Berne (Niedersachsen)

Berne in BRA.svg Berne ist eine Kommune mit derzeit ca. 7.000 Einwohnern im niedersächsischen Landkreis Wesermarsch – ca. 20 Kilometer nordwestlich von Bremen gelegen (Kartenskizze 'Landkreis Wesermarsch', TUBS 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Im Jahre 1771 siedelte sich die erste jüdische Familie im Amt Berne an; es war die des Eljukam B.R. Jehuda, die später den Familiennamen 'Koopmann' annahm und die einflussreichste Familie in Berne war. Elf Jahre später kam ein zweiter Jude hierher; ebenfalls mit einem Schutzbrief ausgestattet durfte er Handel "und sonst den Schutzjuden erlaubtes Gewerbe betreiben". In den Folgejahrzehnten zogen weitere jüdische Familien ins Amt Berne. Seit den 1820er Jahren verfügte die hiesige Judenschaft bereits über gemeindliche Einrichtungen wie eine Schule mit Betraum und Lehrerwohnung. Knapp 20 Jahre später ließ die Gemeinde in der Langen Straße ein Synagogengebäude errichten, das  im August 1840 durch den Oldenburger Landesrabbiner Samson Raphael Hirsch eingeweiht wurde. Für den Neubau hatte die kleine Gemeinde vom oldenburgischen Staat einen Zuschuss erhalten.

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Synagogengebäude links im Bild - Ausschnittsvergrößerung (aus: Enno Meyer, Die Synagogen des Oldenburger Landes)

Ein von der Gemeinde angestellter Lehrer war auch zugleich als Kantor und Schochet tätig. Gegen Ende der 1880er Jahre gab es dann keinen eigenen Lehrer am Ort mehr; Religionsunterricht für die wenigen jüdischen Kinder erteilte fortan ein ortsfremder Lehrer.

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Stellenangebote aus "Allgemeine Zeitung der Judentums" vom 26.Nov. 1867 und aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 13.Sept.1879

Bis ins ausgehende 19.Jahrhundert begrub Judenschaft ihre Verstorbenen auf den Friedhöfen in Delmenhorst, Varel oder Wildeshausen; erst ab der Jahrhundertwende stand ihnen ein Friedhofsareal in Berne zur Verfügung; das Grundstück war (und blieb) in Besitz der Familie Koopmann, die es aber der Gemeinde zur Verfügung stellen musste. 

Die kleine Gemeinde gehörte zum Landrabbinat Oldenburg.

Juden in Berne:

         --- um 1790 ......................... eine jüdische Familie,

    --- 1822 ............................  36 Juden,*    * im Amt Berne

    --- 1837 ............................  41   “  ,

    --- 1850 ............................  28   “  ,

    --- 1873 ............................  64   “  ,

    --- 1907 ............................  25   “  ,

    --- 1910 ............................  18   "  ,

    --- 1925 ............................  11   “  ,

    --- 1933 ............................  14   “  ,

    --- 1939 ............................   3   “  .

Angaben aus: Werner Vahlenkamp (Bearb.), Berne, in: H. Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen .., Bd. 1, S. 211

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Alte Ansichten von Berne (Aufn. aus: PLZ-suche.org)

In den 1860er Jahren erreichte die Berner Gemeinde mit zehn Familien ihren Höchststand. Ihre Mitglieder lebten als Kleinkaufleute und Schlachter in gesicherten ökonomischen Verhältnissen. Die koschere Fleischerei von Gustav Meyer befand sich nur wenige Häuser von der Synagoge entfernt. 

Im letzten Viertel des 19.Jahrhunderts zeichnete sich ein deutlicher Rückgang der Mitglieder ab, die nun ihre wirtschaftliche Zukunft eher in größeren Städten sahen und folglich abwanderten. Zu Beginn der NS-Zeit lebten nur noch sehr wenige Familien am Ort. Wie Juden fast überall in Deutschland, hatten auch die Berner Juden unter den diskriminierenden NS-Maßnahmen zu leiden, die schließlich zur vollständigen Zerstörung ihrer wirtschaftlichen Existenz führten. 1938 verkaufte der letzte Vorsteher der sich auflösenden Gemeinde das Synagogengrundstück; Gottesdienste hatten hier bereits seit etlichen Jahren nicht mehr stattgefunden. Mit dem bescheidenen Erlös konnten einige Berner Juden ihre Emigration nach Südafrika finanzieren. Da das Synagogengebäude zur Zeit des Pogroms bereits in „arischer“ Hand war, blieb es von Zerstörung verschont; allerdings vergriffen sich SA-Angehörige an der Inneneinrichtung, die zerschlagen, herausgeschleppt und auf einer nahgelegenen Freifläche verbrannt wurde.

Im Mai 1940 mussten alle noch in Berne lebenden jüdischen Bewohner ihren Wohnort verlassen. Sieben gebürtige Berner Juden kamen während der NS-Zeit gewaltsam ums Leben (namentliche Nennung der betreffenden Personen siehe: alemannia-judaica.de/berne_synagoge.htm).

 

Das Synagogengebäude ist erhalten geblieben, baulich aber stark verändert worden.

An die kleine jüdische Gemeinde von Berne erinnert heute nur noch der jüdische Friedhof mit seinen sechs Grabsteinen an der Weserstraße im Ortsteil Ranzenbüttel. Angeblich musste nach Kriegsende die Begräbnisstätte von denjenigen wieder hergerichtet werden, die an der Schändung und Zerstörung beteiligt gewesen waren.

 Jüdischer Friedhof Berne (Aufn. MJS-Oldenburg, 2011, in: wikipedia-org, CC BY-SA 3.0)

Das Friedhofsgelände befand sich bis in die jüngste Vergangenheit in Privatbesitz derr in den USA lebenden jüdischen Familie Koopmann; 2014 wurde von dieser das Gelände an den Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen abgetreten, mit der Maßgabe, den Friedhof „in Ehren zu halten“ und zu dokumentieren.

Im Berner Baugebiet Glüsing hat die Kommune der Jüdin Ella Türk eine Straße gewidmet.

Seit 2018 befindet sich vor dem Berner Rathaus ein ca. 2,6 Meter hoher stahlummantelter schmaler Betonquader (nach einer Idee des Künstlers Raymon Müller aus Jade), der als Gedenkstein die Erinnerung an die ehemals in Berne lebenden jüdischen Familien wachhalten soll. Auf einer dort angebrachten Tafel sind die Namen der Familien zu lesen.

           Startseite - ideeGedenkstele (Aufn. Raymon E. Müller, 2018)

 

 

 

Weitere Informationen:

Christa Höxtermann, Juden in der Wesermarsch (Typoskript), Brake 1978

Johannes-Fritz Töllner/Wouter J. van Bekkum/Enno Meyer/Harald Schieckel, Die jüdischen Friedhöfe im Oldenburger Land. Bestandsaufnahme der erhaltenen Grabsteine, in: "Oldenburger Studien", Band 25, Oldenburg 1983, S. 351 – 355

Werner Vahlenkamp, Die Synagoge von Berne, in: Enno Meyer (Hrg.), Die Synagogen des Oldenburger Landes, Oldenburg 1988, S. 15 - 17   

Werner Vahlenkamp, Jüdische Familien in Berne vor und während des Nationalsozialismus, Hrg. Bündnis 90 / Die Grünen, Ortsverband Berne, Berne 1994

Albert Marx, Geschichte der Juden in Niedersachsen, Fackelträger Verlag GmbH, Hannover 1995

Gerd Strachotta, Juden in der Wesermarsch 1933 - 1945, Oldenburg 1997, S. 111 ff.

Werner Vahlenkamp (Bearb.), Berne, in: Herbert Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Wallstein-Verlag, Göttingen 2005, Band 1, S. 211 - 215

Berne (Landkreis Wesermarsch), in: alemannia-judaica.de

Jüdischer Friedhof in Berne, in: alemannia-judaica.de (mit Aufnahmen vom Friedhofsgelände)

Markus Minten (Red.), Durch ein Tor ins Bewusstsein, in: "Nordwest-Zeitung" vom 18.10.2016

Torsten Wewer (Red.), Jüdischer Friedhof. Das Tor zur Erinnerung steht offen, in: „Nordwest-Zeitung“ vom 3.12.2016

Gabriele Bode (Red.), Historie. Schild zeugt von jüdischem Erbe, in: „Nordwest-Zeitung“ vom 27.12.2016

Hannelore Johannesdotter (Red.), Gedenkstele am Rathaus. Erinnerung an Berner Juden, in: „Die Norddeutsche“ vom 6.12.2018

Torsten Wewer (Red.), Gedenkstele vor dem Rathaus enthüllt. Diese Berner sind nicht vergessen, in: „Nordwest-Zeitung“ vom 10.12.2018

Heribert Allerheiligen, Jüdisches Leben in der Gemeinde Berne von 1771 bis 2021, Geest-Verlag, Visbek 2023