Archshofen/Tauber (Baden-Württemberg)

Datei:Creglingen im Main-Tauber-Kreis.png Archshofen ist seit seiner Eingemeindung (1972) ein Stadtteil von Creglingen im Main-Tauber-Kreis – zwischen Rothenburg o.T. und Bad Mergentheim gelegen (Kartenskizze 'Main-Tauber-Kreis', F. Paul 2009, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Eine erste urkundliche Nennung von Juden in Archshofen geht auf das Jahr 1696 zurück, als die Ortsherrschaft, die Familie von Winzingerode, jüdische Familien gegen Zahlung eines jährlichen Schutzgeldes aufnahm. Auch die nach ihr herrschende Familie von Oettinger erlaubte Juden den Zuzug ins Dorf, wobei ausnahmslos monetäre Gesichtspunkte im Vordergrund standen: So etwa sollen die Abgaben einer Schutzjudenfamilie das Vierfache (!) einer christlichen Familie betragen haben. Haupterwerb der Archshofener Juden war von Anfang an der Viehhandel, später kam der Hausierhandel hinzu.

Anfänglich suchten die Archshofener Juden die Synagoge in Creglingen auf; seit ca. 1720 stand im Ort ein eigener Betraum in einem Privathaus zur Verfügung. Seit ca. 1740 gab es dann auch in Archshofen, zwischen Dorfplatz und Tauber, eine Synagoge, in der später auch die jüdische Schule untergebracht war und die rund 60 Jahre später durch einen Neubau bzw. völligen Umbau ersetzt wurde. Die recht hohen Baukosten wurden durch Spenden der Gemeindeangehörigen, durch kommunale/staatliche Zuschüsse und durch den Verkauf der Synagogenplätze und zudem durch Aufnahme eines Darlehens getragen. Auch der württembergische König beteiligte sich mit einer Spende (siehe: Artikel).

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20178/Archshofen%20Israelit%2009081865.jpg aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9.8.1865

    Synagoge, Aufn. 1932 (Landesarchiv, aus: commons.wikimedia.org, CC BY.SA 4.0)

In diesem Gebäude befand sich zu einem späteren Zeitpunkt auch eine Mikwe, die durch den Mühlkanal gespeist wurde. Die Archshofener Synagoge wurde zeitweise auch von den wenigen Juden aus Craintal aufgesucht. Seit 1840 befand sich am Ort eine jüdische Elementarschule; die Konfessionsschule bestand bis ca. 1910.

  https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20463/Archshofen%20Israelitisches%20Familienblatt%2019040922.jpg

Stellenangebote von 1901 und 1904 (aus: "Der Israelit" bzw. Israelitisches Familienblatt")

Als die Zahl der Gemeindeangehörigen bereits stark rückläufig war und nur noch etwa 50 Personen betrug, weihte die Gemeinde eine neue Thorarolle ein, wie in der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 29.6.1911 berichtet wurde:

Archshofen (Württb), 15. Juni. Letzten Sonntag feierten wir hier die Einweihung einer neuen Thorarolle. Der Festgottesdienst wurde mit Gesang und einer Ansprache des Herrn Lehrers Wolf eröffnet. Umzüge in der Synagoge mit sämtlichen Thorarollen unter entsprechenden Gesängen, Rezitationen und eine Predigt des Herrn Bezirksrabbiners Dr. Schweizer füllten den dreistündigen Gottesdienst, der mit dem Mussaphgebete schloß, aus. Sämtliche Gemeindemitglieder wurden zur Thora gerufen. Am Abend fand eine bis in die Morgenstunden des Sonntags dauernde Unterhaltung, an welcher auch die Spitzen der bürgerlichen Behörde teilnahmen, statt. Rezitationen wechselten mit Reden heiteren und ernsteren Inhalts in bunter Reihenfolge miteinander ab. Die Festrede wurde von dem Lehrer der Gemeinde, Herrn Wolf, gehalten, der darauf hinwies, was die Thora unseren Vätern war, und was sie uns sein soll. Die Grüße der christlichen Kirchengemeinde wurde von dem Ortsgeistlichen, der besonders auf das schöne Verhältnis, das zwischen den Bekennern der verschiedenen Konfessionen in Archshofen bestehe, hinwies, überbracht. Auch der würdige und auf die Eintracht in seiner Gemeinde bedachte Ortsvorstand, Schultheiß Fleischmann, beteiligte sich an der Feier. Sämtlichen Teilnehmern wird das schöne Fest, das durch keinen Mißton gestört wurde, in Erinnerung bleiben.

Ihre verstorbenen Gemeindemitglieder beerdigten die Archshofener Juden vor allem in Creglingen, aber auch in Niederstetten.

Die Vermutung, dass in früheren Zeiten ein Beerdigungsareal nahe des Ortes bestanden haben könnte, bestätigt eine südlich des Dorfes liegende Flur mit der Bezeichnung „Judenkirchhof“.

Bis in die Zeit des Ersten Weltkrieges unterstand Archshofen dem Rabbinat Weikersheim, danach dem Rabbinat Mergentheim.

Juden in Archshofen:

       --- 1777 ..........................  13 jüdische Familien,

    --- 1812 ..........................  80 Juden,

    --- 1824 ..........................  98   “  ,

    --- um 1845 ................... ca. 145   “  (ca. 30 Familien),

    --- 1869 .......................... 137   “  ,

    --- 1886 ..........................  91   “  ,

    --- 1910 ..........................  55   “  ,

    --- 1933 ..........................  23   “  ,

    --- 1941/42 .......................   6   “  ,

    --- 1943 ..........................   keine.

Angaben aus: Utz Jeggle, Judendörfer in Württemberg, S. 327

    Dorfansicht Archshofen - um 1900 (aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

                   In den letzten Jahrzehnten des 19.Jahrhunderts war eine starke Abwanderung zu verzeichnen, die sich nach 1900 weiter fortsetzte.

  http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20178/Archshofen%20Israelit%2024071890.jpg Stellengesuch in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Juli 1890

Zu Beginn der 1930er Jahre lebten nur noch wenige jüdische Familien in Archshofen; zumeist bestritten sie ihren Lebensunterhalt vom Viehhandel.

Das Synagogengebäude, das schon mehrere Jahre nicht mehr in Gebrauch war, wurde während des Novemberpogroms von 1938 beschädigt. In den nachfolgenden Jahrzehnten diente es als Lagerraum, als Feuerwehrgerätehaus und als Gemeinschaftsraum für lokale Vereine. Offiziell wurde die Kultusgemeinde Archshofen im Jahre 1939 aufgelöst. Die letzten fünf jüdischen Einwohner Archshofens wurden 1941/42 deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ sind nachweislich 26 gebürtige bzw. längere Zeit In Archshofen ansässig gewesene Personen jüdischen Glaubens der NS-Herrschaft zum Opfer gefallen (namentliche Nennung der betreffenden Personen siehe: alemannia-judaica.de/archshofen_synagoge.htm)

 

An dem Gebäude der einstigen Archshofener Synagoge informiert eine Bronzetafel über die wechselvolle Geschichte des Hauses:

Ehemaliger Eselstall, vermutlich 1796 zur Synagoge umgebaut

1821 Tauchbad für Frauen eingerichtet

1865 und 1912 Restaurierungen der Synagoge

ab 1933 nicht mehr als Synagoge genutzt

1941 durch Gemeinderatsbeschluß von der Gemeinde erworben,

rechtmäßige Eigentümerin erst 1951, im Besitz der Gemeinde bis 1985

seit 1985 Vereinsheim des Kleintierzüchtervereins Archshofen

 Die Gebotstafeln aus der ehemaligen Synagoge Archshofen befinden sich heute im Jüdischen Museum in Creglingen (Abb. Jüdisches Museum Creglingen).

 

[vgl. Creglingen (Baden-Würtemberg)]

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale, Geschichte, Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, W.Kohlhammer Verlag Stuttgart 1966, S. 27 - 29

Utz Jeggle, Judendörfer in Württemberg, Dissertation (Universität Tübingen), Nagold 1969

Die Juden in Tauberfranken 1933 - 1945. Quellen und didaktische Hinweise für die Hand des Lehrers, Hrg. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, 1984

Erich Bauer, Die Geschichte der jüdischen Minderheit in Archshofen, Zulassungsarbeit zur Fachgruppenprüfung in Geschichte (1964), o.O. 1985

Joachim Hahn, Synagogen in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1987, S. 40

Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 336 - 338

N.N. (Red.), Gesetzestafeln wurden übergeben – Ausstellungsobjekt für das Jüdische Museum aus Archshofen, in: „Tauber-Zeitung“ vom 5.2.2002

Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 84 - 87 

Archshofen mit Craintal und Waldmannshofen, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Text- und Bilddokumenten zur jüdischen Ortshistorie

Barbara Distel, Archshofen - Theresienstadt - Treblinka. Die Deportation der letzten drei jüdischen Mitbürger aus dem heutigen Creglinger Teilort vor 70 Jahren, in: "Württembergisch Franken", hrg. vom Historischen Verein für Württembergisch Franken, Band 97/2012