Velbert (Nordrhein-Westfalen)

Datei:Velbert in ME.svg Velbert ist eine Stadt mit derzeit ca. 85.000 Einwohnern im Kreis Mettmann - etwa 20 Kilometer nordöstlich der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf bzw. 18 Kilometer südlich von Essen gelegen (Ausschnitt aus einer Karte von 1645, aus: wikiwand.com/de/Erkrath und Kartenskizze 'Kreis Mettmann', TUBS 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Erst nach 1800 kann von einer kontinuierlichen Ansässigkeit jüdischer Familien in Velbert gesprochen werden. Die Juden Velberts bildeten keine eigene Synagogengemeinde, sondern waren der Kultusgemeinde Elberfeld angeschlossen. Anfänglich suchten die Juden von Velbert Gottesdienste in den Nachbarorten Werden bzw. Langenberg auf. Ab den 1830er Jahren fanden gottesdienstliche Zusammenkünfte in privaten Räumlichkeiten am Ort statt. „Es besteht hier keine Synagoge, und es hat die hiesige jüdische Gemeinde zur Verrichtung ihrer Gottesdienstlichen Handlungen im Hause eines ihrer Glaubensgenossen ein eigends dazu eingerichtetes Zimmer, und zwar bey Kaufmann Seligmann, welcher dasselbe unentgeltlich hergibt.

Als Ende des 19.Jahrhunderts durch Zuzüge - vor allem von „Ostjuden“ - die Zahl der Familien in Velbert anstieg, wurden konkrete Planungen zum Bau einer eigenen Synagoge an der Mühlenstraße angestellt; diese wurden aber nicht realisiert. Der zuletzt genutzte Betsaal der Velberter Judenschaft lag in der Bahnhofstraße. In den 1840er Jahren hatte die jüdische Gemeinde eine Elementarschule eröffnet, die etwa 20 Jahre bestand.

Die jüdische Gemeinschaft besaß seit 1840 ein kleines Beerdigungsareal „Am Kattensiepen“, das aber bereits Jahrzehnte zuvor als solches genutzt worden war. Um die Jahrhundertwende wurden hier mehrfach Schändungen begangen.

Juden in Velbert:

         --- 1824 .......................... 16 Juden,

    --- 1836 .......................... 39   “  ,

    --- 1858 .......................... 47   “  ,

    --- 1885 .......................... 40   “  ,

    --- 1900 .......................... 86   “  ,

    --- 1909 .......................... 80   “  ,

    --- 1927 .......................... 61   “  ,

--- 1933 .......................... 58   “  .

Angaben aus: Elfi Pracht-Jörns, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil II: Reg.bez. Düsseldorf, S. 413

Velbert, hist. Aufn. um 1920 (Abb. aus: rheinische-landeskunde.lvr.de)

In den 1920er Jahren lebten in Velbert etwa 60 Einwohner mosaischen Glaubens.

Während des Novemberpogroms von 1938 wurde die Inneneinrichtung des jüdischen Betraumes zerstört. Ebenfalls wurden Wohnungen und Geschäfte jüdischer Familien verwüstet. Sechs Männer wurden ins KZ Dachau verbracht. Bis Frühjahr 1940 konnten noch ca. 30 Personen jüdischen Glaubens emigrieren; die übrigen wurden in die NS-Vernichtungslager deportiert.

 

Ein im November 1988 aufgestellter Gedenkstein trägt die folgende Inschrift:

Den ermordeten jüdischen Mitbürgern, den Widerstandskämpfern gegen das NS-Regime,

den von 1933 - 1945 Verfolgten zum Gedenken, den Lebenden zur Mahnung.

Stadt Velbert

Das bis 1938 genutzte Friedhofsareal am Nordpark (Ecke Kattensiepen) weist heute keine Grabsteine mehr auf; diese wurden teilweise zum Elberfelder Friedhof verbracht und befinden sich dort an der Friedhofsmauer. Der andere Teil der Grabsteine war während des Krieges für Fundamente von Baracken zweckentfremdet worden.

 

Jüdisches Begräbnisgelände in Velbert ohne Grabsteine  -  Gedenkstele (Aufn. T. 2009, aus: wikipedia.org. CC BY-SA 3.0)

Als einziges steinernes Denkmal weist heute eine Gedenkstele darauf hin, dass hier früher das jüdische Begräbnisgelände war.

Inzwischen erinnern mehr als 40 sog. „Stolpersteine“ an ehemalige Bewohner Velberts, die Opfer der NS-Gewaltherrschaft geworden sind (Stand 2023); künftig sollen im Stadtgebiet noch weitere Steine verlegt werden.

Datei:Stolperstein velbert bahnhofstr1.jpg

„Stolpersteine“ in der Friedrichstraße, Bahnhofstraße und Kurze Straße (Aufn. aus: wiki-de.genealogy.net - 2009)

 

 

In den beiden heute zu Velbert gehörenden Stadtteilen Neviges und Langenberg lebten bereits seit Ende des 17.Jahrhunderts jüdische Familien. Seit Mitte des 18.Jahrhunderts war die Herrschaft Hardenberg ein bevorzugter Ansiedlungsort ausländischer Juden geworden. Im Jahre 1804 wurden hier immerhin fast 160 jüdische Bewohner gezählt. Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts erreichte die Zahl der Juden einen Stand von 60 bzw. 80 Personen. Zu den gemeindlichen Kultuseinrichtungen in Neviges zählten ein Betraum in einem Privathause und ein Friedhofsgelände am Kuhlendahl, das seit den 1790er Jahren in Benutzung war und auf dem anfänglich auch Elberfelder Juden begraben wurden.

Kuhlendahl 3.JPG

Jüdischer Friedhof „Am Kuhlendahl“ (Aufn. V., 2015, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Die nur wenigen Juden, die zu Beginn des 20.Jahrhundert in Neviges wohnten, besuchten zuletzt die Synagoge in Elberfeld. In den 1860/1870er Jahren hatte die Zahl der jüdischen Bewohner Langenbergs ihren Höchststand erreicht; in nur wenigen Jahrzehnten war dann ein drastischer Rückgang zu verzeichnen. Nach 1800 hatte man in einem angekauften Gebäude einen Bet- und Schulraum eingerichtet, der bis Anfang des 20.Jahrhunderts - allerdings nur noch an hohen Feiertagen - genutzt wurde. Ansonsten suchten die Langenberger Juden die Synagoge in Hattingen auf. Ende der 1920er Jahre wurde das Gebäude, in dem sich der Betsaal Langenbergs befand, verkauft. Dessen Abriss erfolgte Ende der 1970er Jahre.

Seit etwa 1830 wurden die Verstorbenen auf einem kleinen Friedhofsgelände „Am Oberen Eickeshagen“ begraben. Ca. 30 Grabsteine haben sich bis auf den heutigen Tag erhalten. Auf dem Areal wurden während der Kriegsjahre auch russische Zwangsarbeiter beerdigt.

Der Nathan-Platz erinnert heute daran, dass in Langenberg einst jüdische Familien ihr Zuhause hatten; hier und in der Kamperstraße findet man einige sog. „Stolpersteine“.

Datei:Stolperstein langenberg kamper3.jpg Zwei „Stolpersteine“ in Langenberg (Aufn. P. Gaßner, 2009, aus: wiki-de.genealogy.net)

Zudem wurden jüngst an den einstigen Wohnstätten jüdischer Familien Informationstafeln angebracht, die über die ehemals dort lebenden Familien Auskunft geben.

 

 

 

Datei:Heiligenhaus in ME.svg In der Stadt Heiligenhaus (westlich von Velbert/Kreis Mettmann, derzeit ca. 26.000 Einw.) wurden zu den bislang schon verlegten fünf sog. „Stolpersteinen“ - davon sind vier Steine ehemaligen jüdischen Bewohnern gewidmet - noch drei weitere hinzugefügt, die Angehörige der Bäckerfamilie Oss erinnern (Stand 2021). Der Arbeitskreis „Stolpersteine“ initiierte 2022/2023 die Verlegung weiterer Steine, so an drei Mitglieder der Familie Jacobs. Von den während der NS-Zeit in Heiligenhaus lebenden 24 Personen mosaischen Glaubens sind alle Opfer der Shoa geworden.

           Datei:Stolperstein heiligenhaus hauptstrasse252.jpgverlegt in der Hauptstraße (Aufn. P. Gaßner, 2009, aus: wiki-de.genealogy.net)

2023 hat die Stadt Heiligenhaus einen Gedenkstein für alle namentlich nicht bekannten NS-Opfer enthüllt, der die folgende Inschrift trägt:

Den Toten zur Ehre,

Den Lebenden zur Pflicht!

Wir pflegen ein ehrendes Gedenken aller Verfolgten der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933 - 1945. Wir gedenken der namenlosen Heiligenhauser Frauen, Männer und Kinder, die Opfer des Rassenwahns wurden; der Menschen, denen man das Recht auf Leben wegen ihrer körperlichen oder geistigen Gebrechen absprach; der verschleppten und ermordeten Zwangsarbeiter; unserer geliebten Menschen, denen man aufgrund ihrer sexuellen Orientierung erbarmungslos das Leben nahm; der Aufrechten, die ihren Widerstand gegen den nationalsozialistischen Terror mit dem Leben bezahlten oder wegen ihrer religiösen Überzeugung ermordet wurden.

Niemals wieder!

 

 

 

Weitere Informationen:

Werner Storch, Die Juden in der Herrschaft Hardenberg, in: "Historische Beiträge", No. 3/1978, hrg. von der Stadt Velbert u. dem Bergischen Geschichtsverein, Velbert 1978, S. 43 - 62

Stadt Velbert (Hrg.), ... ein Zeuge sei dieses Steinmal. Jüdische Friedhöfe in Velbert. Eine Dokumentation, Velbert 1988

Wilfried Schmidt, Geschichte der Juden in Langenberg, Neviges und Velbert bis 1930, in: "Historische Beiträge", No. 11/1991

Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938 Nordrhein-Westfalen, Ludwig Steinheim-Institut, Kamp Verlag, Bochum 1999, S. 523

Elfi Pracht-Jörns, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil II: Regierungsbezirk Düsseldorf, J.P.Bachem Verlag, Köln 2000, S. 413 – 416

Frank Overhoff, Juden im Niederbergischen – Namen. Erinnerungen. Bibliografie, Maschinenmanuskript, o.O. 2010

Eduard Neumer/Frank Overhoff, „Nichts verschweigen – konkret reden“, hrg. vom Bergischen Geschichtsverein, Velbert 2011

Frank Overhoff, Biografische Skizzen zu Opfern der Shoah aus Langenberg, Neviges und Velbert, Scala-Verlag Velbert 2014

Astrid von Lauff (Red.), Gunter Demnig verlegt weitere Stolpersteine, in: „Stadtanzeiger“ vom 7.6.2014

Auflistung der in Velbert verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: genealogy.net/Velbert/Stolpersteine

Jasche Winking (Red.), Jüdisches Leben in Langenberg, in: „WAZ – Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ vom 2.11.2016

Klaus Kahle (Red.), Velberter Pfarrer stellt jüdische Alltagsgeschichte in Fokus, in: „NRZ – Neue Ruhr-Zeitung“ vom 23.3.2017

Christopher Shepherd (Red.), In Heiligenhaus sollen bald mehr Stolpersteine kommen, in: „WAZ – Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ vom 20.3.2019

Rainer Köster, „Ewig kann`s nicht Winter sein“. Widerstand und Verfolgung in Heiligenhaus von 1933 bis 1945, Heiligenhaus 2019

Ulrich Bangert (Red.), Langenberg/Neviges. Tafeln informieren über jüdisches Leben, in: „WAZ - Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ vom 30.5.2019

Sascha Döring (Red.), Modell der Synagoge Velbert-Langenberg steht in Wuppertal, in: „WAZ – Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ vom 10.12.2019

Henry Kreilmann (Red.), Gedenken. Stadt setzt drei neue Stolpersteine, in: rp-online.de vom 17.2.2020

Yvonne Szabo (Red.), Velbert: Die Schicksale hinter den Stolpersteinen aufzeigen, in: „WAZ – Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ vom 4.3.2020

Maren Menke (Red.), Neu im Velberter Stadtarchiv: Dokumentation über die Stolpersteine, in: „Stadtanzeiger“ vom 7.7.2020

Kathrin Melliwa (Red.), Evangelische Gemeinde erinnert an jüdische Mitbürger, in: "WAZ – Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ vom 31.7.2020

Verena Sarnoch (Red.), Heiligenhauser erinnern an ermordete Familie Oss, in: „WAZ – Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ vom 13.9.2021

Klaus Kahle (Red.), Schicksale und Erlebnisse aus der NS-Zeit lebendig halten, in: „WAZ – Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ vom 14.9.2021

Henry Kreilmann (Red.), Heiligenhauser Opfer des Nazi-Terrors. Neue Stolpersteine erinnern an drei Geschwister, in: rp-online.de vom 27.3.2022

Achim Blazy (Red.), Aktion in Heiligenhaus geht weiter – Stolpersteine zum Gedenken an Familie Jacobs, in: rp-online.de vom 12.6.2022

Ulrich Bangert (Red.), Weitere Stolpersteine sollen in Neviges an die Opfer des NS-Terrors erinnern, in: „Westdeutsche Zeitung“ vom 28.2.2023

köh/RP (Red.), Zwei Adressen für die „Stolpersteine“, in: „Rheinische Post“ vom 12.6.2023 (betr. Heiligenhaus)

Ulrich Bangert (Red.), Auf dem jüdischen Friedhof Neviges wurden von 1791 bis 1929 Bestattungen durchgeführt, in: „Westdeutsche Zeitung“ vom 21.9.2023

Laura Vorberg (Red.), Erinnerungskultur in Heiligenhaus – Ein Stein wider das Vergessen, in: „Rheinische Post“ vom 25.9.2023

Ulrich Bangert (Red.), Nevigeser Juden waren vor der Zeit der NS-Diktatur angesehene Bürger der Stadt, in: „Westdeutsche Zeitung“ vom 28.1.2024