte – Vor 400 Jahren wurde der Schutzbrief des Grafen Kaspar von Ems wirksam, in: „Vorarlberger Nachrichten“ vom 3.7.2017

Verena Konrad (Red.), Zu Gast im jüdischen Viertel, online abrufbar unter: lebenundwohnen.vol.at (Jan. 2020)

N.N. (Red.), Aron-Tänzer-Platz wird nun offiziell, in: „Vorarlberger Nachrichten“ vom 26.2.2021

Jüdisches Museum Hohenems, Über die Grenze – Fluchtgschichten, online abrufbar unter: ueber-die-grenze.at

Sabine Bade (Red.), Ausflüge gegen das Vergessen: Das hundert Kilometer lange Freiluft-Denkmal „Über die Grenze“ in Vorarlberg, in: „seemoz“ vom 19.7..2022

N.N. (Red.), Jüdisches Museum Hohenems erhält Österreichischen Museumspreis 2022, in: „Der Standard“ vom 1.9.2022

Simone Quaderer (Red.), Religionsgemeinschaften in Liechtenstein - „Ein jüdischer Begegnungsort fehlt“, in: “Liechtensteiner Vaterland“ vom 11.10.2022

Mirjam Kaiser (Red.), Wie der „Oberrabbiner“ in Liechtenstein den Holocaust überlebte, in: „Liechtensteiner Vaterland“ vom 5.3.2024