Bad Homburg v.d. Höhe (Hessen)
Bad Homburg v.d.Höhe mit derzeit ca. 55.000 Einwohnern ist die Kreisstadt des hessischen Hochtaunuskreises - unweit der Mainmetropole Frankfurt gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: europe1900.eu und Kartenskizze 'Hochtaunuskreis', Hagar 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0 und Karte von 1895, aus: wikipedia.org, gemeinfrei).
Die Gründung einer spätmittelalterlichen jüdischen Gemeinde in Homburg geht auf das Jahr 1335 zurück: In diesem Jahr erhielten zehn jüdische Familien das urkundlich verbriefte Recht, sich hier niederzulassen. In der Stiftungsurkunde von 1335 hieß es:
„ Wir, Lodewig, von Gottes Gnaden römischer Kaiser (Anm: Ludwig der Bayer), zu allen Zeiten Mehrer des Rychs, verliehen ufentlich an diesem Brieff, daß er in der Stadt und uf der Burge zu Steinheim zehen gesessen Judden haben sol und in syme dale und Burge zu Hoenberg auch zehen und in syme dale und Burge zu Eppinstein auch zehen und sol die haben und niessen als gewohnlichen ist, als lange biss an unser Widerrufen und wollen nicht das das an jeman daran hindere, irre, noch beschwere in keynen Weg als lyep in unser hulde sint und drüber zu Urkunde geben wir yn diesen Brief versigelten mit unserem Ingesigel, ... “
(aus dem Manuskript des Gemeinderabbiners Kottek aus dem Jahre 1893)
Ihren Lebensunterhalt verdienten die Juden in Homburg damals als Kaufleute und Geldverleiher. Für die folgenden Jahrhunderte liegen keine Daten über das jüdische Leben am Ort vor, erst ab dem 17.Jahrhundert stehen wieder gesicherte Angaben zur Verfügung.
Homburg v. d. Höhe - Stich von M. Merian 1646/Topograhia Hassiae (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Um das durch den Dreißigjährigen Krieg geschundene Land - die Bevölkerungszahl war stark rückläufig – wieder nach vorn zu bringen, rief der damalige hessische Landgraf gegen Ende des 17.Jahrhunderts neben den Hugenotten auch Juden in seinen Herrschaftsbereich. Jüdische Familien siedelten sich nun auch in Homburg an, und zwar in der Judengasse, die an das alte Ghetto angrenzte.
Zur jüdischen Gemeinde Homburg zählten auch die in den umliegenden Dörfern lebenden jüdischen Familien, darunter die in Seulberg und Gonzenheim. 1737 lebten in Stadt und Amt Homburg 39 Juden, und sie wurden zu dieser Zeit von der Obrigkeit aufgefordert, ihre Häuser in der Altstadt zu verlassen und in die „Judengasse“ umzuziehen; diese verlief entlang der alten Stadtmauer und heißt seit 1880 Wallstraße.
Von 1710 bis Ende der 1750er Jahre bestand in Homburg eine bedeutende hebräische Druckerei, von der aus auch Frankfurter Juden mit religiösen Schriften versorgt wurden.
Bis 1790/1800 hatte sich die Zahl der in Homburg lebenden Juden auf knapp 100 Familien erhöht. Bis ins Jahr 1827 mussten die Homburger Juden für ihren Aufenthalt in der Stadt ein „Judenschutzgeld“ bezahlen; zeitweise wurden sie auch zur Zahlung des „Kleppergeldes“ für den Erhalt des Marstalls herangezogen. Ein Ende der Diskriminierungen brachte erst das Jahr 1848, als der damalige Landgraf Gustav eine „Gesetz, die Regulierung der privatrechtlichen Verhältnisse der Israeliten im Amte Homburg betreffend“ erließ, in dem es u.a. hieß: „ ... Auch in orts- und staatsbürgerlicher Beziehung soll fortan kein Unterschied mehr zwischen unseren christlichen und jüdischen Untertanen stattfinden. ...”
Einen eigenen Rabbiner hatte Homburg zunächst nicht; es unterstand bis in die 1850er Jahre dem Rabbinat in Friedberg. Doch bereits um 1825 war in Homburg ein „Vize-Rabbiner“ angestellt worden, der auch das Amt des Religionslehrers bekleidete.
Ausschreibung der Rabbinerstelle in: "Der treue Zionswächter" vom 29.6.1847
1851 wurde Seligmann Fromm (geb. 1822 in Großlangheim) vom Landgrafen zum "landgräflich hessen-homburgischen Landesrabbiner" ernannt. Er amtierte bis 1875 (danach übernahm er die Stelle eine Hausrabbiners bei Freiherrn Wilhelm Carl von Rothschild). Von 1876 bis 1878 besaß Dr. Samuel Auerbach (geb. 1827 in Bonn) die Rabbinatsstelle. Ihm folgte für fast ein Jahrzehnt Dr. Meier Appel (geb. 1851 in Jesberg) nach.
Ausschreibung der Rabbinatsstelle, in: "Der Israelit" vom 20.9.1886
Auf diese Ausschreibung hin (Anzeige vom 20.Sept. 1886) wurde Dr. Heymann Kotteck (geb. 1860 in Posen) neuer Rabbiner in Homburg; er bekleidete dieses Amt bis in die Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg.
Stellenausschreibung in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6.10.1921
In der Zeit von 1925 bis 1935 amtierte Dr. Wreschner (geb. 1865 in Breslau) als letzter Rabbiner in Homburg.
Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es in Homburg neben dem Rabbiner weitere Personen, die von der Gemeinde angestellt waren, so einen Kantor, Lehrer u. Schächter, wobei diese Ämter teilweise miteinander verknüpft waren.
Stellenangebote der Homburger Gemeinde aus den Jahren 1876 - 1889 - 1901
Seit 1731/1732 gab es gegenüber der Wallstraße eine Synagoge; zuvor waren Gottesdienste in einem Privathaus abgehalten worden. Das Synagogengebäude wurde bis Mitte der 1860er Jahre genutzt.
altes Synagogengebäude (Aufn. Stadtarchiv Homburg v.d.Höhe)
1866 weihte die jüdische Gemeinde in der Elisabethenstraße einen neuen Synagogenbau mit in flachen Zwiebelkuppeln endenden Türmen ein, der dann 1904 nochmals umgebaut wurde.Der große Betraum umfasste mehr als 400 Plätze. Direkt hinter dem Synagogengebäude befand sich das jüdische Gemeindehaus, in dem wochentags Gottesdienste abgehalten wurden. Über die Grundsteinlegung der neuen Synagoge berichtete „Der Israelit” in seiner Ausgabe vom 27.7.1864:
Bad Homburg, 15. Juli (Privatmittheilung) Donnerstag, den 14. d. M. wurde unter großer Theilnahme Seitens des Publikums der Grundstein zu unserer neuen Synagoge gelegt. Der Landgräfliche Geheimrath, als Stellvertreter des Landesfürsten, die Chefs des Hofmarschall-Amts und der Militärbehörden, die Mitglieder der Landes-Regierung, die Geistlichkeit der verschiedenen Culten Homburgs und der Umgebung, die Chefs des Justiz- und Verwaltungsamts, der hiesige Bürgermeister und Mitglieder des Gemeinderats waren als Gäste erschienen und lieferten dadurch den Beweis ihrer Würdigung dieses edlen Strebens. Nachdem der Zug auf dem Bauplatz angelangt war, hielt der allgemein verehrte Herr Rabbiner Fromm eine so gediegene Festrede, daß am Ende derselbe der höchste Vertreter des Fürsten unter Händedruck 'im Namen seines hohen Mandaten' dem Redner seinen tiefgefühlten Dank aussprach und die Versicherung des höchsten Wohlwollens und der Geneigtheit gab. 'Möchte diese Rede denselben Eindruck bei allen Anwesenden hervorrufen, den sie auf mich gemacht,' äußerte der hohe Stellvertreter ferner, und wirklich realisiert sich dieser Wunsch aufs Schönste, denn ein ungeteiltes Verlangen gibt sich unter dem Publikum kund, das dahin geht, diese Rede gedruckt zu sehen. Die Theilnahme der Gemeindeglieder an diesem Baue ist aber auch immer noch eine wachsende, und hat sich die Zahl derer, die durch freiwillig Beiträge zu dem Unternehmen Nichts beitrugen, nur auf drei reduziert. ...
Nach relativ kurzer Bauzeit wurde die neue Synagoge im November 1866 eingeweiht. Zur Finanzierung des Baues hatten u.a. die Spielbank, die Staatskasse, die Stadt Bad Homburg, Kurgäste und der Landgraf von Hessen beigetragen.
neue Synagoge (links: hist. Postkarte - rechts: hist. Aufn., aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Innerhalb der Homburger Gemeinde kam es zwischen dem orthodoxen Flügel und den „Reformjuden“ zu erheblichen Spannungen, die bis zu persönlichen Diffamierungen reichten. Schließlich gelang es den „Liberalen“, die Oberhand zu gewinnen. Der Religionsunterricht der jüdischen Kinder fand in einer kleinen zweiklassigen Schule statt, sie bestand aber nur so lange, bis die „Allgemeine Bürgerschule“ in Homburg diese Aufgaben übernahm.
Ein jüdischer Friedhof, der auch von den Juden aus Oberursel genutzt wurde, existierte vermutlich bereits im 17.Jahrhundert; die letzte Bestattung soll 1790 hier stattgefunden haben. Danach wurden die Toten bis ca. 1865 auf einem Gelände bei Seulberg begraben, auf dem auch Juden der umliegenden Ortschaften ihre letzte Ruhe fanden. Der dann seit Mitte der 1860er Jahren genutzte jüdische Friedhof am Gluckensteinweg (mit einer 1884/85 neu errichteten Trauerhalle) ist bis heute erhalten geblieben; auf ihm findet man auch Gräber von Juden aus England und Russland, die während ihres Kuraufenthaltes hier verstorben sind.
Jüdischer Friedhof und Trauerhalle, Gluckensteinweg (Aufn. K., 2011, aus: wikipedia.org, CCO)
Juden in (Bad) Homburg:
--- 1617 ........................ ca. 20 jüdische Familien,*
--- 1772 ............................ 56 “ “ ,* * Stadt/Amt
--- 1790 ............................ 75 “ “ ,*
--- 1803 ............................ 105 “ “ ,
--- 1814 ............................ 77 “ “ (mit 424 Pers.)
--- 1865 ........................ ca. 600 Juden,
--- 1925 ............................ 475 “ (ca. 3% d. Bevölk.),
--- 1933 ........................ ca. 350 “ (in ca. 100 Familien),
--- 1937 ........................ ca. 60 jüdische Familien,
--- 1938 ............................ 71 Juden,
--- 1943 (Juni) ..................... keine.
Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 392
Luisenstraße, um 1900 (aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Die Blütezeit der jüdischen Gemeinde von Bad Homburg reichte von der 2. Hälfte des 19.Jahrhunderts bis in die Zeit um 1920 und stand im engen Zusammenhang zu dem Kur- und Badewesen der Stadt. Nach dem Ersten Weltkrieg zogen etliche begüterte russische Juden nach Bad Homburg.
Anzeigen jüdischer Hotels/Gaststätten:
Anm.: Im Dr. Goldschmidt Taunus-Sanatorium wurde 1928 eine eigene kleine Synagoge eingeweiht, die einen bis dato bestehenden Betraum ablöste.
Die meisten Homburger Juden waren Kaufleute, die mit ihren Kaufhäusern, Modegeschäften und sonstigen Läden vor allem in der Hauptgeschäftsstraße, der Louisenstraße, ansässig waren. Auch einige Hotels hatten jüdische Inhaber und 1910/1911 eröffnete ein großes, rituell geführtes Sanatorium.
Erste Übergriffe begannen in Bad Homburg ab Mitte März 1933, als in der Synagoge Fensterscheiben eingeworfen wurden. Bereits Tage vor dem reichsweiten Boykott besetzten SA-Angehörige vorübergehend die Eingänge jüdischer Geschäfte, um „eine Abwehr gegen die ausländischen Greuelmärchen” zu bilden. Am 1.April 1933 wurde der Boykott „erfolgreich“ fortgesetzt. Im Jahr 1937 zählte die jüdische Gemeinde noch etwa 60 Familien. Rund 40 hatten in den vergangenen vier Jahren den Ort verlassen, die meisten waren emigriert. Begleitet war dies von einem Prozess der „Arisierung“ jüdischer Firmen und jüdischen Grundbesitzes. Seit der Saison des Jahres 1938 gab es auch „Sonderbestimmungen für Juden in Bad Homburg“, die durchsetzen sollten, dass „die in- und ausländischen Juden ... daran gehindert werden, den deutschen und arischen Besucherkreis im Bad” zu belästigen. So durften jüdische Badegäste nur in jüdischen Kuranstalten und Pensionen unterkommen und konnten allgemeine Kureinrichtungen nicht mehr bzw. nur noch zu bestimmten Zeiten nutzen.
Nach der Zerstörung der Synagoge im November. 1938 - sie wurde von SA-Männern mit Benzin in Brand gesteckt und brannte völlig aus - fand der Gottesdienst für die nur noch etwa 70 verbliebenen Juden in einem Privathaus statt. Das Synagogengebäude wurde im Frühjahr 1939 von einer Wehrmachtseinheit gesprengt. Auch der jüdische Friedhof am Gluckensteinweg wurde damals geschändet (erstmals bereits Ende 1934); zahlreiche Grabsteine wurden umgeworfen und z.T. schwer beschädigt.
Brennende Synagoge (Aufn. 10.11.1938)
zerstörte Synagoge (Stadtarchiv)
Einen Tag nach der Zerstörung der Synagoge wurden die jüdischen Männer aus ihren Wohnungen geholt und unter Schmähungen zum Bahnhof geführt, von wo aus sie über Frankfurt/M. ins KZ Buchenwald verschleppt wurden.
Am 11.11.1938 berichtete der „Taunusbote”:
Empörung und Abscheu gegen die Mordtat des Juden Grünspan. Wie in vielen anderen Städten des Reiches ... hatten sich ... auch in Homburg der Bevölkerung eine starke Erregung gegen die Rassegenossen des feigen Mörders bemächtigt. Es kam verschiedentlich zu Vergeltungsmaßnahmen. In der Synagoge brach Feuer aus, das reiche Nahrung an dem vielen Gebälk des Innenraumes fand. Trotz des Einschreitens der Feuerwehr konnte das Gebäude nicht mehr gerettet werden, die Wehr mußte sich vielmehr auf den Schutz der umliegenden Häuser beschränken. Kuppel, Dachstuhl und die Spitzen der vier Türme stürzten in den Mittagsstunden ein, das in den Innenraum gestürzte Gebälk brannte bis in die Nachtstunden. Mit diesem Sturm der Empörung und Entrüstung hat auch die Homburger Einwohnerschaft bekundet, daß sie fortan mit Juden nicht mehr zusammenleben will und daß in unserer Stadt kein Platz mehr ist für die Rassegenossen feiger und hinterlistiger Meuchelmörder.
Die noch verbliebenen jüdischen Einwohner wurden im Juni bzw. Ende August 1942 via Frankfurt/M. deportiert; die letzten vier mussten im Mai 1943 den Weg in die Deportation antreten.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden mehr als 100 gebürtige bzw. längere Zeit in Bad Homburg wohnhaft gewesene jüdische Bürger Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/bad_homburg_vdh_synagoge.htm).
Um 1970 lebten in Bad Homburg elf Bürger jüdischen Glaubens. Ab den 1990er Jahren setzte dann ein Zuzug aus den Nachfolgestaaten der UdSSR ein, so dass die Zahl der jüdischen Bewohner auf mehrere hundert anstieg. Die aus ca. 600 bis 700 Angehörigen bestehende Gemeinde setzt sich fast ausschließlich aus russisch-sprechenden Juden zusammen; etwa 300 leben in Bad Homburg, 200 in Oberursel, 100 in Friedrichsdorf und in weiteren Orten im Hochtaunuskreis (Stand 2014).
Eine Gedenktafel an der Volkshochschule erinnert heute an die Zerstörung der Synagoge in der Elisabethenstraße/Wallstraße, ihre Inschrift lautet:
Jüdische Mitbürger bauten diese Schule hinter ihrem Gotteshaus im Jahre 1877.
Generationen junger Menschen wurden hier erzogen.
Verbrechen und Unverstand zerstörten die Synagoge am 9.November 1938 und mißbrauchten die Schule.
Am 22.Januar 1956 übernahm der Volksbildungskreis das Haus, um darin für Verständnis und Toleranz zu wirken.
Eine zweite Gedenktafel erinnert an die einstige jüdische Schule:
Vor diesem Haus stand die Synagoge der jüdischen Gemeinde Bad Homburg.
Erbaut von Christian Holter, eingeweiht am 9.November 1866.
In Brand gesetzt und zerstört am 10.November 1938.
Ein im November 1988 eingeweihtes Denkmal in unmittelbarer Nähe des Synagogenstandorts ist den ermordeten jüdischen Bewohnern des Ortes und allen anderen Opfern der NS-Gewaltherrschaft gewidmet. Das Mahnmal aus rotem Sandstein - entworfen vom Bildhauer Hendrikus Godding - bildet die Form der drei Fassadenfenster der ehemaligen Synagoge nach. Auf Bronzeplatten sind die Namen von 81 Homburger Juden zu lesen, die Opfer der Shoa wurden.
Mahnmal für die Shoa-Opfer (Aufn. J. Hahn, 2008)
Namenstafeln (Aufn.Stefan Haas)
Seit 2018 trägt die Freifläche vor der ehemaligen Synagoge nun den Namen „Platz der ehemaligen Synagoge“. Am 80.Jahrestag der Zerstörung der Synagoge in der Elisabethenstraße wurde in Bad Homburg ein neues jüdisches Gemeindezentrum am Töpferweg eröffnet.
Jüdisches Gemeindezentrum (Aufn. faz.net/aktuell vom 8.11.2018)
Die Mitglieder des jüdischen Zentrums Bad Homburg (etwa 350 Personen) gehören aber weiterhin zur jüdischen Gemeinde Frankfurt/Main.
2021 wurde mit dem Neubau einer Mikwe begonnen, die als gemeindliche Einrichtung künftig den Homburger Juden zur Verfügung stehen wird.
Anlässlich des 75.Jahrestages des Novemberpogroms wurde in der Eingangshalle des Bad Homburger Bahnhofs eine Gedenktafel enthüllt, die an die 1942/1943 deportierten jüdischen Bürger erinnert.
Der jüdische Friedhof am Gluckensteinweg (Aufn. K., 2011, aus: wikipedia.org, CCO) - er umfasst eine Fläche von ca. 2.700 m² - macht derzeit einen sehr gepflegten Eindruck; auf dem Gelände findet man auch einige Gräber verstorbener ausländischer Kurgäste. Mit hohem Kostenaufwand wurde die Trauerhalle umfassend saniert und in einen Zustand gebracht, wie er in den 1920er Jahren war.
Auf dem Friedhof in Ober-Eschbach wurde jüngst ein bisher noch nicht genutztes Gräberfeld für die Bestattung von Angehörigen der jüdischen Gemeinde Bad Homburg v. d. Höhe zur Verfügung gestellt (2023).
Nach längeren kontroversen Diskussionen wurde 2016 mit der Verlegung der ersten elf sog. „Stolpersteine“ begonnen; ihre drei Standorte sind Wallstraße (ehemalige Judengasse), Obergasse und Kaiser-Friedrich-Promenade, wo ehemals jüdische Familien lebten, die 1942 aus Bad Homburg deportiert wurden. Im Frühjahr 2017 wurden weitere 14 Steine verlegt; so sollen diese u.a. an Moses Herz, den Kantor der Homburger jüdischen Gemeinde, und an die hiesige Bankiersfamilie Rothschild erinnern. 2021 kamen weitere 13 Stolpersteine hinzu, die u.a. ehemals fünf in der Dorotheen-/Louisenstraße wohnhaft gewesenen Jüdinnen gedenken.
Aufn. aus: stolpersteine-badhomburg.de
verlegt in der Louisenstraße (Aufn. A.Tewes, 2021, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
und Ferdinandstraße
Steine für ein Ehepaar, das kurz nach der Befreiung starb (aus: wikipedia.org, CCO)
Bei einer 6. Verlegeaktion (2022) wurden in der Louisenstraße weitere Steine verlegt; diese sollen die Erinnerung an Angehörige der Familie Ackermann wachhalten. Ein Jahr später fanden sieben Steine an zwei Standorten ihren Platz in der Gehwegpflasterung: fünf für Angehörige der Familien Miltenberg und zwei für das Ehepaar Groß. Derzeit sind nun im Stadtgebiet ca. 70 Gedenkquader aufzufinden, nachdem jüngst neun weitere Steine hinzukamen (Stand 2024).
Im Dorfe Ober-Erlenbach - heute ein Ortsteil von Bad Homburg - existierte bis Mitte der 1920er Jahre eine kleine Kultusgemeinde. Um 1810 gehörten ihr fünf Familien an; Ende der 1870er Jahre zählte die jüdische Gemeinde Ober-Erlenbach mit Nieder- und Obereschbach ca. 50 Angehörige. Zu den gemeindlichen Einrichtungen zählte eine kleine Synagoge (an der Bornstraße), die erstmals um die Mitte des 19.Jahrhunderts erwähnt ist. Verstorbene wurden auf dem jüdischen Friedhof im nahen Burgholzhausen beerdigt.
(vgl. dazu: Rodheim v.d.Höhe)
Nach dem Ersten Weltkrieg war die winzige Gemeinde in Auflösung begriffen; Mitte der 1920er Jahre lebten im Dorf nur noch fünf Personen mosaischen Glaubens; diese waren nun der Gemeinde Rodheim v.d.Höhe angeschlossen. In den 1930er Jahren wohnte nur noch die Familie Jordan in Ober-Erlenbach.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden fünf aus Ober-Erlenbach stammende Juden Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/ober-erlenbach_synagoge.htm).
Seit 1988 weist eine unscheinbare Hinweistafel auf das ehemalige Synagogengebäude und die einstige kleine jüdische Gemeinschaft hin. Wenige Meter davon entfernt findet man eine Stele mit dort angebrachter Gedenktafel, die an die Deportationen der Familie Jordan (1942) erinnert
Gedenktafel für Familie Jordan (Aufn. 2016, aus: commons.wikimedia.org, CCO)
In der nahen Ortschaft Seulberg, heute ein Ortsteil von Friedrichsdorf, gab es ebenfalls eine kleine jüdische Landsynagogengemeinde, die ca. 12 bis 15 Familien zählte und nur von 1833 bis 1866 selbstständig war. Während dieses Zeitraums zählten auch die Juden aus Köppern zur Gemeinde. Das Zusammenleben mit der christlichen Bevölkerung muss anfänglich relativ gut gewesen sein, was die Tatsache belegt, dass 1834 der Wunsch laut wurde, die Zahl der jüdischen Familien im Dorf zu erhöhen. Doch auch Konflikte prägten die Beziehungen zwischen Christen und Juden am Ort: diese eskalierten in den sog. „Seulberger Judenkrawallen“ (1848), die durch einen Schiedsspruch ausgelöst wurden, wonach den jüdischen Einwohnern die gleichen 'Holzrechte' zugestanden wurden wie den christlichen. Erst der Einsatz von Militär beendete die gewaltsame Konfrontation; doch Spannungen zwischen den „Parteien“ blieben weiter bestehen.
Kleinanzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29.6.1864
Als gegen Mitte des 19.Jahrhunderts keine regelmäßigen Gottesdienste mehr abgehalten werden konnten und das Gemeindeleben im Niedergang begriffen war, löste man die Kultusgemeinde Seulberg-Köppern offiziell auf. Die wenigen jüdischen Familien schlossen sich nun der großen, finanzkräftigen Nachbargemeinde Homburg an. Der relativ große jüdische Friedhof am Hardtwald - erstmalig um 1580 urkundlich erwähnt - ist das einzige Relikt der jüdischen Geschichte Seulbergs; dieser hatte seit dem ausgehenden 17.Jahrhundert auch Verstorbenen aus Holzhausen, Homburg, Köppern, Oberursel, Rodheim und Seulberg als Ruhestätte gedient, solange die Orte noch keine eigenen Friedhöfe besaßen.
Heute findet man auf dem bewaldeten Areal noch ca. 200 Grabsteine, die zumeist aus dem 18. und 19.Jahrhundert stammen.
Jüdischer Friedhof in Seulberg (Aufn. J. Hahn, 2008 und K. Ratzke, 2011, aus: wikipedia.org, CCO)
Weitere Informationen:
H. Kottek, Geschichte der Juden in Bad Homburg, Bad Homburg 1931
Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 391 ff. und Bd. 2, S. 252/253
Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder - Dokumente, Eduard Roether Verlag, Darmstadt 1973, S. 96 – 98
Friedrich Lotz, Geschichte der Stadt Homburg vor der Höhe (Band II), Frankfurt/M. 1972, S. 152 f. und S. 379 f.
Harro Kieser, Die Synagoge in Bad Homburg - anläßlich des 40.Jahrestages ihrer Zerstörung, in: "Alt-Homburg", No. 11/1978, S. 182/183
Adrian Clemens, Zum 40. Jahrestag der sog. „Kristallnacht“. Mahnung und Versöhnung - über das Verhältnis Bad Homburgs zum Judentum heute, in: "Alt-Homburg", No.21/1978, S. 206 f.
Sophoni Herz, Meine Erinnerung an Bad Homburg und seine 600jährige jüdische Gemeinde (1335 - 1942), Rechovoth 1981 (Selbstverlag)
Angelika Baeumerth, Seit 1335 Juden in Homburg, in: 1200 Jahre Bad Homburg v.d.Höhe, 1982, S. 60 – 62
Herbert Zimmermann, Ein hessisch-homburgischer Judenfriedhof bei Seulberg, in: "Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Landeskunde Bad Homburg", Heft 35/1982, S. 77 - 83
Angelika Baeumerth, “Es wimmelt von Fremden aller Nationen”. Ansichtspostkarten aus Homburg 1888 - 1928, Marburg 1984
Heinz Grosche, Geschichte der Stadt Homburg vor der Höhe (Band III), Frankfurt /M. 1986, S. 112 ff. und S. 576 ff.
Hans-Peter Schwarz (Hrg.), Die Architektur der Synagoge, Ausstellungskatalog Dt. Architekturmuseum Frankfurt/M., Frankfurt/M. 1988, S. 240
Brunhilde Hoffmann, Es geschah mitten unter uns. Das Schicksal der jüdischen Familie Jordan in Ober-Erlenbach, o.O. 1988
Alfred Biallas, Die Zerstörung der Bad Homburger Synagoge. „Ein dunkler Punkt in der Elisabethenstraße verschwunden“, in: "Alt-Homburg", 32/1989, Heft 4, S. 8 - 11
Heinz Grosche, Geschichte der Juden in Bad Homburg vor der Höhe 1866 bis 1945, in: Geschichte der Stadt Bad Homburg v.d.Höhe (Sonderband), Hrg. Magistrat der Stadt Bad Homburg, Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt/M. 1991
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 - 1945, Hessen I: Regierungsbezirk Darmstadt, VAS-Verlag, Frankfurt/M. 1995, S. 182 - 184
(Bad) Homburg v.d.Höhe, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Seulberg mit Köppern, in: alemannia-judaica.de
Klaus Hesse/Philipp Springer, Vor aller Augen - Fotodokumente des nationalsozialistischen Terrors in der Provinz, Klartext Verlag, Essen 2002, S. 102 (Abb. 138 - 140)
Barbara Dölemeyer, Zum Schicksal der Bad Homburger jüdischen Rechtsanwälte in der NS-Zeit, in: "Alt-Homburg", 47/2004, Heft 10, S. 4f.
Martina Propson-Hauck (Red.), Jüdischer Friedhof. Trauerhalle gehört zur „Seele der Stadt“, in: „Frankfurter Rundschau“ vom 2.9.2010
Harro Kieser, Jüdische Erinnerungsstätten in Bad Homburg, 2011 (online abrufbar unter: gemeinschaftskreis-unser-homburg.de)
Birgit Seemann (Bearb.), Jüdische Orte der Kur – die Sanatorien Dr. Pariser, Dr. Rosenthal und Dr. Goldschmidt in Bad Homburg, online abrufbar unter: juedische-pflegegeschichte.de/beitraege/institutionen/krankenpflege/juedische-orte-der-kur-bad-homburg/ ( 2014/2016)
Andrea Herzig (Red.), Jüdische Gemeinde in Bad Homburg. Neue Pläne für das Gemeindehaus, in: „Frankfurter Rundschau“ vom 6.5.2014
vhs-Geschichtswerkstatt (Bearb.), Aspekte jüdischen Lebens in Bad Homburg, hrg. vom Magistrat der Stadt Homburg, Verlag Imhof, Petersberg 2016
Anke Hillebrecht (Red.), Neue Erkenntnisse aus alten Schriften. Autoren stellen Buch zu „Aspekte jüdischen Lebens in Bad Homburg“ vor, in: „Taunus-Zeitung“ vom 24.3.2016
Andrea Herzig (Red.), Erste Stolpersteine für Bad Homburg, in: „Frankfurter Rundschau“ vom 17.5.2016
Alexander Wächtershäuser (Red.), Namen vergisst man nicht, in: „Taunus-Zeitung“ vom 19.5.2016 (betr. „Stolpersteine“)
Andrea Herzig (Red.), Bad Homburg: Historie auf Handy, in: „Frankfurter Rundschau“ vom 10.10.2016
Alexander Wächtershäuser (Red.), 14 neue Stolpersteine, in: „Taunus-Zeitung“ vom 2.3.2017
Auflistung der in Bad Homburg verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Bad_Homburg_vor_der_Höhe
Torsten Weigelt (Red.), Neue Synagoge wird eingeweiht, in: „Frankfurter Rundschau“ vom 7.11.2018
Heike Lattka (Red.), Erster Mikwe-Neubau seit 1945, in: „Frankfurter Allgemeine“ vom 19.2.2021
Eugen El (Red.), Bad Homburg. Projekt von historischer Dimension, in: „Jüdische Allgemeine“ vom 11.3.2021 (betr. Neubau einer Mikwe)
Jochen Reichwein (Red.), Neue Stolpersteine für Bad Homburg. Sichtbare Spuren im Herzen der Stadt, in: „FNP – Frankfurter Neue Presse“ vom 7.9.2021
Priedemuth (Red.), Dem Gedenken einen Ort geben – Neue Stolpersteine auf der Louisenstraße erinnern an Familie Ackermann, in: "Frankfurter Rundschau“ vom 18.10.2022
N.N. (Red.), Bad Homburg. Gunter Demnig verlegt Stolpersteine, in: „Bad Homburger Woche – Taunus-Nachrichten“ vom 20.9.2023
Florian Neuroth (Red.), Kleine Denkmäler gegen das Vergessen, in: „FNP - Frankfurter Neue Presse“ vom 29.9.2023
Bad Homburg vor der Höhe/Pressestelle, Jüdische Gemeinde erhält eigenes Grabfeld, in: „Aktuelles“, Stadt Bad Homburg vom 21.12.2023
kaske (Red.), Rose und Stein für jeden Menschen, in: „Frankfurter Rundschau“ vom 12.9.2024 (betr. Stolpersteinverlegung)