Dannenberg (Niedersachsen)

Grafschaft Dannenberg 1250.png Datei:Dannenberg (Elbe) in DAN.svg Dannenberg (Elbe) ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 8.300 Einwohnern im Landkreis Lüchow-Dannenberg im äußersten Osten Niedersachsens; Dannenberg ist Teil und Sitz der Samtgemeinde Elbtalaue – ca. 40 Kilometer südöstlich von Lüneburg gelegen (hist. Karte der Grafschaft Dannenberg, aus: wikipedia.org, CCO  und  Kartenskizze 'Landkreis Lüchow-Dannenberg', Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

Stadtansicht von Dannenberg – Stich M. Merian, um 1645 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Dannenberg besaß die größte jüdische Gemeinde des Wendlandes.

Levin Salomon war der erste jüdische Einwohner Dannenbergs. Er war um 1675 aus Bückeburg gekommen, um in Dannenberg Tabakgroßhandel zu betreiben; Levin Salomon besaß zwar einen befristeten Schutzbrief, doch wurde ihm dieses Handelsprivileg verwehrt und nur der Geldverleih zugestanden. Völlig verarmt verließ er 15 Jahre später Dannenberg, da er das geforderte Schutzgeld nicht mehr aufbringen konnte. Zu Beginn des 18.Jahrhunderts siedelte sich ein Jude aus Lüneburg in Dannenberg an; seine Familie und die seiner Nachkommen bildeten dann den Grundstock der jüdischen Gemeinde. In den 1840er Jahren erwarb man ein Grundstück am Schlossgraben und errichtete in dessen Garten eine Synagoge, die durch eine Schenkung des Bankiers Mansfeld finanziert werden konnte. Ein bereits vorhandenes Fachwerkgebäude nutzte man als Gemeindehaus; dort waren auch Schule, Lehrerwohnung und eine Mikwe untergebracht.

Ihre Toten begrub die Gemeinde auf dem bei dem Dorfe Prisser gelegenen jüdischen Friedhof, der um 1740/1750 angelegt worden war; dieses Beerdigungsgelände wurde auch von den Juden aus Bergen/Dumme, Clenze und Hitzacker genutzt.

Der im Landrabbinat Hannover geführten Gemeinde Dannenberg waren andere Gemeinden angeschlossen: seit 1854 Lüchow und Wustrow, 1860 Hitzacker und 1889 Schnackenburg und Gartow.

Juden in Dannenberg:

         --- 1748 ........................... 14 Juden,

    --- 1796 ....................... ca. 30   “  (in 5 Familien),

    --- 1819 ........................... 44   “  (in 10 Familien),

    --- 1848 ........................... 44   “  ,

    --- 1871 ........................... 67   “  ,

    --- 1885 ........................... 43   “  ,

    --- 1895 ........................... 13   “  ,

    --- 1905 ........................... 10   “  ,

    --- 1933 ...........................  8   “  ,

    --- 1939 ...........................  keine.

Angaben aus: Tamar Avraham (Bearb.), Dannenberg, in: H. Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen ... , Bd. 1, S. 448

 

Die in den letzten beiden Jahrzehnten des 19.Jahrhunderts einsetzende Abwanderung der jüdischen Familien aus Dannenberg führte bald dazu, dass ein geregeltes Gemeindeleben nicht mehr aufrecht erhalten werden konnte. Deshalb schritt man zum Verkauf des gemeindlichen Grundstücks am Schlossgrabens (1896); allerdings blieb das Synagogengebäude zunächst noch unveräußert; 15 Jahre später erfolgte dann auch der Verkauf der Synagoge auf Abbruch. Nach Auflösung der Gemeinde schlossen sich die wenigen verbliebenen Familien der Synagogengemeinde Lüneburg an.

Ab den 1920er Jahren lebten in Dannenberg nur noch zwei jüdische Familien. Bei Kriegsbeginn hatten alle jüdischen Bewohner die Kleinstadt verlassen.

 

Der jüdische Friedhof in einem Waldgelände nahe dem Dannenberger Ortsteil Prisser („Am Judenbergstück“) ist heute einziges Relikt der ehemaligen jüdischen Gemeinde Dannenbergs; etwa 45 z.T. beschädigte Grabsteine - der älteste aus dem Jahre 1776 - sind noch erhalten.

 

jüdischer Friedhof (Aufn. Chr. Fischer, 2015, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 u. H.Selber, 2006, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

Zur Erinnerung an die jüdischen Familien Friedländer und Wolff aus Dannenberg wurden 2015 in der Bahnhofstraße bzw. Marschtorstraße sog. „Stolpersteine“ verlegt; außer Otto Karl Friedländer (er wurde ermordet) überlebten alle anderen Familienangehörigen, u.a. durch eine Emigration nach Uruguay.

undefinedundefinedundefined verlegt in der Bahnhofstraße (Aufn. Uli Vogel, 2022, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 Einer der berühmtesten Söhne Dannenbergs ist der 1848 geborene Harry Bresslau. Nach Abbruch eines Jura-Studiums wandte er sich der Geschichtswissenschaft zu, in der er 1869 in Göttingen promovierte und sich 1872 habilitierte; 1877 wurde Bresslau außerordentlicher Professor in Berlin. Er war nationalliberal gesinnt und dem Deutschtum sehr verbunden, aber ein ungetaufter Jude; deswegen war ihm in Preußen der Weg zu einer ordentlichen Professur versperrt. Die Gründung der „Historischen Kommission für die Geschichte der Juden in Deutschland“ 1885 ging auf Harry Bresslau zurück. Bresslau glaubte an die Möglichkeit der völligen Assimilation der deutschen Juden durch ein rückhaltloses Bekenntnis zur deutschen Nationalidee. 1890 folgte Bresslau einem Ruf nach Straßburg/Elsass, wo er bis 1912 eine ordentliche Professur für Geschichte inne hatte. Dort entfaltete er eine umfassende Lehr- und Forschertätigkeit und profilierte sich als nationalliberaler Vorkämpfer des Deutschtums. Kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs wiesen die französischen Behörden Bresslau als „militanten Alldeutschen“ aus Straßburg aus. 1926 starb er in Heidelberg.

 

 

Seit 1854 gehörte die Judenschaft des wendländischen Lüchow zur Synagogengemeinde Dannenberg. Gemeinsam mit Wustrow hatten zuvor die wenigen jüdischen Familien eine winzige Gemeinde gebildet. Am Ort gab es einen kleinen Betraum, aber keine eigene Begräbnisstätte; Verstorbene wurden auf dem jüdischen Friedhof nahe Prisser beerdigt.

An die Familien Siegmund und Willi Mansfeld wird mit sog. "Stolpersteinen" - vor ihrem letzten Wohnsitz in der Kalandstraße 5 - erinnert; zehn Angehörige dieser Großfamilie wurden zwischen 1941/1943 deportiert und ermordet.

Stolperstein Siegmund Mansfeld in Lüchow (Wendland).jpgStolperstein Johanna Mansfeld in Lüchow (Wendland).jpgStolperstein Willi Mansfeld in Lüchow (Wendland).jpgStolperstein Karoline Mansfeld in Lüchow (Wendland).jpgStolperstein Ottilie Mansfeld in Lüchow (Wendland).jpgStolperstein Margarete Mansfeld in Lüchow (Wendland).jpg Stolperstein Elli Mansfeld in Lüchow (Wendland).jpgStolperstein Walter Mansfeld in Lüchow (Wendland).jpgStolperstein Ursula Mansfeld in Lüchow ( Wendland).jpgStolperstein. Heinz Mansfeld in Lüchow (Wendland).jpg

"Stolpersteine" für Familie Mansfeld (Aufn. D., 2020, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

 

Erster Hinweis auf Juden in Schnackenburg datiert aus der Mitte des 18.Jahrhunderts; in der Folgezeit lebten stets nur sehr wenige Familien im Ort. Um einen Minjan zu erreichen, hielten sie gemeinsam mit den ebenfalls nur wenigen Juden aus Gartow ihre Gottesdienst im Privathaus von Salomon Joseph in Schnackenburg ab. Bis Mitte der 1830er Jahre wurden Verstorbene auf dem ca. 30 Kilometer entfernt liegenden Friedhof in Prisser (bei Dannenberg) begraben, ehe dann ein angepachtetes Gelände neben dem christlichen Friedhof zur Verfügung stand.

1889 wurden die Angehörigen der jüdischen Gemeinschaft von Schnackenburg - gegen ihren Widerstand - der Synagogengemeinde Dannenberg angeschlossen. Bis heute gibt es den kleinen jüdischen Friedhof am Kirchhofsweg in Schnackenburg, der acht Grabstellen aufweist, die von 1844 bis 1889 datieren.

       Aufn. Fischer, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0

 

 

 

In Hitzacker erfolgte um 1765 die erstmalige Niederlassung zweier jüdischer Familien. Die sich bildende kleine Gemeinde legte um 1800 ihre Begräbnisstätte – am Rande des evangelischen Friedhofs – an. Zwei Jahrzehnte später wurde – zusammen mit Familien des nahen Umlandes - ein Minjan erreicht, der nun regelmäßig stattfindende Gottesdienste zuließ. Der Wunsch, einen "Tempel“ zu etablieren, scheiterte aber am Einspruch des hiesigen Magistrats; deshalb fanden Zusammenkünfte in privaten Räumlichkeiten statt. 1844 wurde der Synagogenbezirk Hitzacker (mit angeschlossenen Orten Neuhaus, Tripkau, Neu-Dötzingen und Zeetze) gebildet. Für die wenigen jüdischen Kinder erteilte der aus Danneberg kommende Lehrer zweimal wöchentlich Unterricht. Doch die alsbaldige Abwanderung jüdischer Familien führte dazu, dass 1860 die Synagogengemeinde Hitzacker aufge­löst wurde; die beiden in Hitzacker verbliebenen Familien wurden der Synagogengemeinde Dannenberg angeschlossen: die Juden aus Neuhaus, Tripkau und Zeetze gehörten fortan zur Synagogengemeinde Bleckede. Gegen Ende des 19.Jahrhunderts lebten keine Juden mehr in Hitzacker.

Das kleine jüdische Friedhofsgelände mit seinen 13 Grabsteinen ist heute durch einen Maschendrahtzaun vom christlichen Friedhof abgegrenzt; dessen Belegung war nur in einem relativ kurzen Zeitraum (von 1816 bis 1862) erfolgt.

   undefinedJüdischer Friedhof Hitzacker (Aufn. ClausNe 2023, aus: wiwkiwpedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

 

Weitere Informationen:

Hugo Krüger, Quellen zur Ortsgeschichte von Dannenberg (Elbe) 1333 - 1890, in: "Veröffentlichungen aus dem Archiv der Stadt Dannenberg", No. 1, Dannenberg 1981

Berndt Wachter, Vom Mittelalter zur Neuzeit, in: "Das Hannoversche Wendland. Beiträge zur Beschreibung des Landkreises Lüchow-Dannenberg", Lüchow 1985, S. 65 - 85

Axel Kahrs, “Diese Stätte sei jedem heilig.” - Ein Besuch auf dem Friedhof der jüdischen Gemeinde Dannenberg bei Prisser, in: "Heimatkundliche Beilage der Elbe-Jeetzel-Zeitung" vom 19.11.1987

Berndt Wachter, Aus Dannenberg und seiner Geschichte, in: "Schriftenreihe des Heimatkundlichen Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg", No.12/1987-1988, S. 45 f.

Karl Kowalewski, Die Judenverfolgung in Lüchow, in: "Schriftenreihe des Stadtarchivs Lüchow", No.1, Lüchow 1995

Tamar Avraham (Bearb.), Dannenberg, in: Herbert Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Wallstein-Verlag, Göttingen 2005, Band 1, S. 448 – 454

Marlis Buchholz (Bearb.), Hitzacker, in: Herbert Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Wallstein-Verlag, Göttingen 2005, Band 2, S. 870 – 872

Karl Kowalewski (Bearb.), Lüchow, in: Herbert Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Wallstein-Verlag, Göttingen 2005, Band 2, S. 1001 - 1006

Marlis Buchholz (Bearb.), Schnackenburg, in: Herbert Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Wallstein-Verlag, Göttingen 2005, Band 2, S. 1360 - 1363

Peter Rück (Hrg.), Abraham Bresslau (1813 – 1884): Briefe aus Dannenberg 1835 – 1839. Mit einer Einleitung zur Familiengeschichte des Historikers Harry Bresslau (1848 – 1926) und zur Geschichte der Juden in Dannenberg, Marburg/Lahn 2007

Elke Meyer-Hoos, Der Weg des jüdischen Arztes Otto Friedländer von Dannenberg nach Theresienstadt, in: "Hannoversches Wendland", Band 16/17 (2012), S. 49 – 58

N.N. (Red.), Fast vergessene Stadtgeschichte, in: „Elbe-Jeetzel-Zeitung“ vom 13.1.2011 (betr. Hitzacker)

Elke Meyer-Hoos, Das Hakenkreuz im Saatfeld, Beiträge zur NS-Zeit in den Landkreisen Lüchow-Dannenberg und Salzwedel, 2013 (Neuauflage)

N.N. (Red.), Jüdischer Friedhof Hitzacker: geschützt oder ausgegrenzt ?, in: „Elbe-Jeetzel-Zeitung“ vom 4.1.2015

Museumsverbund e.V. Lüchow-Danneberg (Hrg.), Gegen das Vergessen – Stolpersteinverlegung in Lüchow und Dannenberg, in: luechow-dannenberg.de vom 25.2.2015

N.N. (Red.), Stolpersteine in Erinnerung an jüdische Familien in Lüchow und Dannenberg verlegt, in: "Elbe-Jeetzel-Zeitung" vom 6.3.2015

Museum Wustrow im Hannoverschen Wendland (Hrg.), Stolpersteine im Landkreis Lüchow-Dannenberg - Broschüre, 2015

Stadt Dannenberg/Elbe (Hrg.), Stolpersteine – Gedenken an das Schicksal jüdischer Familien in Dannenberg (Elbe) – Flyer, 2015/2016

Klaus Ewald (Bearb.), Der jüdische Friedhof Dannenberg. Details zur Historie und zu Besonderheiten der jüdischen Begräbniskultur, in: "Dannenberger Arbeitskreis für Heimatpflege und Landeskunde e.V.", 2016, abrufbar unter: dalah-dannenberg.de (Fotos von Grabsteinen)

Auflistung der in Dannenberg verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Dannenberg_(Elbe)

Auflistung der in Lüchow verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Lüchow

Landkreis Lüchow-Dannenberg (Hrg.), Broschüre zu „Stolpersteinen“ in Lüchow-Dannenberg erschienen, online abrufbar unter: luechow-dannenberg.de/home/aktuelles/pressearchiv/broschuere-zu-stolpersteinen-in-luechow-dannenberg-erschienen-8488.aspx

Jens-Christian Wagner (Red.), DANNENBERG - Novemberpogrome 1938 in Niedersachsen, Hrg. Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten, online abrufbar unter: pogrome1938-niedersachsen.de/dannenberg/

Eva Adamek (Bearb.),  5 unbekannte Sehenswürdigkeiten im Wendland und der Altmark - Jüdischer Friedhof in Dannenberg, online abrufbar unter: burgdame.de (Bildmaterial)