Adelsheim (Baden-Württemberg)

Physische Karte des Baulands Naturraum Nr. 128 (braun umrandet)Datei:Adelsheim in MOS.svg Adelsheim ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 5.000 Einwohnern im Neckar-Odenwald-Kreis im Norden Baden-Württembergs - etwa 40 Kilometer nördlich von Heilbronn bzw. ca. 30 Kilometer östlich von Mosbach gelegen (topografische Karte des Baulands, K. Jähne 2009, aus: wikipedia.org gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Neckar-Odenwald-Kreis', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Bereits im 14.Jahrhundert sind in Adelsheim, das zum Ritterkanton Odenwald gehört, vereinzelt jüdische Familien nachgewiesen; im Jahre 1338 hatte Kaiser Ludwig d. Bayer den Brüdern Poppo und Beringer von Adelsheim erlaubt, Juden hier aufzunehmen. Weitere urkundliche Hinweise auf Juden in Adelsheim liegen danach erst wieder aus dem ausgehenden 17.Jahrhundert vor, als es hier eine kleine Gemeinde gab.

Ein erster Betraum soll sich in einem Haus in der Torgasse befunden haben. Für die Erlaubnis, Gottesdienste abzuhalten, musste an die Freiherren von Adelsheim eine jährliche Abgabe von vier Gulden entrichtet werden. Später befand sich die „Schul“ in einem Gebäude im Hof des Oberschlosses, bis gegen Mitte des 19.Jahrhunderts eine Synagoge in der Turmgasse eingerichtet wurde, die dort bis 1889 verblieb.

Ehem. (altes) Synagogengebäude in den Turmgasse (Stadtarchiv)  http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2044/Adelsheim%20Synagoge%20162.jpg

Danach stand den etwa 60 Gemeindeangehörigen ein neues Synagogengebäude (eingeweiht vermutlich 1890) in der Tanzbergstraße/Unteren Auestraße zur Verfügung; hier waren auch die Mikwe und die Schule untergebracht.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2044/Adelsheim%20Synagoge%20161.jpg  

Synagoge Adelsheim rechts im Bild (hist. Aufn.) -  Neue Synagoge (Postkartenausschnitt, um 1900)

                      Die Kultusgemeinde hatte einen Lehrer in Anstellung, der neben der religiösen Unterweisung der Kinder auch den Vorsänger- und Schächtdienst ausübte.

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20120A/Adelsheim%20Israelit%2006071891.jpg https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20120A/Adelsheim%20Israelit%2001031894.jpg https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20120A/Adelsheim%20Israelit%2003031897.jpg

Kleinanzeigen zur Stellenbesetzung (aus: "Der Israelit" vom 2.7.1891, vom 1.3.1894 und 3.3.1897)

Verstorbene begrub die Gemeinde bis Mitte der 1880er Jahre auf dem jüdischen Verbandsfriedhof in Bödigheim, danach in Sennfeld.

Seit 1827 gehörte Adelsheim zum Rabbinatsbezirk Merchingen, der seit den 1880er Jahren von Mosbach geführt wurde.

Juden in Adelsheim:

         --- um 1690 ........................  4 jüdische Familien,

    --- 1825 ........................... 41 Juden (ca. 3% d. Bevölk.),

    --- 1855 ........................... 53   “  ,

    --- 1880 ........................... 64   “   (ca. 4% d. Bevölk.),

    --- 1885 ........................... 70   “  ,

    --- 1900 ........................... 58   “  ,

    --- 1910 ........................... 37   “  ,

    --- 1925 ........................... 27   “  (ca. 2% d. Bevölk.),

    --- 1933 ........................... 33   “  ,

--- 1940 (Nov.) .................... keine.

Angaben aus: Die Juden in Tauberfranken 1933 - 1945, Quellen und didaktische Hinweise für die Hand des Lehrers, S. 19

    Panorama von Adelsheim mit Hindenburgplatz um 1910Blick auf Adelsheim, um 1910 (aus: de.nailizakon.com)

Kleinanzeigen jüdischer Gewerbetreibender:

 https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20120A/Adelsheim%20Israelit%2027081891.jpghttps://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20156/Adelsheim%20Israelit%2007061900.jpgaus: "Der Israelit" von 1891 und 1900

 

Anfang der 1930er Jahre lebten die wenigen jüdischen Familien zumeist vom Einzelhandel; auch zwei Viehhandlungen waren in jüdischem Besitz. Bis Herbst 1938 verließen mindestens 20 jüdische Bewohner Adelsheim, die meisten von ihnen gingen in die Emigration.

Während des Novemberpogroms wurde die Inneneinrichtung der Synagoge verwüstet und teilweise zerstört, und die Thorarollen wurden vor den Augen aller verbrannt. Im Herbst 1939 durften die noch in Adelsheim auf Anweisung des NSDAP-Ortsgruppenleiters nicht mehr ihre Wohnungen verlassen; nur in der Zeit von 14 bis 16 Uhr durften Einkäufe getätigt werden. Doch eine Beschwerde des Oberrates der Israeliten in Baden veranlasste die Kreisleitung, das ausgesprochene Verbot rückgängig zu machen.

Mindestens zehn jüdische Bewohner von Adelsheim kamen gewaltsam ums Leben, die letzten acht waren im Oktober 1940 nach Gurs deportiert worden.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden 23 gebürtige bzw. länger in Adelsheim ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/adelsheim_synagoge.htm).

 

Nach Kriegsende diente das einstige Synagogengebäude unterschiedlichen Zwecken: Zunächst war hier ein Jugendclub untergebracht, von den 1950er Jahren bis 1977 waren in dem Gebäude die Milchsammelstelle und ein Lager der landwirtschaftlichen Ein- und Verkaufsgenossenschaft eingerichtet; 1977 wurde das Gebäude abgerissen. Eine Tafel informiert heute:

Standort der ehemaligen Synagoge

Bis zur Neugestaltung der Lindenkreuzung 1977, unter Abriss mehrerer erhaltenswerter Bürgerhäuser, stand hier die ‘neue Synagoge’.

Von der jüdischen Gemeinde 1889 errichtet, nachdem die alte Synagoge in der Seestadt zu klein geworden war.

Beim Novemberpogrom 1938 innen demoliert, diente das Gebäude im 2.Weltkrieg als Unterkunft für Kriegsgefangene und dann u.a. als Milchhäuschen.

Es ist ein Ort der Erinnerung an die ausgewanderten, vertriebenen und ermordeten jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger der Stadt.

 

Mit der Verlegung von sog. „Stolpersteinen“ ist in Adelsheim 2012 begonnen worden; so erinnern in der Rietstraße zwei Steine an das Ehepaar Alexander und drei in der Sennfelder Kirchgasse an Familie Neuberger.

Stolpersteine füt Berta und Max Alexander Stolpersteine für die Familie Neuberger

beide Aufn. Granpar, 2020, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0

Gedenkstein in Adelsheim   Schüler/innen des Eckenberg-Gymnasiums Adelsheim gestalteten für das Memorialprojekt in Neckarzimmern eine Skulptur in Form eines Baumes, der seine Blätter verliert (Abb. aus: mahnmal-neckarzimmern.de). In Adelsheim befindet sich das steinerne Objekt vor der Jakobskirche.

           undefined Aufn. P. Schmelzle 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0

 

Im Ortsteil Sennfeld existierte bis 1938 auch eine jüdische Gemeinde, die im Laufe des 17.Jahrhunderts entstanden war; sie war zeitweilig zahlenmäßig größer als die von Adelsheim. 

[vgl. Sennfeld (Baden-Württemberg)]

 

 

 

Weitere Informationen:

Gottlieb Graef, Die Adelsheimer Schutzjuden, in: "Fränkische Blätter", 2/1919, No. 5

F.Hundsnurscher/G.Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden - Denkmale, Geschichte, Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1968, S. 33 f.

Gottlieb Graef, Die Geschichte der Adelsheimer Juden, in: Heimatbilder aus der Geschichte der Stadt Adelsheim, Neuauflage 1969, S. 175 ff.

Die Juden in Tauberfranken 1933 - 1945. Quellen und didaktische Hinweise für die Hand des Lehrers, Hrg. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, 1984

Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 376/377

Anette Hettinger, Die NSDAP auf dem Lande. Aufstieg, Machtergreifung und Gleichschaltung im badischen Amtsbezirk Adelsheim 1928 - 1935, in: "Württembergisch Franken", 72/1988, S. 91 – 194

Rüdiger Scholz, Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde in Adelsheim, in: "Unser Land 1993", S. 158 - 163   

Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 5 - 9

Adelsheim, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Sabine Braun (Red.), Ein Projekt, das gedanklich stolpern lässt, in: „Fränkische Nachrichten“ vom 16.5.2012

Pascal Ambros (Red.), „Stolpersteine“ erinnern an Nazi-Opfer, in: „Rhein-Neckar-Zeitung“ vom 18.5.2012

Auflistung der in Adelsheim verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Adelsheim

ADELSHEIM – Das Mahnmal in Neckarzimmern für die deportierten Jüdinnen und Juden Badens und Gedenkbuch-Projekt, online abrufbar unter: mahnmal-neckarzimmern.de/gedenksteine/adelsheim.14