Gumpolds (Böhmen)

Deutschbrod https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/95/Location_of_Czech_city_Humpolec.pngGumpolds (auch Humpoletz) - im böhmisch-mährischen Hochland südöstlich von Prag - ist die heutige tschechische Kleinstadt Humpolec mit derzeit ca. 11.000 Einwohnern - nordwestlich von Iglau/Jihlava gelegen (Ausschnitt aus hist. Landkarte, aus: europa1900.eu und Kartenskizze 'Tschechien' mit Humpolec rot markiert, aus: wikipedia.org, CCO)

 

Gegen Ende des 14.Jahrhunderts sollen erstmals jüdische Bewohner in Gumpolds gelebt haben; sie wurden vermutlich später ausgewiesen. Für die folgenden drei Jahrhunderte sind keine Juden für Gumpolds nachweisbar.

Der erste urkundliche Nachweis einer jüdischen Gemeinschaft in Gumpolds datiert aus dem Jahre 1724; vermutlich hatten sich bereits im späten 17.Jahrhundert einige jüdische Familien unter dem Schutz der Adelsfamilie Heralec hier niedergelassen dürfen.

Gottesdienstliche Zusammenkünfte hielt man zunächst in privaten Wohnungen ab, ehe dann nach Genehmigung durch die damalige Grundherrschaft (Jakub Benedikt Freiherr von Neffzern) die Errichtung eines Synagogengebäudes erfolgte, das 1862 fertiggestellt war; es stand mitten im jüdischen Ghettoviertel, dessen Häuser sich um einen eigenen Marktplatz gruppierten. Nachdem ein Großbrand (1886) auch die Synagoge schwer beschädigt hatte, wurde das Gebäude noch im gleichen Jahre - nun im neugotischen Stile mit schlichter Innenausstattung - wiederhergestellt.

    Synagoge (hist. Aufn., um 1910, aus: wikipedia.org, CCO)

Der jüdische Friedhofs war bereits im ersten Viertel des 18.Jahrhunderts nordöstlich der Stadt angelegt worden; auf dem Begräbnisgelände, das im 19.Jahrhundert eine Erweiterung erfuhr, befand sich dann auch ein Tahara-Haus.

Juden in Gumpolds (Humpolec):

    --- 1719 ............................  10 jüdische Familien (ca. 50 Pers.),

    --- um 1725 .........................  12     "       "    ,

    --- 1783 ............................  28     “       “    ,

    --- 1840 ........................ ca. 280 Juden (ca. 40 Familien),

    --- um 1850 ..................... ca. 340   “  ,

    --- 1880 ............................ 343   “   (ca. 6% d. Bevölk.),

    --- 1890 ............................ 324   “  ,

    --- 1900 ............................ 196   “   (ca. 3% d. Bevölk.),

    --- 1930 ............................  89   “  .

Angaben aus: Adolf Brock, Juden in Gumpolds

                                     Ak Humpolec Humpoletz Reg. Hochland, Blick auf Stadt, Straßenpartie 0 Humpolec - Postkarte um 1910 (Abb. aus: oldthing.de)

 

In den Jahren 1916/1918 hielten sich einige hundert jüdische Flüchtlinge aus Galizien in Gumpolds und Umgebung auf; sie wurden von der kleinen Gemeinde mit dem Lebensnotwendigen versorgt. Gleichzeitig führte aber die Anwesenheit dieser Flüchtlinge, die ihre angestammten Riten und Gebräuche in Gumpolds ausübten, zum Ausbruch antisemitischer Ressentiments bei der einheimischen christlichen Bevölkerung.

Seit den 1890er Jahren verließ zunehmend die jüdische Bevölkerung den Ort. Anfang der 1930er Jahre zeichnete sich dann das Ende der Gemeinde ab. Die deutsche Okkupation tat dann das Übrige: Die noch verbliebenen jüdischen Bewohner wurden via Theresienstadt in die "Lager des Ostens" deportiert, wo sie zumeist gewaltsam ums Leben kamen.

 

Von den Deportierten aus dem Ort kehrten nach Kriegsende nur elf nach Gumpolds (Humpolec) zurück.

Heute befinden sich auf dem während der NS-Zeit stark verwüsteten isrealitischen Friedhof von Humpolec ca. 1.000 Grabsteine, deren älteste aus dem 18. Jahrhundert stammen; das letzte Begräbnis fand 1942 statt. In den 1990er Jahren waren Friedhofsgelände und Begräbnishalle restauriert worden; seitdem befindet sich dort auch eine Denkmal zu Ehren der Opfer des Holocaust.

 

Älterer u. jüngerer Friedhofsteil (Aufn. Filo, 2007  und  Aufn. Jitka Erbenová, 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

Neben dem jüdischen Friedhof ist als bleibendes Zeugnis jüdischer Geschichte in Gumpolds auch das Synagogengebäude - es wurde während des Zweiten Weltkrieges im Innern verwüstet - erhalten geblieben. Im Jahre 1952 erwarb es die Hussitische Kirche; nach dessen Sanierung (1961) wurde es wieder eröffnet. Ende der 1980er Jahre erfolgte eine weitere umfangreiche Sanierung, bei der u.a. auch Fragmente der ursprünglichen Wandmalerei mit den hebräischen Inschriften freigelegt und erneuert wurden.

            

Ehem. Synagogengebäude (Aufn. J. Erbenová, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Im Jahre 2000 wurde das Gebäude als schützenswertes Kulturdenkmal eingestuft.

 

 Gustav Mahler wurde 1860 als Sohn eines jüdischen Gastwirtes im böhmischen Kalischt /tschech. Kaliste in der Nähe von Gumpolds geboren.  Bereits mit zehn Jahren hatte Gustav Mahler erste öffentliche Auftritte als Pianist. Fünf Jahre später studierte er am Wiener Konservatorium, danach besuchte er die Wiener Universität. Seit den 1880er Jahren war Mahler, der schon in jungen Jahren eigene Kompositionen schuf, in Bad Hall, Kassel, Prag, Leipzig, Budapest und Hamburg als Kapellmeister tätig. Da Mahler als Jude benachteiligt wurde, konvertierte er zum Katholizismus; trotzdem war er während seiner Tätigkeit in Wien antisemitischen Angriffen ausgesetzt (1907). Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in den USA kehrte er nach Wien zurück, wo er 1911 starb. Das Museum von Humpolec widmete Gustav Mahler eine 1986 eröffnete ständige Ausstellung; diese war die erste ständige Exposition ihrer Art.

Der 1872 in Gumpolds geborene tschechisch-jüdische Dirigent und Komponist Josef Stransky war zunächst in Prag und Berlin tätig, ehe er 1911 zu den Philharmonikern nach New York ging und dort die Nachfolge von Gustav Mahler antrat. In seinem letzten Lebensjahrzehnt war Stransky im Kunsthandel engagiert. Er starb 1936 in New York.

 

 

 

In Unter-Kralowitz (tsch. Dolní Kralovice, derzeit ca. 900 Einw.) – ca. 15 Kilometer nordwestlich von Gumpolds gelegen – war vermutlich bereits im 15. Jahrhundert ein jüdischer Friedhof angelegt worden. Dieses Areal wurde für den Bau einer Talsperre in den 1960er Jahren aufgegeben; die wertvollsten Grabsteine wurden gerettet und auf den jüdischen Friedhof nach Trhový Štěpánov (dt. Markt Stiepanau) gebracht.

 

 

 

Etwa 30 Kilometer nordwestlich von Gumpolds/Humpolec liegt die Ortschaft Markt Stiepanau (tsch. Trhový Štěpánov, derzeit ca. 1.300 Einw.), in der sich ein alter jüdischer Friedhof befindet, dessen Anlage bereits in der ersten Hälfte des 15.Jahrhundert erfolgte. Die ältesten noch vorhandenen Grabsteine stammen allerdings erst aus der Zeit um 1710.

071020 Stepanov Zidovsky hrbitov 0069.JPGJüdischer Friedhof (Aufn. Vít Švajcr, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

In Senožaty, einem Dorf mit derzeit kaum 800 Einwohnern ca. zwölf Kilometer nordwestlich von Humpolec (Gumpoltz), wurden vier „Stolpersteine“ verlegt, die an Angehörige der jüdischen Familie Frankenbusch (Frankenbuš) erinnern, die die via Theresienstadt ins Vernichtungslager Treblinka verschleppt und dort ermordet wurden.

Stolperstein für Rudolf Frankenbus.JPGStolperstein für Frantiska Frankenbusova.JPGStolperstein für Zdenek Frankenbus.JPGStolperstein für Vera Frankenbusová.JPG Aufn. Chr. Michelides, 2015, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0

 

 

 

 

Weitere Informationen:

Adolf Brock (Bearb.), Juden in Gumpolds, in: Hugo Gold (Hrg.), Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart, Jüdischer Buchverlag, Brünn 1934

Jiří Rychetský, History of the Jewish Community in Humpolec, online abrufbar unter: jewishgen.org

Jüdische Gemeinde Humpolec, online abrufbar unter: wikipedia.org

The Jewish Community of Humpolec (Gumpolds), Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/humpolec

Humpolec, online abrufbar unter: zidovskehrbitovy.cz/

Auflistung der in Senožaty verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_im_Kraj_Vysočina