Diespeck (Mittelfranken/Bayern)

Jüdische Gemeinde - Fürth (Mittelfranken/Bayern)  Datei:Diespeck in NEA.svg Diespeck ist eine Kommune mit derzeit ca. 3.800 Einwohnern im mittelfränkischen Landkreis Neustadt a.d.Aisch-Bad Windsheim (Kartenskizzen 'Mittelfranken', aus: Landesverband für ländliche Entwicklung  und 'Landkreis Neustadt a.d.Aisch - Bad Windsheim', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

In der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts war zeitweise in Diespeck jeder dritte Dorfbewohner mosaischen Glaubens.

Das bis 1792 zur Markgrafschaft Ansbach-Bayreuth, danach kurzzeitig zu Preußen gehörende Dorf war im Dreißigjährigen Krieg völlig niedergebrannt. Nach 1650 siedelten sich hier auch jüdische Familien an; vermutlich handelte es sich dabei um aus Nürnberg vertriebene Juden. Schon 1669 soll es hier eine „Schul“ (Betstube) gegeben haben. Zu den gemeindlichen Einrichtungen der Diespecker Judenschaft zählten eine Synagoge - seit 1832/1833 in einer umgebauten Scheune untergebracht -, eine Mikwe, ein Schulhaus und ein Schlachthaus mit Wohnung für den Schächter.

  http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2046/Diespeck%20Synagoge%20101.jpg

Synagoge und Synagogeninnenraum (hist. Aufn., aus: Th. Harburger, Die Inventarisation ...)

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20126/Diespeck%20Ort%20151.jpg jüdisches Schulhaus in Diespeck, Neustädter Str. (hist. Aufn.)

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20118/Diespeck%20Israelit%2011051864.jpg Ausschreibung einer Lehrerstelle, aus: "Der Israelit" vom 11.5.1864

Die 1826 eingerichtete Konfessionsschule wurde 1911 geschlossen.

Östlich der Ortschaft lag auf einer Anhöhe der jüdische Friedhof, der im ausgehenden 18.Jahrhundert angelegt worden war und auch Verstorbenen der jüdischen Nachbargemeinde Pahres als letzte Ruhestätte diente; ebenfalls wurden Juden aus Neustadt/Aisch hier beerdigt. Vor der Anlage des Friedhofs mussten Verstorbene im ca. 15 Kilometer weit entfernten Ullstadt begraben werden.

           Diespeck Jüdischer Friedhof 003.JPG ältere Grabsteine (Aufn. Jan Eric Loebe, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY 3.0)

Die Diespecker Gemeinde gehörte im Laufe des 19.Jahrhunderts zum Rabbinat Uehlfeld; nach dessen Auflösung war sie dem Bezirksrabbinat Fürth angeschlossen.

Juden in Diespeck:

         --- 1709 .........................   9 jüdische Familien,

    --- 1728 .........................  19     “       “    ,

    --- 1763 .........................  25     “       “    ,

    --- 1837 ......................... 270 Juden (ca. 30% d. Bevölk.),

    --- 1867 ......................... 117   “   (ca. 12% d. Bevölk.),

    --- 1880 ......................... 106   “  ,

    --- um 1900 .................. ca.  70   “  ,

    --- 1910 .........................  33   “  ,

    --- 1925 .........................   5   “  ,

    --- 1933 .........................   3   “  ,

    --- 1937 .........................   keine.

Angaben aus: A. Eckstein, Geschichte der Juden im Markgrafentum Bayreuth, S. 84

und                 Israel Schwierz, Steinerne Zeugen jüdischen Lebens in Bayern - Eine Dokumentation, S. 156

 

Im Verlauf des 18.Jahrhunderts war die jüdische Gemeinde weiter angewachsen und erreichte dann um 1840 mit ca. 270 Personen ihren zahlenmäßigen Höchststand; jeder dritte (!) Dorfbewohner gehörte damals dem mosaischen Glauben an. In der Folgezeit setzte ein stetiger Rückgang der Gemeindeangehörigen ein, dessen Ursache in einer vermehrten Auswanderung bestand, die vor allem der stringenden bayrischen Matrikelpolitik geschuldet war. Als dann Ende der 1860er Jahre die Liberalisierung in der Judengesetzgebung Bayern zum Tragen kam, setzte sich der Abwanderungstrend fort – nun vermehrt in größere deutsche Städte. Um 1900 zählte Die Kultusgemeinde Diespeck sie dann nur noch ca. 70 zumeist ältere Angehörige.

Anfang der 1880er Jahre waren die Gemeindeangehörigen antijüdischer Hetze ausgesetzt, die vom Ortspfarrer des benachbarten Gutenstetten betrieben wurde. Ein Kurzartikel in der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 5.Jan. 1881 berichtete darüber:

                                                                           

Nach der Jahrhundertwende setzte sich Ab- und Auswanderung fort - vor allem in die USA; nach dem Ende des Ersten Weltkrieges lebten kaum noch jüdische Bewohner in Diespeck.

                                        aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 3.8.1911

1918 wurde die Kultusgemeinde auch offiziell aufgelöst; die wenigen noch hier lebenden jüdischen Bewohner waren bereits 1915 der israelitischen Gemeinde von Neustadt/Aisch angeschlossen worden. Der letzte jüdische Einwohner verzog 1937 nach Bamberg.

Das vorhandene Synagogengebäude wurde Anfang der 1930er Jahre zu einer Turnhalle umgebaut; nach einigen Jahren ließ sie der neue Besitzer abreißen.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden nachweislich 22 gebürtige bzw. länger in Diespeck ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer der „Endlösung(namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: juden-in-baden.de/diespeck_synagoge.htm).

 

Das Gebäude der einstigen jüdischen Schule ist heute noch erhalten und wird zu Wohnzwecken benutzt. Der jüdische Friedhof an der Straße nach Dettendorf erinnert heute nur noch daran, dass Diespeck einst Heimat einer relativ großen jüdischen Gemeinde war. Am Tahara-Haus stehen die ältesten Grabsteine des Begräbnisareals.

    Taharahaus (Aufn. Tilman, 2021, aus: commons.wikimedia.org, CC BY.SA 4.0)

Auf dem Gelände befindet sich auch ein Kriegerdenkmal für die während des Ersten Weltkrieges gefallenen Juden der Diespecker Gemeinde; auf den kleineren Steinen ist jeweils namentlich der gefallene Soldat genannt (siehe Aufn.).

Jüdischer Friedhof und Kriegerdenkmal in Diespeck (Aufn. Jan Eric Loebe, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY 3.0)

2007 kam es auf dem Friedhof zu schweren Verwüstungen, nachdem zwei Männer insgesamt 63 Grabsteine und die elf Gedenksteine des Kriegerdenkmals aus der Verankerung rissen, umwarfen und teilweise zerstörten.

  David Einhorn, der 1809 in Diespeck geboren wurde, war ein Verfechter der jüdischen Reformbewegung; als Anhänger von Abraham Geiger setzte er sich in Deutschland für Gottesdienste in deutscher Sprache ein. Nach einem Philosophiestudium in Würzburg und München amtierte er als Rabbiner in verschiedenen Gemeinden; 1847 wurde er Landesrabbiner von Mecklenburg-Schwerin. Seine religiös-liberalen Vorstellungen führte zu Konflikten mit seiner Umgebung. Alsbald emigrierte David Einhorn in die USA, wo er ab den 1850er Jahren eine führende Rolle im amerikanischen Reformjudentum spielte. David Einhorn starb 1879 in New York. 

 

 

 

Weitere Informationen:

A. Eckstein, Geschichte der Juden im Markgrafentum Bayreuth, Bayreuth 1907

Baruch Z. Ophir/F. Wiesemann (Hrg.), Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, München/Wien 1979, S. 167/168

Israel Schwierz, Steinerne Zeugen jüdischen Lebens in Bayern - Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 156/157

Michael Trüger, Der jüdische Friedhof Diespeck/Mittelfranken, in: Der Landesverband der israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, Jg. 11/No. 71 (Dez. 1996), S. 13

Theodor Harburger, Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, Band 2: Adelsdorf - Leutershausen, Hrg. Jüdisches Museum Franken - Fürth & Schnaiitach, Fürth 1998, S. 162 – 165

Ilse Vogel, „koscher oder trefa“. Wie das Neben- und Miteinander von Juden und Christen in Diespeck zweihundert Jahre lang eine Dorftkultur schuf, Hans Meyer Verlag, Scheinfeld, 2003 (2. Aufl. 2007)

Ilse Vogel, Der Judensäcker in Diespeck. Begräbnisstätte der Gemeinden in Diespeck und Pahres, später Friedhof für die israelitische Kultusgemeinde Diespeck-Neustadt, o.O. 2003 (Neuauflage 2011)

Diespeck, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen Text- u. Bilddokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Ilse Vogel, Die Schändung des jüdischen Friedhofs in Diespeck, online abrufbar unter: histogerm.de/schaendung.html