Neu-Ulm/Schwaben (Bayern)

Datei:Neu-Ulm in NU.svg Neu-Ulm mit derzeit ca. 53.000 Einwohnern ist Kreisstadt und Verwaltungssitz des Landkreises Neu-Ulm im bayerischen Regierungsbezirk Schwaben – gelegen an der Westgrenze Bayerns am rechten Ufer der Donau gegenüber der Großstadt Ulm (Kartenskizzen 'Oberschwaben', M. Dörrbecker, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 2.5  und  'Landkreis Neu-Ulm', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Die sich in den 1870er Jahren gebildete israelitische Gemeinde in Neu-Ulm war eine Filialgemeinde von Ichenhausen; sie setzte sich aus „Landjuden“ umliegender Dörfer zusammen, die sich in Neu-Ulm bessere wirtschaftliche Bedingungen erhofften. Erster jüdischer Bewohner Neu-Ulms war ein aus Langenschwalbach zugezogener Kaufmann; ihm folgten etwa zehn Jahre später etliche Familien aus Ichenhausen nach. Teilweise wohnten in Neu-Ulm nur die jüdischen Kaufleute, die im nahen Ulm ihre Geschäfte betrieben.

Die in Neu-Ulm lebenden Juden besaßen keine eigene Synagoge, auch keinen Betraum; sie benutzten die Einrichtungen der Kultusgemeinde Ulm mit.

[vgl. Ulm (Baden-Württemberg)]

Verstorbene Neu-Ulmer Juden wurden seit 1875 auf einem kleinen abgegrenzten Areal des hiesigen kommunalen Friedhofs begraben; doch zumeist fanden sie auch weiterhin auf dem jüdischen Friedhof in Ichenhausen ihre letzte Ruhe.

Trotz enger Bindungen an die Kultusgemeinde Ulm gehörte die Gemeinde Neu-Ulm zum Rabbinat Ichenhausen.

Juden in Neu-Ulm:

         --- 1890 ...........................  84 Juden,

    --- 1900 ...........................  85   “  ,

    --- 1905 ........................... 121   “  ,

    --- 1910 ...........................  96   “  ,

    --- 1925 ...........................  76   “  ,

    --- 1933 ...........................  44   “  ,*      * andere Angabe: 70 Pers.

    --- 1938 ....................... ca.  40   “  ,

    --- 1943 (März) ....................  10   “  ,

             (Mai) .....................   3   “  .

Angaben aus: Konrad Geiger, Die Entrechtung und Verfolgung der Juden Neu-Ulms nach 1933

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20195/Neu-Ulm%20Israelit%2016101890.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20195/Neu-Ulm%20Israelit%2016031891.jpgzwei gewerbliche Anzeigen von 1890/1891

aus: "Gemeindezeitung für die Isr. Gemeinden Württ." vom 16.11.1929http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20395/Neu-Ulm%20GemZeitung%20Wue%2016111929.jpg

Zu antisemitischen Aktionen, wie z.B. die Plakatierung antijüdischer Schilder, kam es in Neu-Ulm nach der NS-Machtübernahme 1933 nur zögerlich, weil die Stadtverwaltung diese zunächst wegen fehlender „rechtlicher und tatsächlicher Grundlage“ nicht genehmigte.

Nach dem Novemberpogrom von 1938 wurden auch in Neu-Ulm die jüdischen Familien in „Judenhäuser“ einquartiert und jüdisches Wohneigentum „arisiert“. Bis 1941 gelang es einigen Familien zu emigrieren; Auswanderungen von 14 Personen sind dokumentiert; andere verzogen in größere Städte innerhalb Deutschlands. Elf jüdische Ortsbewohner sind - über München-Milbertshofen - deportiert worden. Noch im Februar 1945 (!) wurde ein „in Mischehe“ lebender Jude nach Theresienstadt abtransportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden 19 gebürtige Neu-Ulmer Juden Opfer der „Endlösung(namentliche Nennung der Opfer siehe: alemannia-judaica.de/neu-ulm_friedhof.htm).

 

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2045/Neu-Ulm%20Friedhof%20101.jpghttp://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2045/Neu-Ulm%20Friedhof%20100.jpg Auf dem Gräberfeld des kommunalen Friedhofs in Neu-Ulm wurde 1985 eine schlichte Gedenkstele aufgestellt, die das kleine Areal als „Ruhestätte jüdischer Mitbürger“ ausweist; es sind etwa 50 Grabstätten vorhanden (Aufn. J. Hahn, 2004).

Das Projekt „Stolpersteine für Neu-Ulm“ hat im Jahre 2015 mit der Verlegung von zehn Steinen begonnen; die an vier Stellen anzutreffenden Steine wurden ausschließlich aus privaten Mitteln finanziert; weitere "Stolpersteine" folgten, so dass inzwischen nun ca. 30 kleine messingfaarbene Steinquader ihren Platz in den Gehwegen gefunden haben (Stand 2023).

File:Stolpersteine für die Familie Bissinger in Neu-Ulm.JPGverlegt für Fam. Bissinger, Augsburger Str. (Aufn. M., 2015, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

... und in der Beethoven- und Bahnhofstraße

Auch für Angehörige der Familie Neumann, die ihr Leben durch die Emigration (1937) nach Brasilien bzw. in die USA retten konnten, wurden drei Steine verlegt.

   Stolpersteine für Familie Neumann in Neu-Ulm.jpg (Aufn. L., 2019, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

In Neu-Ulm war von 1946 bis 1951 in der damaligen Ludendorff-Kaserne ein DP-Lager für Juden untergebracht. Zahlreiche jüdische DPs wurden aus dem überfüllten DP-Camp von Bad Aibling und aus der Münchener Funkkaserne hierher verlegt. In den Jahren 1947/1948 betrug die durchschnittliche Lagerbelegung in Neu-Ulm ca. 1.700 Personen. Die jüdische Lager-Selbstverwaltung organisierte Schulen, Lehrwerkstätten, Sportvereine, Theater, Bibliotheken, Synagogen und sogar eine eigene Polizei. Der jüdischen Wehrorganisation „Hagana“ diente das DP-Camp auch als Ausbildungsstätte für Kämpfer, die sich auf den israelischen Unabhängigkeitskrieg vorbereiteten.1949 hielten sich in Neu-Ulm immer noch etwa 1.100 jüdische DPs auf. Im März 1951 wurde das Lager geräumt und wenige Monate später offiziell geschlossen.

Nach 1945 gab es ein jüdisches Gemeindezentrum für amerikanisch-jüdische Armeeangehörige in Neu-Ulm, das bis in die 1980er-Jahre bestand.

 

 

 

Weitere Informationen:

Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Verlag Oldenbourg München/Wien 1979, S. 485

Gernot Römer, Der Leidensweg der Juden in Schwaben. Schicksale von 1933 - 1945 in Berichten, Dokumenten und Zahlen, Presse-Druck- und Verlags-GmbH Augsburg, Augsburg 1983, S. 99 - 101

Israel Schwierz, Steinerne Zeugen jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 272

Konrad Geiger, Die Entrechtung und Verfolgung der Juden Neu-Ulms nach 1933, in: Stadt Neu-Ulm 1869 - 1994 (Stadtgeschichte), Neu-Ulm 1994, S. 332 - 338

Ein fast normales Leben - Erinnerungen an die jüdischen Gemeinden Schwabens. Ausstellungskatalog der Stiftung Jüdisches Kulturmuseum Augsburg-Schwaben, Augsburg 1995

Landkreis Neu-Ulm (Hrg.), Der jüdische Friedhof in Neu-Ulm, (hektographiertes Manuskript), o.J.

Michael Trüger, Der jüdische Friedhof in Neu-Ulm /Schwaben, in: "Der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern", 16.Jg., No. 85/2001, S. 16

Erich J. Geßner, Altenstadt und Osterberg: Sammelband zur Geschichte jüdischer Gemeinden im Landkreis Neu-Ulm, Hrg. Landkreis Neu-Ulm, 2.Aufl., Neu-Ulm 2001

Neu-Ulm, in: alemannia-judaica.de (mit zumeist personenbezogenen Dokumenten aus der jüdischen Ortshistorie)

Neu-Ulm – Jüdisches DP Lager – Jewish DP Camp, online abrufbar unter: after-the-shoa.org

Ein Zeichen gegen das Vergessen. Die ersten „Stolpersteine“ in Neu-Ulm, in: nu-neu-ulm.de

Auflistung der in Neu-Ulm verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Neu-Ulm

ruk (Red.), 34 weitere Stolpersteine für Ulm und Neu-Ulm, in: „Südwest-Presse“ vom 13.10.2017

N.N. (Red.), Neue Stolpersteine erinnern an weitere Nazi-Opfer, in: „Schwäbische Zeitung“ vom 1.4.2019

Ralf Grimminger (Red,.), Sechs Stolpersteine gegen das Vergessen, in: „ulm-news – Nachrichten für Ulm und Umgebung" vom 6.4.2019