Stein/Kocher (Baden-Württemberg)

Heilbronn (Landkreis) Karte Stein am Kocher - mit derzeit ca. 2.500 Einwohnern - ist seit 1972 ein Ortsteil von Neuenstadt/Kocher im Landkreis Heilbronn (Kartenskizze 'Landkreis Heilbronn', aus: ortsdienst.de/baden-wuerttemberg/landkreis-heilbronn).

 

Seit Ende des 17.Jahrhunderts liegen urkundliche Hinweise auf jüdisches Leben in Stein vor; das unter zwei Ortsherrschaften stehende Dorf (den Herren von Dalberg und denen von Gemmingen) beherbergte in den 1720/1730er Jahren etwa zehn jüdische Familien, die vom Vieh- und Kleinwarenhandel lebten. Etwa ein Jahrhundert später erreichte die Gemeinde mit ca. 130 Angehörigen ihren zahlenmäßigen Höchststand. Die Familie Gumbel, die als Bankiers in Heilbronn tätig waren, gehörte zu den bekanntesten jüdischen Familien in Stein.

Zu den Einrichtungen der jüdischen Gemeinde gehörten ein Friedhof an der Straße nach Kreßbach (seit ca. 1810), eine Synagoge in der Grabengasse und ein Frauenbad. Zuvor wurden die Verstorbenen in Neudenau oder Neckarsulm begraben.

 http://www.alemannia-judaica.de/images/Images5/Stein%20Friedhof02.jpgjüdischer Friedhof in Stein/Kocher (J. Hahn, um 1985, aus: alemannia-judaica.de)

Bis gegen Mitte des 19.Jahrhunderts konnte sich die Gemeinde die Bezahlung eines eigenen Lehrers/Kantors leisten. Doch mit der zunehmenden Abwanderung der Gemeindeangehörigen und der damit verbundenen schlechter gewordenen finanziellen Lage der nun stark verkleinerten Gemeinde wurde ein Lehrer nur noch stundenweise verpflichtet (siehe Anzeige von 1879).

 

Anzeigen aus "Großherzogliches Badisches Anzeige-Blatt für den See-Kreis" vom 11.8.1849 und der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11.6.1879

Die Judenschaft Steins war seit den 1820er Jahren dem Rabbinat Mosbach zugeordnet.

Juden in Stein a. Kocher:

         --- um 1720 .......................   9 jüdische Familien,

    --- 1809 ..........................  15     “        “   ,

    --- 1824 ..........................  94 Juden (ca. 10% d. Bevölk.),

    --- 1841 .......................... 129   “  ,

    --- 1875 ..........................  48   “  ,

    --- 1900 ..........................  15   “  ,

    --- 1925 ..........................  12   “  ,

    --- 1933 ..........................  10   “  ,

    --- 1937 ..........................   4   “  ,

    --- 1940 (Nov.) ...................   keine.

Angaben aus: W.Angerbauer/H.G.Frank, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn, S. 227

 

Nach 1850/1860 war innerhalb nur weniger Jahrzehnte durch Ab- und Auswanderung die einst relativ ansehnliche Gemeinde fast bedeutungslos geworden. Zu Beginn der NS-Zeit lebten in Stein nur noch zehn Bewohner mosaischen Glaubens, die eine Viehhandlung und ein Textilwarengeschäft betrieben. Dies mag auch der Grund dafür gewesen sein, dass es hier zu keinen antijüdischen Ausschreitungen gekommen ist. Die jüdische Gemeinde in Stein wurde 1937 offiziell aufgelöst und die wenigen verbliebenen Personen der Gemeinde in Billigheim zugewiesen; zu diesem Zeitpunkt war die „Judenschule“ bereits verkauft worden.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind acht in Stein gebürtige bzw. längere Zeit hier wohnhaft gewesene Juden Opfer des Holocaust geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/stein_am_kocher_synagoge.htm).

Synagoge (schwarzes Dach) inmitten der Bebauung (Aufn. Friedrich Schlaghoff)

1945 wurde das ehemalige Synagogengebäude durch Kriegseinwirkung zerstört.

Nur der jüdische Friedhof außerhalb des Dorfes inmitten der Feldmark erinnert heute noch an die ehemalige israelitische Gemeinde in Stein; von den ca. 100 vorhandenen Grabsteinen stammt der älteste aus der Zeit seiner Anlegung (1812).


jüdischer Friedhof von Stein (beide Aufn. Peter Schmelzle, 2009, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

   Fünf Schülerinnen aus Stein/Kocher haben jüngst eine Holzskulptur geschaffen, die der Erinnerung an zwei deportierte Jüdinnen (Mutter u. Tochter) gilt; dieses Mahnmal wurde 2022 auf der zentralen Gedenkstätte in Neckarzimmern aufgestellt; die in Stufenform angeordneten Balken sollen symbolhaft die Himmelstreppe darstellen (Abb. aus: mahnmal-neckarzimmern.de)

 

 

 

Weitere Informationen:

F.Hundsnurscher/G.Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden - Denkmale, Geschichte, Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1968, S. 263

Norbert Jung, 75 Jahre Volksbank Heilbronn: Der Einstieg der Familie Gumbel aus Neuenstadt-Stein in das Heilbronner Bankwesen, in: "Geschichtliche u. heimatkundliche Beilage zum Amtsblatt der Stadt Neuenstadt u. ihrer Teilorte", 1985

W.Angerbauer/H.G.Frank, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn. Geschichte - Schicksale - Dokumente, in: "Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn", Band 1, Hrg. Landkreis Heilbronn, 1986, S. 224 - 228

Norbert Jung, Spurensuche - die Juden von Stein am Kocher, Hrg. Verein für Geschichte und Heimatkunde Neuenstadt, 1987

Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 244

Barbara Döpp (Bearb.), Der jüdische Friedhof in Neuenstadt / Stein am Kocher, Unveröffentlichte Grunddokumentation des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg, 1993

Stein/Kocher, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 349/350

Stadt Neuenstadt (Hrg.), Stein am Kocher 1219 – 2019: Geschichte und Geschichten, verlag regionalkultgur 2019