Halle (Nordrhein-Westfalen)

Jüdische Gemeinde - Bielefeld (Nordrhein-Westfalen)Datei:Halle (Westf.) in GT.svg Halle (Westf.) ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 21.000 Einwohnern etwa 15 Kilometer westlich von Bielefeld im Norden des Kreises Gütersloh gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: europe1900.eu  und  Kartenskizze 'Landkreis Gütersloh', TUBS 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

Frühester Stadtplan von Halle von 1784 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

Erste urkundliche Hinweise, dass Juden im westfälischen Halle gelebt haben, stammen aus dem ausgehenden 17.Jahrhundert; so sind 1683 bzw. 1687 die ersten jüdischen Einwohner Halles namentlich bekannt (Isaac Lazarus und Levi Hertz). Im Laufe des 18.Jahrhunderts lassen sich dann mehrere "Schutzjuden" nachweisen, so z.B. Isaak Bendix, der 1771 einen Schutzbrief für Halle erhielt. Die jüdischen Familien wohnten zumeist in der Langen Straße.

Eine kleine Synagogen-Gemeinde bildete sich im Laufe des 19.Jahrhunderts, zu der auch Familien aus den benachbarten Ortschaften Brockhagen, Hörste und Steinhagen gehörten. Gottesdienstliche Zusammenkünfte fanden bis in die 1850er Jahre in einem angemieteten Betraum im Hause des Metzgers Landwehr in der Lange Straße 39 statt; im Frühjahr 1859 wurde in der Viehstraße, der heutigen Oldendorfer Straße, eine schlichte Synagoge eingeweiht; auch dieses Gebäude war nicht Eigentum der Gemeinde.

           Synagoge, rechts Bildmitte (Aufn. um 1950/1960, Stadtarchiv)

Die jüdischen Kinder besuchten die Ortsschule.

Seit spätestens 1824 war ein Begräbnisgelände in der Moltkestrasse (heute Winnebrockstr.) im Besitz der Haller Kultusgemeinde. Möglicherweise erfolgte die Anlage dieses jüdischen Friedhofs wesentlich früher (?).

Juden in Halle (Westfalen)

          --- 1687 .............................   2 jüdische Familien,

    --- 1767 .............................   4     "        "   ,

    --- 1778 ......................... ca.  20 Juden,

    --- 1818 .............................   9 jüdische Familien,

    --- 1831 .............................  55 Juden,

    --- 1847 .............................  78   “  ,*

    --- um 1865 ...................... ca.  60   “  ,*

    --- 1900 .............................  26   “  ,*

    --- 1933 .............................  11   “  ,*      * Synagogengemeinde

    --- 1940/41 ..........................   6   “  .

Angaben aus: Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Band III: Reg.bez. Detmold, S. 65

und                 Uwe Heckert (Bearb.), Halle, in: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen , S. 399 f.

 

Die jüdischen Familien Halles lebten fast ausschließlich an der Langen Straße. Nach 1860/1870 verlor die jüdische Gemeinde zunehmend Mitglieder; mit der Abwanderung der meisten Familien in die Großstadt Bielefeld war die Haller Gemeinde bald nicht mehr lebensfähig. 1903 wurde die Synagoge geschlossen, da kein Minjan mehr zustande kam. Das ehemalige Synagogengebäude wurde Anfang der 1980er Jahre wegen Baufälligkeit abgerissen.

Zu Beginn der 1930er Jahre lebten in Halle nur noch vereinzelte jüdische Bewohner; die letzten sechs wurden vermutlich 1941/1942 deportiert.

 

Der jüdische Friedhof an der Moltkestraße mit seinen ca. 50 Gräbern - letztes sichtbares Zeugnis der mehr als 300jährigen jüdischen Geschichte von Halle - ist bis heute erhalten geblieben; allerdings gingen vermutlich während der NS-Zeit zahlreiche Grabmale verloren, weil ein Teil des Begräbnisgeländes eingeebnet und andersweitig genutzt wurde.

     Jüdischer Friedhof in Halle (Aufn. H., 2009, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Auf diesem Gelände erinnert ein Gedenkstein an die NS-Opfer der jüdischen Gemeinde mit den Worten:

Zum Gedächtnis an die Mitglieder der jüdischen Gemeinden Werther und Halle i.Westf.,

die ihr Leben in den Jahren 1933 - 1945 lassen mußten.

Unweit des ehemaligen Synagogengebäudes erinnert ein hochaufragendes Mahnmal an alle Opfer des Nationalsozialismus. Die aus vier steinernen Stelen zusammengefügte Skulptur ist ein Werk der Bildhauerin Angela Grosse.

                                            Mahnmal (Aufn. Angela Grosse, 2011) 

Eine private Haller Initiative hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass in der Stadt sog. „Stolpersteine“ verlegt werden. In einer einmaligen Aktion fanden 2019 elf Steine in der Gehwegpflasterung der Langen Straße ihren Platz. Gleichzeitig wurde der ehemalige von-Kluck-Platz in Familie-Isenberg-Platz umbenannt.

 Steine für Familie Sachs & Jacobs (Abb. aus: gruene-hallewestfalen.de)

 

 

Weitere Informationen:

Albert Bruck, Die Haller Juden, in: "Unsere Heimat im Spiegel der Geschichte. 100 Jahre Haller Kreisblatt", Halle 1982, S. 55 f.

Eduard Meyer zu Hoberge, Die Juden im damaligen Amtsbezirk Halle (Westf.) und ihre Schicksale, Maschinenmanuskript 1988

H.Heinze/A.Vormbrock, Die jüdischen Gemeinden in Werther und Halle seit 1933, VHS Ravensberg, Halle 1988

Uwe Heckert (Bearb.), 1246 - 1996. 750 Jahre Halle in Westfalen - Führer zur stadtgeschichtlichen Ausstellung “Stadtgeschichte rund ums Haller Herz”, Hrg. Kulturamt der Stadt Halle in Westfalen, 1996

Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen. Band III: Regierungsbezirk Detmold, J.P.Bachem Verlag, Köln 1998, S. 60 – 65

Volker Beckmann, Die jüdische Bevölkerung der Landkreise Lübbecke und Halle I.W. (1815-1945) – Vom Vormärz bis zur Befreiung vom Faschismus, Dissertation an der Universität Bielefeld, 2000/2001 (überarb. 2015, als PDF-Datei vorliegend, S. 92 - 99 u.a.)

Uwe Heckert, Die jüdische Gemeinde, in: U. Heckert, Halle in Westfalen. Geschichte(n) einer Stadt am Teutoburger Wald, Bielefeld 2005, S. 107 - 119

Volkhard Winkelmann (Bearb.), Unser Gedenkbuch für die Toten des Holocaust in Halle, online abrufbar unter: gedenkbuch.halle.de (2008)

Klaudia Genuit-Thiessen (Red.), Damit keiner es vergißt – Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus, in: "Zeitung für Halle und Borgholzhausen - Westfalen-Blatt" vom 12.5.2011

Klaudia Genuit-Thiessen (Red.), Hier ruhen Goldsteins und Sterns. Der jüdische Friedhof legt Zeugnis ab von 300 Jahren Geschichte in Halle - Synagoge wurde 1982 abgerissen, in: "Westfalen-Blatt" vom 20.8.2011

Uwe Heckert (Bearb.), Halle, in: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Detmold, Ardey-Verlag, Münster 2013, S. 398 - 404

Wolfgang Kosubek (Bearb.), Gewollter Ruin einer jüdischen Familie (betr. Fam. Isenberg), online abrufbar unter: haller-zeitraeume.de (2017)

Klaudia Genuit-Thiessen (Red.), Hier sollen "Stolpersteine" verlegt werden, in: "Westfalen-Blatt" vom 16.6.2018

Klaudia Genuit-Thiessen (Red.), “Ein Stück Erinnerungskultur” - Haller “Initiative Stolpersteine” will früheres jüdisches Wohnhaus an der Langen Straße 61 erhalten, in: “Westfalen-Blatt” vom 14.7.2018

Klaudia Genuit-Thiessen (Red.), Zeugen der jüdischen Geschichte – Friedhof an der Moltkestraße soll instandgesetzt und dokumentiert werden, in: “Westfalen-Blatt” vom 29.11.2018

Klaudia Genuit-Thiessen (Red.), “Stolpersteine” als Verbeugung, in: “Westfalen-Blatt” vom 5.12.2018

Heiko Kaiser (Red.), Elf Stolpersteine sollen an jüdische Bürger erinnern, in: “Haller Kreisblatt” vom 25.1.2019

M.Wiegand/W.Kosubek/K.Kosubek (Bearb.), Dier Geschichte der jüdischen Familie Stern in Halle (Westf.), online abrufbar unter: haller-zeitraeume.de

Uwe Pollmeier (Red.), Emotionaler Moment: Neue Stolpersteine auf dem Familie-Isenberg-Platz, in: “Haller Kreisblatt” vom 12.2.2019

Evangelischer Kirchenkreis Halle (Hrg.), Stolpersteine für eine lebendige Erinnerungskultur, in: kirchenkreis-halle.de vom 26.2.2019

Auflistung der in Halle verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Halle_(Westfalen)

Jonas Damme (Red.), Ein fast vergessener jüdischer Friedhof liegt mitten in der Stadt Halle, in: “Haller Kreisblatt” vom 16.9.2023