Osthofen (Rheinland-Pfalz)

Bildergebnis für landkreis alzey worms karte ortsdienst Osthofen – 1970 zur Stadt erhoben und derzeit ca. 8.000 Einwohner zählend - ist eine Kommune in der Verbandsgemeinde Wonnegau im Landkreis Alzey-Worms – ca. zehn Kilometer nördlich von Worms gelegen (Kartenskizzen 'Rheinhessen', Lencer 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0  und  'Landkreis Alzey-Worms', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Gegen Mitte des 16.Jahrhunderts wurden erstmals Juden im kurpfälzischen Osthofen urkundlich erwähnt; um 1700 lebten einige wenige Familien am Ort. Seit etwa 1815 verfügte die kleine, relativ wohlhabende Gemeinde über eine eigene Synagoge, die bis zum Bau einer neuen (1875) in Nutzung war. Der kleine Ziegelbau trug am Portal folgende Inschrift in hebräischer und deutscher Sprache: „Ich freue mich, wenn man zu mir spricht: Laß in des Ewigen Haus uns gehen.”

                       Synagogengebäude - Relief auf einer Gedenktafel (Aufn. M. Ohmsen)

Religions- und Hebräischunterricht wurden zeitweise durch einen eigens von der Gemeinde angestellten Lehrer erteilt (bis 1895/1900). Zu den hohen Feiertagen suchte die jüdische Gemeinde regelmäßig einen Hilfsvorbeter.

   
                             
Anzeigen aus der Zeitschrift „Der Israelit“ aus den Jahren 1900, 1904 und 1909                                            

Der jüdische Friedhof wurde um 1830/1835 in der Gemarkung Bechtheim (Mettenheimer Chaussee) angelegt; er diente auch den Verstorbenen aus umliegenden kleinen Ortschaften als letzte Ruhestätte.

Zur Osthofener Kultusgemeinde, die dem Rabbinatsbezirk Worms unterstand, zählten auch die jüdischen Einwohner in Rheindürkheim und Westhofen. Seit der Jahrhundertwende nannte sich die Gemeinde offiziell „Jüdische Religionsgemeinde Osthofen-Rheindürkheim“. Dieser Kultusgemeinde angeschlossen waren nach Auflösung kleinerer Gemeinden aus der Umgebung auch die in diesen Ortschaften noch lebenden jüdischen Einwohner, so aus Abenheim, Pfeddersheim und Westhofen.

Juden in Osthofen:

    --- 1722 ...........................   5 jüdische Familien,

    --- um 1745 ........................   7     “       “    ,

    --- 1806 ...........................  13     “       “    ,

    --- 1824 ........................... 102 Juden,

    --- 1830 ...........................  96   “  ,

    --- um 1840 .................... ca. 130   "  ,

    --- 1861 ........................... 125   “  ,

    --- um 1855 ........................ 121   “  (in ca. 20 Familien),

    --- 1885 ........................... 126   “  ,

    --- 1900/05 ........................ 116   “  ,

    --- 1910 ........................... 102   “  ,

    --- 1933 ....................... ca.  80   “  ,

    --- 1937/39 .................... ca.  40   “  ,

    --- 1939 (Dez.) ....................  keine.

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 2, S. 191

und                 Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff, Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, S. 308

 

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20178/Osthofen%20Israelit%2028051900.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20209/Osthofen%20Israelit%2021071902.jpgzwei Anzeigen des Manufaktur-, Kurz- und Modegeschäftes L.Herz Söhne

In den letzten beiden Jahrzehnten des 19.Jahrhunderts erreichte die Osthofener Gemeinde ihren zahlenmäßigen Höchststand; 1933 lebten noch ca. 80 Juden in Osthofen; im Laufe der folgenden sechs Jahre verließen alle den Ort, um entweder in nahe größere Städte wie Frankfurt/M., Wiesbaden und Mainz zu ziehen oder zu emigrieren; die letzten jüdischen Bewohner gingen im Januar 1939. Während des Novemberpogroms von 1938 wurde die Synagoge in der heutigen Friedrich-Ebert-Straße von Nationalsozialisten demoliert und anschließend in Brand gesetzt; das Gebäude brannte bis auf die Umfassungsmauern nieder

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind 34 gebürtige bzw. längere Zeit in Osthofen wohnhaft gewesene jüdische Bürger Opfer der „Endlösung“ geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/osthofen_synagoge.htm).

Kz osthofen 01.jpg Auf dem Gelände einer ehemaligen Papierfabrik in Osthofen richteten die Nationalsozialisten im Frühjahr 1933 das erste Konzentrationslager auf hessischen Boden ein; in dem ‘Schutzhaftlager’ waren vor allem politische Gegner der NSDAP inhaftiert. Aber auch Juden aus der näheren und weiteren Umgebung wurden hier in "Schutzhaft" genommen, teilweise schwer misshandelt. Nach Schließung des Lagers im Juni/Juli 1934 wurde eine Reihe von Häftlingen in andere KZs wie Dachau und in die Emslandlager, aber auch in das Staatspolizeigefängnis Darmstadt überstellt. (obige Aufn.: Eingang zum ehem. Lagergelände, H.-P. Niepötter, aus: wikipedia.org CC BY-SA 2.5)

 

In den 1950er Jahren wurde die Synagogenruine abgebrochen und an ihrer Stelle ein Wohnhaus errichtet.

              Ruine des Synagogengebäudes, mit Portalinschrift (Aufn. um 1950, Landesamt)

 In unmittelbarer Nähe der ehemaligen Synagoge wurde 1985 am evangelischen Gemeindehaus eine Gedenktafel mit der folgenden Inschrift angebracht:

                                   Gedenktafel (Aufn. J. Hahn, 2005)

undefined Der erste sog. „Stolperstein“ Osthofens wurde 2023 in die Gehwegpflasterung in der Schwerdstraße eingelassen; er erinnert an den jüdischen Industriellen Ludwig Ebert, der als Gründer/ Besitzer des Papierwerks zahlreichen Familien über Jahrzehnte hinweg Lohn und Brot gab und sich durch seine soziales Engagement auszeichnete. 1934 wurde Ludwig Ebert inhaftiert, sein Betrieb ‚arisiert‘. Seine Flucht in die Niederlande konnte nicht sein Leben retten; denn von hier aus wurde er später nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Der mit alten Bäumen bestandene jüdische Friedhof an der Mettenheimer Straße ist das einzige bauliche Relikt jüdischer Ortsgeschichte. Auf dem ca. 2.300 m² großen Areal findet man heute noch eine relativ große Zahl von Grabsteinen, die ältesten vorhandenen Steine datieren aus der Zeit von 1830/1840.

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Eingangstor und Grabstätten des jüdischen Friedhofs in Osthofen (Aufn. J. Hahn, 2005 und Michael Ohmsen, 2011)

Ein noch älterer Vorgängerfriedhof befand sich an der Ecke Hasengasse/Stärkmühlweg; über dessen Alter bzw. Nutzung ist kaum etwas bekannt. Heute ist das Gelände überbaut.

 

 

In den nahe Osthofen gelegenen Ortschaften Abenheim und Bechtheim lebten im 19.Jahrhundert auch jüdische Familien, die dort eigene Gemeinden bildeten.

[vgl.  Bechtheim (Hessen)]

 

Hinweis: Im gleichnamigen elsässischen Osthofen (Osthoffen) gab es auch eine israelitische Gemeinde.

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 2, S. 191/192

Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz (Hrg.), Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus in Rheinland-Pfalz, 2.Aufl., Mainz 1991, S. 87 - 92 

Angelika Arenz-Morch, "Zur Erziehung ist eine längere Schutzhaft nötig". Das Konzentrationslager des Volksstaates Hessen im rheinhessischen Osthofen, in: "SACHOR. Beiträge zur jüdischen Geschichte in Rheinland-Pfalz", Ausgabe 1/1995, Heft Nr. 9, S. 46 - 64

Osthofen (Pfalz), in: alemannia-judaica.de (mit diversen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 308/309

Hans-Dieter Graf (Red.), Ein Tag voller Terror und Zerstörung. Gedenken. Am 10.November 1938 wurde die Synagoge in Osthofen niedergebrannt, in: "Wormser Zeitung - Rhein Main Presse" vom 9.11.2015

Ulrike Schäfer (Red.), Führung über den jüdischen Friedhof in Osthofen, in: "Wormser Zeitung - Rhein-Main-Presse“ vom 12.8.2020

Roland Keth (Red.), Stolpersteine werden auch in Osthofen verlegt, in: „Allgemeine Zeitung“ vom 11.11.2022

N.N. (Red.), Erste Stolperstein-Verleung in Osthofen, in: „Nibelungen Kurier“ vom 7.1.2023