Berolzheim (Mittelfranken/Bayern)

Bildergebnis für Berolzheim Markt Berolzheim mit seinen derzeit ca. 1.300 Einwohnern gehört heute zur Verwaltungsgemeinschaft Altmühltal im mittelfränkischen Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen – ca. 35 Kilometer südöstlich von Ansbach gelegen (Kartenskizze 'Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Laut Gemeindestatuten (von 1891) muss im Markt Berolzheim im 19.Jahrhundert eine autonome jüdische Gemeinde existiert haben, deren Mitglieder um 1810/1820 immerhin fast ein Fünftel der Bevölkerung ausmachten. Es gilt aber als sicher, dass bereits im 17.Jahrhundert vereinzelt jüdische Familien hier gelebt haben und bald auch eine Gemeinde bildeten; um 1715 sollen es ca. 15 Familien gewesen sein. Ihren Lebensunterhalt bestritten die meisten bis ins beginnende 19.Jahrhundert vom Vieh- und Pferdehandel; danach war der Schnittwarenhandel Haupttätigkeitsfeld; einige waren im Handwerk tätig.

Als gemeindliche Einrichtungen gab es eine Synagoge mit Schulraum und ein Frauenbad. Frühere jüdische Bethäuser sollen durch Brände 1650 und 1783 zerstört worden sein. Die zuletzt vorhandene Synagoge stand im Ortsteil „In der Hölle“, wo auch die meisten jüdischen Familien wohnten.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20401/Markt%20Berolzheim%20Synagoge%20121.jpg Synagogengebäude, hist. Aufn. (aus: Sammlung N. Schloss)

Gelegentlich kam der Rabbiner aus Gunzenhausen nach Berolzheim, um hier Gottesdienste abzuhalten. Ein von der Gemeinde angestellter Lehrer nahm auch das Amt des Vorbeters und Schächters wahr.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2089/Berolzheim%20Israelit%2003071872.jpg 

Stellenangebote aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 3. Juli 1872 und vom 5. Nov.1925

Verstorbene Gemeindeangehörige wurden auf den Friedhöfen in Pappenheim und Treuchtlingen beerdigt. 

Anfang der 1930er Jahre unterstand die kleine Gemeinde dem Bezirksrabbinat Ansbach.

Juden in (Markt) Berolzheim:

    --- um 1715 .........................  18 jüdische Familien,

    --- 1812 ............................ 174 Juden (ca. 19% d. Bevölk.),

    --- 1837 ............................ 150   “   (ca. 14% d. Bevölk.),

    --- 1867 ............................ 103   “  ,

    --- 1900 ............................  95   “   (ca. 9% d. Bevölk.),

    --- 1910 ............................  67   “  ,

    --- 1925 ............................  72   “  ,

    --- 1933 ............................  65   “  ,

    --- 1937 ............................  38   “  ,

    --- 1938 (Okt.) .....................  24   “  ,

             (Dez.) .....................  keine.

Angaben aus: Baruch Z.Ophir/F.Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945, S. 196

und                 Markt Berolzheim, aus: alemannia-judaica.de

Zwei Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe (175 bzw. 1903):

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20155/Berolzheim%20Israelit%2008121875.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20303/Berolzheim%20Israelit%2003081903.jpg

http://www.marktberolzheim.de/attach/Geschichte/marktplatz_1900_klein.jpgViehmarkt in Markt Berolzheim, um 1900 (Abb. aus: marktberolzheim.de)

 

Im Markt Berolzheim gab es schon vor 1933 deutliche antisemitische Tendenzen, die nach der NS-Machtübernahme offen zum Ausbruch kamen und zu organisierten Verfolgungen der jüdischen Bevölkerungsminderheit führten. Einzelne jüdische Bewohner wurden dadurch gedemütigt, dass sie bei NS-Aufmärschen unter dem Gejohle der Menge mitmarschieren mussten. Ein Opfer der Demütigungen war auch der jüdische Viehhändler Abraham Löwensteiner, der mit dem Schild „Ich bin die größte Judensau“ durchs Dorf getrieben wurde. Infolge der ständigen Anfeindungen setzte alsbald eine Abwanderung der jüdischen Bewohner ein. Mehrheitlich gingen sie in die Emigration - vor allem in die USA - oder verzogen in deutsche Großstädte.

SA-Trupps aus der nahen Umgebung und Einwohner von Markt Berolzheim brannten in der Nacht zum 10.November 1938 die Synagoge nieder. Obwohl Gewalttätigkeiten auf Weisung des NSDAP-Kreisleiters unterbleiben sollten, wurden jüdische Wohnungen verwüstet und ihre Bewohner misshandelt. Anschließend verbrachte man die in einem „Judenhaus“ Eingesperrten per LKW ins Gefängnis von Gunzenhausen.

Anfang Dezember 1938 lebten bereits keine jüdischen Bewohner mehr in Markt Berolzheim. Keiner von ihnen ist nach Kriegsende wieder nach Berolzheim zurückgekehrt.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden nachweislich 29 aus Berolzheim stammende bzw. hier längere Zeit ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer der "Endlösung" (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/berolzheim_synagoge.htm).

1949 fand vor dem Landgericht Ansbach ein Prozess gegen zehn der am Novemberpogrom 1938 in Markt Berolzheim Beteiligten statt. Fünf von ihnen erhielten Gefängnisstrafen, die übrigen wurden freigesprochen.

 

Seit 1999 erinnert in Berolzheim ein außergewöhnliches Mahnmal des Georgensgmünder Bildhauers Reinhart Fuchs daran, dass der Ort einmal Sitz einer kleinen jüdischen Gemeinde war. Am einstigen Standort der Synagoge „In der Hölle“ - das Gebäude wurde 1939 abgerissen - wird ein Stein in der Form eines Davidsterns von einem stilisierten Dach geschützt. 

   Denkmal (Aufn. Gemeinde Markt Berolzheim)

 

 

 

Weitere Informationen:

Carl Carben, Beiträge zur Ortsgeschichte von Markt Berolzheim a.d.Altmühl, Hrg. Gemeinde Markt Berolzheim, Gunzenhausen 1929

Baruch Z.Ophir/F.Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München 1979, S. 196/197

Israel Schwierz, Steinerne Zeugen jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 155

Heimatverein Markt Berolzheim (Hrg.), Ortschronik Markt Berolzheim, Markt Berolzheim 1998 (Anm.: Fortführung der Chronik von Carl Carben)

Berger/Dittscheid/Hager, Markt Berolzheim, in: Mehr als Steine ... Synagogengedenkband Bayern, Band II: Mittelfranken, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg 2010, S. 416 - 421

Markt Berolzheim, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Textdokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Stefanie Fischer, Ökonomisches Vertrauen und antisemitische Gewalt. Jüdische Viehhändler in Mittelfranken 1919 – 1939, in: A.Brämer/M.Rürup (Hrg.), "Hamburger Beiträge zur Geschichte der deutschen Juden", Band XLII, Wallstein Verlag Göttingen 2014

Martin Lettenmeier (Red.), Daniel Burmann schreibt Chronik wider das Vergessen, in: nordbayern.de vom 8.12.2017 (Anm. mit einem Kapitel über die jüdische Gemeinde)

Daniel Burmann, Juden in Markt Berolzheim. Schicksal einer jüdischen Landgemeinde, 2023

Wolfgang Dressler (Red.), Markt Berolzheim - Der ehemaligen jüdischen Gemeinde ein „Denkmal in Buchform“ gesetzt, in: „Nürnberger Nachrichten“ vom 10.2.2023