Dernau/Ahr (Rheinland-Pfalz)

Jüdische Gemeinde - Ahrweiler (Rheinland-Pfalz)Ahrweiler Karte Dernau an der Ahr ist eine Kommune mit derzeit nahezu 2.000 Einwohnern im Landkreis Ahrweiler im Norden von Rheinland-Pfalz – wenige Kilometer westlich der Kreisstadt bzw. knapp 30 Kilometer südwestlich von Bonn gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte ohne Eintrag von Dernau, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Landkreis Ahrweiler', aus: ortsdienst.de/rheinland-pfalz/ahrweiler).

 

Früheste Hinweise darauf, dass in Saffenburg/Dernau Juden gewohnt bzw. sich hier aufgehalten haben, lassen sich in einer „Judensteuerliste“ des Reichserbkämmerers Konrad von Weinsberg aus dem Jahre 1434 finden.

In Dernau existierte eine (neuzeitliche) jüdische Gemeinde, deren Entstehung allerdings im Dunkeln liegt; so sind einzelne Juden einige Jahre vor Beginn des Dreißigjährigen Krieges namentlich genannt, und zwar in Ahrweiler Ratsprotokollen. Dann lassen sich in der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts erneut Juden nachweisen, und zwar in Prozessakten der Jahre 1684 bzw. 1699, in denen ihnen Wucherei vorgeworfen wurde. Ende des 17.Jahrhunderts hielten sich in Dernau drei unter gräflichen „Schutz“ stehende Juden mit ihren Familien auf; ihre Schutzbriefe mussten jährlich neu erworben werden. Für das Jahr 1694 ist in einem Dokument von einem Weinhandelsgeschäft eines gewissen Juden Senior die Rede.

Aus der Zeit um 1795/1800 ist ein Betraum nachweisbar, der in der ersten Etage des Hauses des Chaim Isaac (ab 1815 Jacob Heymann) in der Teichgasse (heute Hauptstraße) untergebracht war.

 

Ehemalige Betstube der Dernauer Juden im Obergeschoss - Radierung (Matthias Bertram, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 de)

Nach Niederzissen war in Dernau die größte jüdische Gemeinde im Kreis Ahrweiler beheimatet. Doch mit Eröffnung der neuen Ahrweiler Betstube (1844) schwand die Bedeutung Dernaus als zentraler jüdischer Ort des Ahrtals. Nach ca. 1850 suchten die Dernauer Juden dann auch den Betsaal in Ahrweiler auf. Seit Ende des 18.Jahrhunderts gab es im Dorf eine jüdische Schule – ebenfalls untergebracht im Hause der Familie Heymann; zeitweilig hatte die kleine Gemeinde einen eigenen Lehrer angestellt, ansonsten unterrichteten auswärtige Lehrer die Dernauer Kinder.

Bis 1843 suchten die Juden aus Lantershofen den Betsaal in Dernau auf.

Der jüdische Friedhof in Dernau, der älteste im Ahrgebiet, bestand spätestens seit dem ausgehenden 18.Jahrhundert und lag etwa zwei Kilometer nördlich der Ortschaft.

Jüdischer Friedhof Dernau Grabstein 158.JPG Jüdischer Friedhof Dernau Grabstein 160.JPG Jüdischer Friedhof Dernau Grabstein 171.JPG

schlichte Grabsteine aus dem 19.Jahrhundert (Aufn. GFreihalter, 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

Juden in Dernau:

--- um 1690 .......................  3 „Schutzjuden“,

--- 1723 .......................... ein     “     (),

--- 1808 .......................... 20 Juden,

--- 1823 .......................... 44   “  ,

--- 1858 .......................... 38   “  ,

--- 1895 .......................... 14   “  ,

--- 1925 .......................... 13   “  ,

--- 1942 .......................... keine.

Angaben aus: Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels”. S. 135

 

Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts lebten in Dernau maximal ca. 40 jüdische Bewohner (etwa 5% der Dorfbevölkerung); ein Teil von ihnen verließ das Dorf und verzog zumeist nach Ahrweiler; so auch Angehörige der Familie Heymann, die an ihren neuen Wohnort eine wesentliche Rolle im jüdischen Gemeindeleben und im Wirtschaftsleben des Ortes spielten.

  https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20463/Dernau%20Israelitisches%20Familienblatt%2019250205.jpg Kleinanzeige aus: "Israelitisches Familienblatt" vom 5.2.1925

Um 1925 waren es nur noch sehr wenige, die ihr Zuhause in Dernau hatten; sie gehörten zur Kultusgemeinde Ahrweiler.

Obwohl das Zusammenleben zwischen Christen und Juden im allgemeinen recht problemlos gewesen sein soll, ist in einem 1906 erschienenen englischen Reiseführer der folgende Text zu finden: „Dernau is a nest of blood-sucking jews who prey on the exigences of the peasants, getting the sale of the wines into their hands, in bad times advancing money at high interest; and when once getting a grip on a farm not letting go again. ...“ (in sinngemäßer Übersetzung: „Dernau ist ein Nest von blutsaugenden Juden, die die Notlage der Bauern ausnutzen, versuchen den Weinverkauf in ihre Hände zu bringen und in schlechten Zeiten Geld zu hohen Zinsen zu vergeben. Und wenn sie einmal einen Hof in ihrem Griff haben, lassen sie ihn nicht mehr los. ...“)

Zu Beginn der 1930er Jahre lebten noch drei jüdische Familien im Dorf (Baer, Mayer u. Schweitzer).

Während des Novemberpogroms kam ein auswärtiger Einsatztrupp ins Dorf, zertrümmerte Fenster und Einrichtungsgegenstände im Hause der Familie Bär und warf diese zusammen mit Wertgegenständen auf die Straße. Teile der Bevölkerung sollen während dieser „Aktion“ zugesehen, aber nicht eingegriffen haben.

1942 wurden die wenigen noch verbliebenen älteren Menschen deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ wurden neun aus Dernau stammende Juden Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/dernau_synagoge.htm).

 

Auf dem ca. 300 m² großen jüdischen Friedhofsgelände – es liegt etwa zwei Kilometer von der Ortschaft entfernt – befinden sich heute noch ca. 20 Grabsteine; die letzte Beerdigung war hier 1942.

Jüdischer Friedhof Dernau im Sommer und Winter (Aufn. GFreihalter, 2010, aus: wikipedia.org, CC-BY-SA 3.0 und Matthias Bertram)

Aus Dernau stammte der Weinhändler Samuel Heymann (geb. 1814), der durch sein Engagement innerhalb der jüdischen Gemeinde Ahrweiler dort die Einrichtung des neuen jüdischen Friedhofs (in der Schützenstraße) und den Bau der Synagoge (Altenbaustraße) veranlasst hatte

Bei der Flutkatastrophe (Mitte Juli 2021), bei der die Region Trier und das Ahrtal schwer getroffen wurde, hatte besonders das Dorf Dernau schwer gelitten; neben zahlreichen Todesopfern wurden auch zahlreiche Gebäude stark beschädigt, so auch Häuser, in denen früher jüdische Familien gelebt hatten. Nicht betroffen von den Fluten war der jüdische Friedhof, der hoch über dem Ort liegt. Das Fachwerkgebäude, das ehemals die Synagoge beherbergte und von der Ahrflut betroffen war, soll denkmalgerecht wiederhergestellt werden. Dabei werden Freiwillige des Sozialen Jahres - initiiert von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz - bei der Sanierung dieses historischen Hauses mit Hand anlegen (2023).

Die Synagoge in Dernau (Kreis Ahrweiler)

völlig zerstörter Innenraum (Aufn. M. Bertram) und Jugendliche bei ersten Sanierungsarbeiten (Aufn. Rossner/Deutsche Stiftung Denkmalschutz)

 

 

 

In Altenahr – nur wenige Kilometer westlich von Dernau – wurden sieben sog. „Stolpersteine“ verlegt, die an Angehörige der jüdischen Familie Schweitzer erinnern; während fünf Familienmitglieder ihr Leben durch Emigration nach Übersee retten konnten, wurden Karl u. Rosa Schweitzer Opfer des Holocaust.

Stolperstein Altenahr Karl Schweitzer.jpgStolperstein Altenahr Rosa Schweitzer.jpgStolperstein Altenahr Leo Schweitzer.jpgStolperstein Altenahr Gerda Schweitzer.jpgStolperstein Altenahr Tilly Schweitzer.jpgStolperstein Altenahr Hilde Schweitzer.jpgStolperstein Altenahr Walther Schweitzer.jpgverlegt in der Straße Rossberg (Aufn. Bernd Schreiner, 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 vgl. Ahrweiler (Rheinland-Pfalz)

 

 

 

Weitere Informationen:

Udo Bürger, Zum Erziehungswesen der Juden im Kreis Ahrweiler und zu den Synagogenverhältnissen allgemein, in: "SACHOR - Beiträge zur jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit in Rheinland-Pfalz", Heft 12, 2/1996, S. 16 - 33

Annemarie Müller-Feldmann, Der Jüdische Friedhof in Dernau, in: Hans Warnecke (Hrg.), Zeugnisse jüdischen Lebens im Kreis Ahrweiler, Bad Neuenahr-Ahrweiler 1998, S. 46 - 54

Sebastian Wolfgang Schmitz, Zur Geschichte der Juden in Dernau an der Ahr, Mayschoß 2001

Matthias Bertram, Alles fließt. Geschichte und Geschichten vom Ahrtal ..., Burgdorf 2001 (erg. 2006), Kap. „Jüdische Geschichte“ (Dernau), (online abrufbar unter: ahr-eifel-rhein.de)

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels”. Synagogen. Rheinland-Pfalz und Saarland, Mainz 2005, S. 135

Dernau, in: alemannia-judaica.de

Matthias Bertram, Jüdische Gemeinde (Dernau), online abrufbar unter: ahr-eifel-rhein.de (private Interpräsentation: Alles fließt – Geschichte und Geschichten vom Ahrtal und der Fam. Bertram)

Matthias Bertram, „ ... in einem anderen Lande“ - Geschichte, Leben und Lebenswege von Juden im Rheinland, Aachen 2015 (mit zahlreichen biografischen Daten u. Abbildungen)

Angaben von Matthias Bertram über „Frühe Geschichte Dernauer Juden“ (von 2016)

Matthias Bertram, „… mit ihren eigenen Worten“ - Rheinische Juden erzählen aus ihrem Leben, Aachen 2017

Matthias Bertram, Eine unglaubliche Familiengeschichte (private Aufzeichnungen, Nahariya 4.7.2018)*     *als Zeitungsartikel im "Mittelahr-Boten" am 18.7.2018 erschienen

Matthias Bertram (Red.), Notizen zur jüdischen Geschichte von Ahrweiler. Teil 2: Herkunft und Abstammung von Samuel Heymann, in: "aktiplan – Rhein-Ahr Anzeiger“ vom 4.7.2021

Wehret den Anfängen – Holocaust-Gedenktag in Dernau, aus: Pressemitteilung SPD OV Kalenborn u. Mittelahr vom 1.2.2022

Sebastian Wolfgang Schmitz, Landjuden an der Mittelahr – Die jüdischen Bewohner der Herrschaft Saffenburg vom 16. bis 18.Jahrhundert, Mayschoss 2023

Deutsche Stiftung Denkmalschutz (Hrg.), Junge Leute helfen bei der Sanierung der alten Synagoge in Dernau, online abrufbar unter: denkmalschutz.de vom 27.4.2023

Christine Schulze (Red.), Altes Fachwerk, eine Synagoge und eine tolle Entdeckung. Bei dem Wiederaufbau-Projekt in Dernau helfen auch Schüler mit, in: „General-Anzeiger“ vom 15.6.2023

N.N. (Red.), Engagierter Einsatz für das kulturelle Erbe im Ahrtal, in: „Blick aktuell“ vom 4.7.2023 (betr. Aufräumungsarbeiten nach der Flutkatastrophe)

N.N. (Red.), Holocaust-Gedenktag: Jüdischer Friedhof in Dernau soll besser sichtbar werden, in: „Rhein-Zeitung“ vom 29.1.2024