Gattendorf (Burgenland/Österreich)

Datei:Karte A Bgld ND.svg Gattendorf - eine kleine Kommune mit derzeit kaum 1.500 Einwohnern – liegt im nördlichen Burgenland (Bez. Neusiedl a. See). Der ungarische Ortsname der Gemeinde ist Gáta, der kroatische Raušer (Kartenskizze 'Burgenland' mit Bez. Neusiedl am See, A. 2016, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Die Jüdische Gemeinde Gattendorf gehörte als Gräflich Esterházysche Gemeinde zwar nicht zu den Fürstlich Esterházyschen Siebengemeinden des Burgenlandes, wurde aber später durch den Anschluss an die größere jüdische Gemeinde Kittsee (1885) ein Teil von ihnen.

Die Wurzeln einer jüdischen Gemeinde in Gattendorf - etwa zehn Kilometer südwestlich von Kittsee gelegen - liegen vermutlich in den 1720er Jahren, als jüdische Familien aus Preßburg (dem heutigen slowakischen Bratislava) hier ansässig wurden. Die früheste urkundliche Erwähnung von Juden aus Gattendorf findet man in einer Händlerliste der „Leipziger Messe“ aus dem Jahre 1726, in der David Abraham und Abraham Jakob aus „Kottendorf“ aufgeführt sind. Die Juden Gattendorfs mussten Schutzgelder an die gräfliche Herrschaft Esterházy zahlen. Ihre Wohnungen hatten sie teilweise im ehemaligen Meierhof der Familie Schlossberg, zum anderen Teil waren ihre Häuser im Ort verteilt. Die sog. „Judenkonskription“ von 1770 listet insgesamt 27 jüdische Familien auf, wovon allein 22 im Schlossberg´schen Hof (in der Oberen Dorfstraße) wohnten.

Zu den gemeindlichen Einrichtungen zählten eine 1862 errichtete und vom Wiener Rabbiner Isaak Noah Mannheimer eingeweihte Synagoge (mit ca. 80 Plätzen) – ein schlichter Zweckbau mit angeschlossener Mikwe - und ein weit außerhalb des Ortes liegender Friedhof, der bereits um 1740 angelegt worden war. Auf diesem Gelände wurden seit Mitte des 19.Jahrhunderts auch verstorbene Juden aus Nickelsdorf und Neudorf (auch Neudörfl) begraben. Kurzzeitig existierte auch seit den 1860er Jahren eine eigene kleine Schule. Die Gemeinde Gattendorf war in den zwei Jahrhunderten ihres Bestehens eine Filialgemeinde Kittsees.

Juden in Gattendorf:

         --- 1735 ........................  8 jüdische Familien,

    --- um 1760 ....................  18     "        "   ,

    --- 1770 ....................... 111 Juden,

    --- 1836 ....................... 171   "  ,

    --- 1857 ....................... 206   “  ,

    --- 1880 .......................  62   “  ,

    --- 1934 .......................  19   “  ,

    --- 1938 .......................  22   "  .

Angaben aus: Burgenländische Volkshochschulen (Hrg.), Zerstörte Gemeinden im Burgenland. Eine Spurensuche

 

Die Juden von Gattendorf lebten vor allem vom dörflichen Klein- und Viehhandel. Die ab Ende der 1860er Jahre einsetzende starke Abwanderung der jüdischen Familien machten es zunehmend schwierig, die für den Gottesdienst erforderliche Mindestzahl von zehn Männern zusammenzubringen. Der Rückgang der jüdischen Bevölkerung in Gattendorf führte schließlich dazu, dass in den 1880er Jahren die Gemeinde aufgelöst wurde und die verbliebenen Angehörigen (sie lebten meist in nahen kleinen Siedlungen) sich der Kittseer Kultusgemeinde anschlossen.

Anm.: In den zur ehem. Kultusgemeinde von Gattendorf zählenden Nachbarorten Jois, Zurndorf, Pama südlich der Hauptstraße, Neudorf, Potzneusiedl, Parndorf und Nickelsdorf lebten 1938 insgesamt 90 Juden.

Die letzten in Gattendorf lebenden jüdischen Bewohner wurden im Zuge der „Entjudung“ zunächst in die Slowakei ausgewiesen; von dort erfolgte im Laufe des Jahres 1942 ihre Deportation in Ghettos/Lager im besetzten polnischen Gebiet (vgl. dazu: regiowiki.at/wiki/Jüdische_Gemeinde_Gattendorf).

Das Synagogengebäude war bereits in den 1920er Jahren stark verfallen: ein zeitgenössischer Bericht gibt den Zustand wieder: „Schon der hölzerne Zaun, der den Vorhof von der Straße trennt, ist vielfach durchbrochen, das Mauerwerk stark abgebröckelt und im Innern wölbt sich über dem sonst freundlichen und würdigen Raum, in dessen Mitte ein schöner Almemor steht, an Stelle einer Kuppel ein aus rohen Brettern notdürftig gezimmerter Plafond, der seit Jahresfrist die frühere Decke, die bereits einzustürzen gedroht hatte, ersetzen muß.“ (aus: Moses Leopold, Jüdische Gemeinden, in: Die Wahrheit. Unabhängige Zeitschrift für jüdische Interessen, XLI-II. Jg., Nr. 9, Wien, 25. Februar 1927, S. 4)

Das Synagogengebäude, das während des Krieges kurzzeitig auch als Unterkunft für sowjetische Kriegsgefangene gedient hatte, blieb aber unzerstört und diente dann über Jahrzehnte hinweg als Scheune bzw. Einstellplatz für landwirtschaftliche Maschinen.

h108_0057Gattendorf mit Synagoge im Hintergrund (Aufn. um 1950, Burgenl. Landesarchiv)

Mitte der 1990er Jahre wurde das inzwischen marode Gebäude schließlich abgerissen.

                           Ehem. Synagoge kurz vor dem Abriss (Aufn. um 1990, aus: opencaching.de)

Heute erinnert als einziges bauliches Relikt nur der ca. 2.700 m² große Friedhof (südwestlich des Ortes an der Leitha) mit seinen mehr als 100 erhaltengebliebenen Grabsteinen an die ehemalige Gattendorfer Judengemeinde.

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Blick auf das Friedhofsgelände (beide Aufn. Peter Lauppert, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 at)

 

 

Weitere Informationen:

Hugo Gold (Hrg.), Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden des Burgenlandes, Tel Aviv 1970, S. 80

Burgenländische Volkshochschulen (Hrg.), Zerstörte Gemeinden im Burgenland - Eine Spurensuche 2002, in: www.vhs.a-business.co.at

Klaus Derks, Kattondorff. Die vergessene Judengemeinde von Gattendorf, in: "Gattendorfer Rückblicke", Band 6, hrg. vom Verein zur Erforschung der Ortsgeschichte von Gattendorf, 2010 (Anm.: Im Verlag Klaus Derks – Hrg. ist der Verein zur Erforschung der Ortsgeschichte von Gattendorf – erschienen unter dem Titel „Gattendorfer Rückblicke. Ein historisches Kaleidoskop. Betrachtung der Geschichte Gattendorfs in einzelnen Themen“ seit 2005 im jährlichen Abstand insgesamt acht Bände; der letzte erschienene war 2012 ein Fotoband)

Evelyn Adunka, Die jüdische Gemeinde von Gattendorf, in: „DAVID – jüdische Kulturzeitschrift“, Heft 89/2011 (Rezension der Publikation von Klaus Derks)

Naama G. Magnus, Auf verwehten Spuren – Das jüdische Erbe im Burgenland, Teil 1: Nord- und Mittelburgenland, hrg. vom Verein zur Erhaltung und kulturellen Nutzung der Synagoge Kobersdorf, 2013

Marina Glaser, Virtuelle Rekonstruktion der ehemaligen Synagoge in Gattendorf, Diplomarbeit an der TU Wien, Wien 2015

Marina Glaser, Die Synagoge in Gattendorf, in: „DAVID – jüdische Kulturzeitschrift“, Heft 108/2016

Burgenländische Forschungsgesellschaft (Hrg.), Jüdische Kulturwege im Burgenland – Rundgänge durch die „Sieben Gemeinden“ (Schewa Kehillot) und die Gemeinden des Südburgenlandes, Broschüre, 1. Aufl., Eisenstadt 2016, S. 16/17 (auch online abrufbar unter: forschungsgesellschaft.at)

Michael Bittner (Red.), Es ist nichts los in Gattendorf, in: „DAVID – Jüdische Kulturzeitschrift“, Heft 136/März 2023