Hohebach/Jagst (Baden-Württemberg)

Datei:Dörzbach in KÜN.svg Hohebach ist heute ein Ortsteil der Kommune Dörzbach im Norden des Hohenlohe-Kreises - ca. zehn Kilometer nördlich der Kreisstadt Künzelsau bzw. 15 Kilometer südlich von Bad Mergentheim gelegen (Kartenskizze 'Hohenlohe-Kreis', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Die erste urkundliche Erwähnung von Juden in Hohebach stammt aus dem Jahre 1348; diese sollen nach Angaben des „Nürnberger Memorbuches“ Opfer der Pestpogrome gewesen sein. Neuansiedlungen scheiterten vermutlich an der Weigerung der Grafen von Hohenlohe, jüdische Familien aufzunehmen. Erst gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges wurde Juden wieder erlaubt, sich in Hohebach niederzulassen; der landesherrschaftliche Schutz war jedoch zeitlich befristet und musste nach Ablauf jeweils verlängert werden. Als ab 1806 die Region zum Königreich Württemberg gehörte, besserte sich die Lage der Juden: u.a. wurden Leibzölle abgeschafft, der Erwerb von Immobilienbesitz und der Beitritt zu Zünften erlaubt. Von den Verbesserungen profitierten auch die Hohebacher Juden, deren Zahl bis gegen Mitte des 19.Jahrhunderts deutlich anwuchs.

1817 bildete sich in Hohebach eine autonome jüdische Kultusgemeinde; bis dahin hatten die jüdischen Bewohner der Gemeinde in Ailringen angehört. Ab ca. 1890 wurden die wenigen Juden der einst blühenden jüdischen Gemeinde Dörzbach der Hohebacher Gemeinde angeschlossen.

[vgl.  Dörzbach (Baden-Württemberg)]

Seit den 1680er Jahren verfügten die Hohebacher Juden über einen Betraum in einem Privathaus. Nach der Loslösung von der Ailringer Muttergemeinde erbaute die hiesige Judenschaft 1818 eine eigene Synagoge, die im Erdgeschoss einen Raum für Männer, auf der Empore einen Raum für Frauen aufwies. Im Obergeschoss des Synagogengebäudes befanden sich die Schule und die Lehrerwohnung.

                                  Synagogengebäude in Hohebach (hist. Aufn., um 1930)

Nachdem sich die Ailringer Juden der Hohebacher Kultusgemeinde angeschlossen hatten, wurde das Synagogengebäude umgebaut und vergrößert. Seit ca. 1870 zählten auch die Juden aus Hollenbach und Mulfingen zur Hohebacher Gemeinde. Für die Besorgung religiöser Aufgaben war seitens der Gemeinde ein Lehrer angestellt.

           https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20242/Hohebach%20Israelit%2023051901.jpg „Stellenbesetzung auf Zeit“, aus: „Der Israelit“ vom 23.5.1901

Ihre verstorbenen Angehörigen beerdigte die jüdische Gemeinde bis um 1740 auf dem Friedhof zu Unterbalbach, danach in Weikersheim. Erst gegen Mitte des 19.Jahrhunderts wurde oberhalb der Landstraße Hohebach - Ailringen eine eigene Begräbnisstätte angelegt. Das ca. 2.000 m² große Gelände – es war zuvor als Weinberg genutzt worden - hatte die Gemeinde im Jahre 1852 käuflich erworben. Auf dem nun eingefriedeten Gelände fanden neben Verstorbenen aus Hohebach auch Juden aus Ailringen, Altkrautheim, Dörzbach, Hollenbach, Laibach, Künzelau und Mulfingen ihre letzte Ruhe.

Die jüdische Kultusgemeinde Hohebach unterstand bis zum Ersten Weltkrieg dem Rabbinat Weikersheim, anschließend bis zu ihrer Auflösung dem von Mergentheim.

Juden in Hohebach:

          --- um 1670 ........................  zwei jüdische Familien,

    --- um 1740 .................... ca.   40 Juden,

    --- 1811 ...........................   15 jüdische Familien (ca. 70 Pers.),

    --- 1824 ...........................  100 Juden (ca. 11% d. Bevölk.),

    --- 1837 ...........................  134   “  ,

    --- 1840 ...........................  147   “  ,

    --- 1858 ....................... ca.  180   “  (ca. 30 Familien),

    --- 1886 ...........................  110   “  ,

    --- 1900 ...........................  101   “  (ca. 12% d. Bevölk.),

    --- 1910 ...........................   68   “  (ca. 9% d. Bevölk.),

    --- 1933 ...........................   42   “  ,

    --- 1941 ....................... ca.   10   “  ,

    --- 1942 (Sept.) ...................   keine.

Angaben aus: P.Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg u. Hohenzollern. Denkmale, ..., S. 107

und                 Georg Leiberich/u.a., “Ich liebte dieses Dorf und seine Leute.”   Jüdisches Leben in Hohebach, S. 225

 

Um die Mitte des 19.Jahrhunderts zeigten sich erhebliche Unterschiede in der Sozialstruktur der jüdischen Gemeinde: Neben vier sehr wohlhabenden Familien lebte die Mehrheit eher in bescheidenen Verhältnissen; sechs Familien galten als arm. Eine Schlüsselrolle im dörflichen Leben Hohebachs kam über lange Zeit den jüdischen Viehhändlern zu, die sich untereinander heftige Konkurrenz machten; gab es um 1885 noch 17 Viehhändler*, waren es 20 Jahre später nur noch sieben. * Viehhändler betätigten sich auch gleichzeitig als sog. Schmuser; d.h. als eine Art Heiratsvermittler. Denn auf Grund ihres relativ großen Geschäftsradius hatten sie Kenntnis über Heiratswillige, die oft durch ihre Vermittlung eine Ehe eingingen.

Um 1900 war der jüdische Bevölkerungsanteil schon deutlich gesunken. Am Ort gab es noch zehn Geschäfte bzw. Unternehmen, die in jüdischem Besitz waren: eine Gastwirtschaft, drei Manufakturwaren- und zwei Spezereiwarenhandlungen, zwei Landesproduktenhandlungen, ein Kurzwarengeschäft und eine Bank.

Die ersten Jahre nach der NS-Machtübernahme änderten das Leben der hiesigen jüdischen Dorfbewohner noch nicht tiefgreifend; erst nach 1936 begann auch hier sich die antisemitische NS-Politik auszuwirken; den jüdischen Händlern wurde ihre Gewerbezulassung entzogen, womit sie in den wirtschaftlichen Ruin getrieben wurden.

In der „Kristallnacht“ demolierte ein SA-Trupp aus Dörzbach und Hohebach die Inneneinrichtung der Synagoge und die dort befindlichen Kultgegenstände, anschließend das zerstörte Inventar auf einer Freifläche verbrannt. Von einer Brandlegung des Synagogengebäudes hatte man Abstand genommen, weil angrenzende Gebäude gefährdet waren. Die wenigen jüdischen Geschäfte und Privathäuser blieben in jener Nacht verschont. 25 jüdische Bewohner Hohebachs konnten noch rechtzeitig emigrieren, zumeist in die USA. 1941/1942 mussten die letzten jüdischen Dorfbewohner Hohebach verlassen und sich Deportationstransporten anschließen; keiner von ihnen soll überlebt haben.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden 24 gebürtige bzw. längere Zeit am Ort lebende Juden Opfer des Holocaust (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/hohebach_synagoge.htm).

 

Seit 1986 erinnert eine Hinweistafel an die einstige Synagoge; das Gebäude - es war 1943 in kommunalen Besitz übergegangen - wird heute als Wohnhaus genutzt.

Synagoge Hohebach 2013 (1).jpg Ehem. Synagogengebäude (Aufn. Harke, 2013, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Das ca. 1.900 m² große jüdische Friedhofsareal nordöstlich von Hohebach weist etwa 300 Gräber auf.

 

Eingangstor und Blick auf den jüdischen Friedhof bei Hohebach (Aufn. Harke, 2011 und Roman Eisele, 2019, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Klassizistische Grabmale (Aufn. H., 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0) File:Jüdischer Friedhof Hohebach (3).jpg

An acht 1941/1942 deportierte und ermordete Juden der ehemaligen Gemeinde erinnert ein Gedenkstein auf dem Friedhofsgelände.

 

 Salomon Hirsch (Abb. aus: wikipedia.org, CCO) wurde 1839 in Hohebach als Sohn des Händlers Samson Hirsch geboren; als 15jährger wanderte er in die USA aus und machte dort später Karriere; u.a. war er als Gesandter der USA im Osmanischen Reich tätig.

Aus einem Zeitungsartikel von 1889: „... Der von dem Präsidenten Harrison zum Gesandten der Vereinigten Staaten von Amerika in Konstantinopel ernannte Herr Salomon Hirsch ist ein geborener Württemberger. Derselbe, von armen jüdischen Eltern stammend, kam als 15-jähriger Knabe nach Amerika und steht jetzt im 51. Lebensjahre. Er erwarb sich unter großen Mühen und Entbehrungen ein bedeutendes Vermögen und wurde 1864 Mitinhaber des Großhandlungshauses Fleischner, Meyer & Co. in Portland-Oregon. Er wurde wiederholt in der Staats-Senat gewählt, dessen Präsident er auch einmal war. ...“ Salomon Hirsch verstarb 1902 in Portland (Oregon/USA).

 

 

Im Dörzbacher Ortsteil Laibach gab es bis um die Mitte des 19.Jahrhunderts eine jüdische Gemeinde; ihre Entstehung geht auf die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg zurück, als die Freiherren von Racknitz Juden hier eine Ansiedlung erlaubten. Das jüdische Wohngebiet lag in der bis um 1950 sogenannten „Judengasse“; hier befand sich auch die Synagoge mit Judenschule. Gegen Ende des 19.Jahrhunderts wurde das Gebäude abgerissen.

 

 

 

Weitere Informationen:

Ludwig Eyth, Chronik von Hohebach, o.O. 1904

Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale - Geschichte - Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1966, S. 107/108 und S.112

Jürgen Hermann Rauser, Ortsgeschichte Hohebach, in: "Dörzbacher Heimatbuch 1980"

Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 255 - 258

Rainer Gross, Juden in Hohebach - Von der Ansiedlung bis zum Ende der jüdischen Gemeinde. Vortrag beim Studientag ‘Judentum’ am 19.10.1997 in Hohebach

Juden in Hohebach - Dokumentation, Hrg. Evangelische Kirchengemeinde Hohebach, 1998

Georg Leiberich/u.a., “Ich liebte dieses Dorf und seine Leute.” - Jüdisches Leben in Hohebach, aus: "Heimatbuch der Gemeinde Dörzbach", o.J., S. 223 - 246

Naftali B.G. Bamberger, Memor-Buch. Die jüdischen Friedhöfe im Hohenlohekreis (2 Bände), Hrg. Landratsamt Hohenlohekreis, 2002

Eva Maria Kraiss/Marion Reuter, Bet Hachajim - Haus des Lebens. Jüdische Friedhöfe in Württembergisch Franken, Swiridoff Verlag, Künzelsau 2003, S. 80 - 89

Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 91 - 94

Hohebach, in: alemannia-judaica.de (mit diversen, zumeist personenbezogenen Textdokumenten)