Gollub (Westpreußen)

Location map Gollub (Westpreußen) - ca. 35 Kilometer nordöstlich von Thorn (Torum), heute mit der Schwesterstadt am gegenüberliegenden Ufer der Drewenz zu Golub-Dobrzyń vereinigt - besitzt derzeit ca. 12.500 Einwohner (Ausschnitt aus hist. Karte von 1890, G. am rechten Kartenrand, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Polen' mit Golub-Dobrzyń rot markiert, K. 2007, aus: commons.wikimednia.org CC BY-SA 3.0).

 

In Gollub gab es eine relativ große jüdische Gemeinde, deren Anfänge im letzten Viertel des 18.Jahrhundert lagen. Denn bis 1772 war jüdischen Familien ein dauerhafter Aufenthalt in Gollub verwehrt; hingegen konnten sie im Nachbarort Dobrzyn wohnen - und zwar in relativ hoher Zahl (um 1770 etwa 800 Personen).

Eine aus den 1820er Jahren stammende Synagoge (sie befand sich ganz in der Nähe der evangelischen Kirche) wurde um 1855 durch einen Neubau ersetzt.

           Innenansicht der Synagoge in Gollub (hist. Aufn.)

Ein kleinflächiger Begräbnisplatz war um 1770 eingerichtet worden; dieser erfuhr im 19.Jahrhundert eine Erweiterung.

Seit 1855 (andere Angabe: bereits seit 1845) existierte in Gollub eine zweiklassige jüdische Elementarschule, nachdem die Kinder zuvor die katholische Ortsschule besucht hatten. Etwa vier Jahrzehnte später besuchten dann alle Kinder gemeinsam die lokale staatliche Schule.* *Einer anderen Angabe zufolge soll die jüdische Schule bis 1912 bestanden haben.

Die jüdische Gemeinde Gollub umfasste zahlreiche kleinere Ortschaften der Umgebung.

Juden in Gollub:

--- 1772 .........................  eine jüdische Familie,

--- 1808 ........................   44 Juden,

--- 1816 ........................  108 Juden (ca. 10% d. Bevölk.),

--- 1825 ........................  255   “  ,

--- 1843 ........................  665   “   (ca. 30% d. Bevölk.),

--- 1852 ..................... ca. 800   “  ,

--- 1871 ..................... ca. 530   “  ,

--- 1885 ..................... ca. 480   “  ,

--- 1890 ......................... 354   “   (ca. 13% d. Bevölk.),

--- 1895 ..................... ca. 300   “  ,

--- 1910 ..................... ca. 250   “   (ca. 8% d. Bevölk.),

--- 1921 ..................... ca. 100   “   (ca. 4% d. Bevölk.),

--- 1926 .........................  52   “ (?),

--- 1931 ......................... 187   “   (ca. 6% d. Bevölk.),

--- 1939 (Aug.) .................. 175   “  ,

--- 1946 .........................   4   “  .

Angaben siehe: Golub, in: sztetl.org.pl

und                    Gerhard Salinger, Zur Erinnerung und zum Gedenken. Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreußens, S. 230

 

Während die Mehrzahl der jüdischen Einwohner Dobrzyns orthodox ausgerichtet war und in recht ärmlichen Verhältnissen lebte, setzten sich die Juden in Gollub zumeist aus Kaufleuten zusammen, die „sehr deutsch eingestellt“ waren. Der Handel mit Landesprodukten (Wolle, Getreide, Pelze) war für viele Grundlage ihres Lebenserwerbs.

Zunehmende Abwanderung in deutsche Großstädte Anfang der 1920er Jahre ließ die Zahl der Juden Gollubs deutlich zurückgehen; auch die Zuwanderung polnischer Juden konnte den Bevölkerungsverlust nicht ausgleichen. Gewalttätige antisemitische Ausschreitungen sollen 1926 hier stattgefunden haben.

Die noch verbliebenen jüdischen Familien wurden 1939/1940 vertrieben und fristeten ihr Dasein elendig in Ghettos; nur sehr wenige sollen überlebt haben.

Das Synagogengebäude wurde während des Krieges zerstört. Auch der Friedhof existiert heute nicht mehr.

http://www.kolekcjonerski.com.pl/Public/foto/products/org_1640_1370888442.jpg Grenzübergang von Gollub nach Dobrzyń (Aufn. um 1910/15)

 

 

 

In der Ortschaft Dobrzyń, die nach der 1.Teilung Polens (1772) an Russland gefallen war (Gollub hingegen war preußisch geworden), war der jüdische Bevölkerungsanteil im 19.Jahrhundert noch weit höher; so betrug er in den 1880er Jahren ca. 65% (!), um die Jahrhundertwende sogar um 80%!  Erste jüdische Ansiedlung datiert vermutlich in der ersten Hälfte des 17.Jahrhunderts; eine Gemeinde bildete sich aber erst um 1765.

            aus Holz gebaute Synagoge von Dobrzyn (hist. Postkarte)  

Außen- u. Innensicht der Synagoge von Dobrzyn, hist. Aufn.

Juden in Dobrzyn:

--- 1793/94 ........................   528 Juden (ca. 51% d. Bevölk.),

--- 1819 ....................... ca. 1.800   “  ,

--- 1861 ....................... ca. 1.600   “  ,

--- 1880 ....................... ca. 2.300   “  ,

--- 1897 ....................... ca. 3.000   “   (ca. 80% d. Bevölk.),

--- 1921 ....................... ca. 2.000   “   (ca. 48% d. Bevölk.),

--- 1935 ....................... ca. 2.500   “  ,

--- 1939 ....................... ca. 2.200   “  .

Angaben aus: Dobrzyn, in: sztetl.org.pl

Während der NS-Besatzungszeit wurde der Holzbau der Synagoge in Brand gesteckt; auch der jüdische Friedhof wurde zerstört.

Als die Weichsel nach 1945 hier aufgestaut wurde, verschwand das Areal des einstigen jüdischen Friedhofs in den Fluten.

 

 

 

Wenige Kilometer nordwestlich von Gollub liegt die Ortschaft Schönsee (poln. Kowalewo Pomorskie, derzeit ca. 4.200 Einw.). In dem nach der 1.Teilung Polens zu Preußen gehörenden Ort konnten sich nach 1812 Juden ansässig machen; deren Zahl erreichte in den 1840er Jahren etwa 180 Personen (ca. 13% d. Bevölk.).

Anfang der 1880er Jahre ließ die Gemeinde ein neues Synagogengebäude errichten. Ein eigenes Begräbnisgelände war bereits um 1830 angelegt worden. Um 1900 war bereits ein Rückgang der jüdischen Bevölkerung zu verzeichnen; so sollen zu diesem Zeitpunkt nur noch ca. 20 Familien hier gelebt haben. Während ein Teil in deutsche Großstädte abwanderte, sahen sozial schwache Familien ihre Zukunft in der Emigration in die USA. Nach dem Ersten Weltkrieg lebten in Schönsee nur noch zwei jüdische Familien. Die offizielle Liquidation der Gemeinde soll erst zu Beginn der 1930er Jahre erfolgt sein; das gemeindliche Eigentum wurde der Kultusgemeinde Gollub übertragen.

 

 

 

 

Weitere Informationen:

Max Aschkewitz, Der Anteil der Juden am wirtschaftlichen Leben Westpreußens um die Mitte des 19.Jahrhunderts, in: "Zeitschrift für Ostforschung", No. 11/1962, S. 482 ff.

Max Aschkewitz, Zur Geschichte der Juden in Westpreußen, in: "Wissenschaftliche Beiträge zur Geschichte und Landeskunde Ost-Mitteleuropas", hrg. vom Johann Gottfried Herder-Institut No. 81, Marburg 1967

Yehudah Rozenwax, Dobrzyń and Golub on the Drwęca River (übersetzt von Sara Mages), online abrufbar

Yechiel Lichtenstein, Dobrzyn, My Town (übersetzt von Allan Flusberg), online abrufbar

Gerhard Salinger, Zur Erinnerung und zum Gedenken. Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreußens,Teilband 2, New York 2009, S. 229 – 238 (Gollub) und S. 239 – 242 (Schönsee)

Julian H. Preisler, Memorial to the destroyed jewish community of Dobrzyn nad Wisla. Poland, 2014 (online unter: www.JPreisler.com)

Golub, in: sztetl.org.pl

Kirchenbücher der jüdischen Gemeinde Schönsee (Kowalewo Pomorskie) im Landkreis Briesen, in: "Familienforschung in Westpreußen", online abrufbar unter: westpreussen.de