Hechtsheim (Rheinland-Pfalz)

Lage von Hechtsheim in Mainz Das linksrheinische Hechtsheim ist seit seiner Eingemeindung (1969) ein Stadtteil von Mainz (Stadtteilkarte von Mainz mit Hechtsheim rot markiert, TUBS 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 2.0).

 

Der Beginn jüdischer Ansässigkeit in Hechtsheim liegt im Dunkeln; eine kleine jüdische Gemeinde bildete sich erst gegen Mitte des 19.Jahrhunderts.

Um 1840/1850 muss eine Synagoge eingerichtet worden sein. Zur Erledigung religiöser Aufgaben hatte die kleine Gemeinde einen Lehrer angestellt; die Besetzung der Stelle war einem starken Wechsel unterworfen.

  http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20116/Hechtsheim%20Israelit%2019091907.jpg

Stellenanzeigen aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 12.8.1863, 14.8.1872 und 19.9.1907

Den Hechtsheimer Juden stand seit den 1880er Jahren auch ein eigenes kleines Beerdigungsareal an der Heuerstraße zur Verfügung; zuvor wurden Verstorbene auf dem israelitischen Friedhof in Mainz begraben.

Die letzte Beerdigung auf dem Hechtsheimer Friedhof fand Ende 1938 statt.

Die israelitische Gemeinde Hechtsheim unterstand dem Rabbinatsbezirk Mainz.

Juden in Hechtsheim:

         --- um 1760 .......................   2 jüdische Familien,

    --- 1824 ..........................  24 Juden,

    --- 1855 ..........................  43   “  ,

    --- 1875 ..........................  86   “ (3,5% d. Bevölk.),

    --- 1900/05 .......................  97   “  ,

    --- 1910 ..........................  74   “ (ca. 2% d. Bevölk.),

    --- 1933 ...................... ca.  65   “  ,

    --- 1937 ...................... ca.  30   “  ,

    --- 1939 ..........................  ein  “ (),

    --- 1942 (Okt.) ...................  keine.

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 341

und                 Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff, Synagogen. Rheinland-Pfalz und Saarland, S. 258

 

Aus dem Jahre 1881 sind gewalttätige Ausschreitungen gegen Juden in Hechtsheim und Nachbarorten überliefert. In einem Artikel der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 23. Februar 1881 hieß es dazu: "Mainz, 20. Febr.  Die Judenhetze in verschiedenen unserer Nachbargemeinden scheint eher im Zu- als im Abnehmen begriffen zu sein. So wurden am Mittwoch Abend um 11 Uhr an dem Hause eines inHechtsheim wohnenden Israeliten die Fenster mit Pflastersteinen derart zertrümmert, daß sogar das Fensterkreuz in Stücke flog. Auch einem Christen wurden die Fenster eingeworfen, doch wohl nur aus dem Irrthum, denn bis vor Kurzem war die Wohnung des Christen von einem Israeliten bewohnt und war dieser Wohnungswechsel wahrscheinlich noch nicht zur Kenntniß der Fenstereinwerfer gelangt. ..."

Ein paar Monate später erschien die folgende Zeitungsmeldung:

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20116/Hechtsheim%20Israelit%2020071881.jpg aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20.Juli 1881

Über das Schicksal der jüdischen Bewohner nach 1933 war bis in die jüngste Vergangenheit kaum etwas bekannt; erst Recherchen des „Vereins Hechtsheimer Ortsgeschichte“ förderten Familiengeschichte jüdischer Hechtsheimer Bewohner zu Tage.

Der Synagogenraum soll während der Novembertrage 1938 geschändet worden sein; das aufgegebene Synagogengebäude wurde 1939 zu einem Wohnhaus umgebaut. Auch Privathäuser waren das Ziel gewaltbereiter SA-Angehöriger. Die in Angst und Schrecken versetzten jüdischen Bewohner verließen daraufhin alsbald ihr Heimatdorf

Hatten zu Beginn der 1930er Jahre noch ca. 70 jüdische Bewohner im Ort gelebt, so reduzierte sich diese Zahl auf ca. 30 Personen (1937); zu Kriegsbeginn wohnte hier dann nur noch eine einzige Person mosaischen Glaubens (David Kapp), alle anderen waren zumeist in größere Städte (Mainz, Darmstadt) abgewandert.

Von Darmstadt aus wurden einige vormals in Hechtsheim wohnhafte Juden Ende Sept. 1942 „in den Osten“ deportiert - darunter war auch die Familie Weiß.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20387/Hechtsheim%20KK%20MZ%20Weiss%20Julius.jpghttp://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20387/Hechtsheim%20KK%20MZ%20Weiss%20Elisabeth.jpg

(Quelle: Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland)

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind 25 gebürtige bzw. länger am Ort ansässig gewesene jüdische Bewohner der NS-Verfolgung zum Opfer gefallen (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/hechtsheim_synagoge.htm).

 

An der Friedhofsmauer erinnert seit 1988 eine Bronzetafel mit folgendem Text an die frühere jüdische Gemeinde:

Friedhof der Israelitischen Gemeinde Hechtsheim

angelegt im Jahre 1882,

Stätte des Gedenkens an die von den Nazis vernichtete jüdische Gemeinde.

Diese Gedenktafel wurde auf Antrag des Ortsbeirats Mainz-Hechtsheim geschaffen

zur Mahnung und zum Gedenken.

November 1938   -   November 1988

Auf dem Friedhofsareal befinden sich heute noch ca. 50 Grabstätten.

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/ff/J%C3%BCdischer_Friedhof_Hechtsheim_3.JPGJüdischer Friedhof Hechtsheim 1.JPG

Teilansicht des jüdischen Friedhofs und Gedenktafel (Aufn. N., 2015, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)

Die Synagogenstraße erinnert an den Standort des ehemaligen Bethauses der Hechtsheimer Juden.

Insgesamt neun sog. „Stolpersteine“ und eine „Stolperschwelle“ erinnern in den Straßen von Mainz-Hechtsheim an jüdische Opfer der NS-Gewaltherrschaft.

 Kollektion Stolpersteine - Am oberen Born 1.jpg Weiss Emma.jpgWeiss Clara.jpg

Mehrere "Stolpersteine" und die "Gedenkschwelle" (Aufn. Marcus Beer, 2014 und N., 2018, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)  

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 341

Anton Maria Keim, Von Süssel Hechtsheim bis David Kapp - die Hechtsheimer Juden, Hrg. Verein Hechtsheimer Ortsgeschichte, Mainz 1994

Anton Maria Keim, David Kapp, der letzte Hechthsheimer Jude im Dorf ..., in: "Mainzer Vierteljahrshefte für Kultur, Politik, Wirtschaft, Geschichte", Heft 4/1995, S. 104 f.

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff, Synagogen. Rheinland-Pfalz und Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz, Verlag Ph. von Zabern, Mainz 2005, S. 258

Hechtsheim (Stadt Mainz), in: alemannia-judaica.de

Dieter Krienke, Die Synagogen der Mainzer Vororte Bretzenheim, Ebersheim, Hechtsheim und Kastel, in: Stefan Grafhoff, Die Mainzer Synagogen, Mainz 2008 

Nadine Schwarz (Red.), Mainz. Stolpern mit Kopf und Herz - Pflastersteine erinnern in Hechtsheim an Opfer der Nationalsozialisten, in: "Allgemeine Zeitung (Mainz)" vom 25.6.2013

Renate Knigge-Tesche (Bearb.), Erinnern an die Hechtsheimer Opfer des Holocaust aus Anlass der Stolperstein-Verlegung für am 24.6.2013, hrg. vom Verein Hechtsheimer Ortsgeschichte (PDF-Datei, online abrufbar)    Hinweis: enthält detaillierte biografische Daten zu den jüdischen Familien

Auflistung der in Mainz-Hechtsheim verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Mainz