Hagen im Bremischen (Niedersachsen)

Datei:Hagen in CUX.svg Der nördlich Bremens gelegene Ort Hagen i. Bremischen war Verwaltungsmittelpunkt eines größeren Bezirks; heute ist Hagen eine Einheitsgemeinde im Landkreis Cuxhaven mit ca. 4.000 Einwohnern (Kartenskizze 'Landkreis Cuxhaven', Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Jüdische Ansiedlungen im Amt Hagen muss es bereits im 18.Jahrhundert gegeben haben; denn spätestens seit 1786 ist ein Begräbnisplatz im benachbarten Forst Döhren nachweisbar. Seit ca. 1800 soll es auch einen Betraum gegeben haben, der von den wenigen jüdischen Familien Hagens und vielleicht auch von denen aus Sandstedt und Bramstedt genutzt wurde. 1853 wurde in Hagen eine Religionsschule eingerichtet; allerdings brachte die Besoldung des Lehrers die Gemeinde in finanzielle Schwierigkeiten, sodass die Lehrerstelle zeitweise unbesetzt blieb. Im Jahre 1861 erstellte man eine Synagoge, die nun als Mittelpunkt der ca. 80köpfigen Gemeinde diente. Das Gebäude war ein schlichter eingeschossiger Backsteinbau, dessen Innenraum mit einem blauen Sternenhimmel ausgemalt war. Zwei getrennte Bankreihen – jeweils eine für Männer und eine Frauen - boten etwa 50 Personen Platz. 

                                                Synagoge in Hagen (Skizze unbekannt) 

Das jüdische Gemeindezentrum ging auf eine Stiftung des jüdischen Kaufmanns Abraham Gottschalck (1760-1860) - er hatte diese kurz vor seinem Tode eingerichtet - zurück. Der aus Bamberg stammende Gemischtwarenhändler lebte mit seiner Frau und acht Kindern in Hagen.

Die 1844 sich konstituierende Synagogengemeinde unterstand dem Landrabbinat Stade und umfasste auch die Ortschaften Altluneberg, Beverstedt, Bramstedt, Cassebruch, Harrendorf und Sandstedt an. 1914 schloss sich die Gemeinde Uthlede der Synagogengemeinde Hagen an.

Juden in Hagen/Beverstedt:

    --- 1816 ........................  4 jüdische Familien,*      * in Hagen    

    --- 1870 .................... ca. 80 Juden,**   **Gemeinde (einer anderen Angabe zufolge soll die Hagener Gemeinde im Jahre 1870 ca. 150 Angehörige besessen haben.)

    --- 1895 ........................ 56   “  ,**

    --- 1914 .................... ca. 60   “  ,**

    --- 1928 ........................ 60   “  ,**

    --- 1931 ........................ 58   “  ,**

    --- 1939 ........................  ?    “  .

Angaben aus: Jürgen Bohmbach (Bearb.), Hagen, in: H. Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen .., Bd. 1, S. 689

 

Zu Beginn der 1930er Jahre besaß die Hagener Synagogengemeinde immer noch ca. 60 Angehörige; d.h. die Gemeindegröße war relativ konstant geblieben.

Nach der Beerdigung der Jüdin Ida Leeser (1935) erschien in der Presse der folgende Kurzartikel: „Wie wenig ein großer Teil unserer Bevölkerung bisher über die Judenfrage aufgeklärt ist, zeigte eine Judenbeerdigung, die kürzlich in Hagen stattfand. Viele deutsche Volksgenossen schickten Kränze zum Trauerhaus, und nicht wenige Volksgenossen gingen am Nachmittag zur Beerdigung der verstorbenen Jüdin. Der Rabbiner stellte dies auch fest, als er die deutschen Volksgenossen und Volksgenossinnen mit Handschlag begrüßte. Als sich der Trauerzug dann zum israelitischen Friedhof in Bewegung setzte, folgten den auf dem christlichen Leichenwagen gefahrenen Sarge in buntem Durcheinander mit den Juden deutsche Volksgenossen. Dieser Vorgang möchte festgehalten werden.“ (aus: "Nordwestdeutsche Zeitung" vom 26.7.1935)

Über das weitere Schicksal der Hagener Gemeindeangehörigen gibt es nur wenige gesicherte Angaben. Während der Novembertage 1938 wurde die Synagoge in Hagen in Brand gesetzt. Mitte November 1941 wurden die wenigen jüdischen Bewohner via Bremen „in den Osten“ deportiert. Mindestens 13 Angehörige der Hagener Gemeinde wurden Opfer des Holocaust.

 

Seit 1982 erinnert in der Ortsmitte – vor der Martin-Luther-Kirche – ein Gedenkstein an die einstige Synagoge Hagens; dessen Inschrift lautet: „Die Synagoge der ehemaligen jüdischen Gemeinde in Hagen wurde 1938 abgebrannt. In betroffener Trauer mahnen wir: Macht Frieden mit allen Menschen, mit Menschen anderen Glaubens, anderer Sprache, Farbe, Herkunft oder Überzeugung.“ Rückseitig ist in hebräischer Sprache zu lesen: „Unser Heiligtum ist in Flammen aufgegangen, doch wisset, spricht der Herr, neuschaffen will ich Jerusalem zum Jubel.“

   Gedenkstein vor der Kirche (Aufn. Arnold Plesse, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Heute erinnern kleine Friedhöfe in Hagen und Beverstedt an einstiges jüdisches Leben in der Region. Das in einem Wäldchen versteckt liegende ca. 1.400 m² große Friedhofsgelände in Hagen "Am Dörenacker" weist heute noch ca. 80 Grabsteine auf.

   zwei Grabsteine (Aufn. Arnold Plesse, 2013, aus: wikipedia.org, CC BY 3.0)

Auf einem Gedenkstein sind namentlich die in den Jahren 1933 – 1945 gewaltsam ums Leben gekommenen jüdischen Bürger aufgeführt (Aufn. Arnold Plesse, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

Zudem erinnert in der Ortschaft Beverstedt auf dem kleinflächigen Friedhof - hier sind noch ca. 20 Grabsteine zu finden - eine Gedenkstele an sechs in der NS-Zeit ermordete Angehörige der Familie Brumsack.

            Gedenkstele für Angehörige der Familie Brumsack (Aufn. Arnold Plesse, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

Die dem Landrabbinat Stade unterstehende kleine Synagogengemeinde Uthlede besaß nie mehr als 50 Angehörige; 1871 waren es 37 Personen. In den 1850er Jahren besaß die winzige Gemeinde eine eigene Schule; spätestens 1881 gehörten die jüdischen Kinder dem benachbarten Schulverband in Hagen an. Als die Zahl der Gemeindeangehörigen stark abnahm, schloss man sich 1914 der Synagogengemeinde Hagen an. Mitte der 1920er Jahre lebten in Uthlede nur noch sechs jüdische Bewohner. Ein Friedhof befand sich am Spreeken in Schwanewede; dieser wurde seit Ende der 1770er Jahre ebenfalls von den jüdischen Familien des Umlandes genutzt; so wurden hier auch zeitweise verstorbene Juden aus Blumenthal beerdigt. Heute findet man auf dem Areal ca. 110 Grabdenkmäler; die ältesten stammen aus der Zeit um 1820.

 Friedhof in Schwanewede (Aufn. Rolf Kobbe, 2009, aus: friedhof-bremen.jimdo.com)

Eine Stele an der Achterstraße erinnert heute an die letzte jüdische Ortsbewohnerin (Rieke Baar), die 1942 als 88jährige nach Theresienstadt verschleppt wurde.

 

 

Weitere Informationen:

Klaus-Peter Schulz (Bearb.), Dokumentation des jüdischen Friedhofs von Beverstedt, Kreisheimatmuseum Osterholz 1980/1981

Uwe Weiher, Die jüdische Gemeinde an der Unterweser. Vom ‘deutschen Staatsbürger jüdischen Glaubens’ zum ‘Feind im eigenen Land’, in: "Kleine Schriftenreihe des Staatsarchivs Bremerhaven", No. 7/1989

Horst Zientz, Der jüdische Friedhof und Fam. Riese, in: H. Zientz (Bearb.), Schwanewede – ein Dorf im Herzogtum Bremen auf der Geest, hrg. vom Heimatverein Schwanewede e.V., Schwanewede 1991

Hansdieter Kurth, Das Leben in der jüdischen Gemeinde Hagen, in: "Unter der Staleke. Heimatzeitung für die Samtgemeinde Hagen", No. 145/2002, S. 32 f.

Jürgen Bohmbach (Bearb.), Hagen, in: Herbert Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Wallstein-Verlag, Göttingen 2005, Band 1, S. 688 – 690

Jürgen Bohmbach (Bearb.), Uthlede, in: Herbert Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Wallstein-Verlag, Göttingen 2005, Band 2, S. 1491 – 1493

Herbert Scholz, Haus der Ewigkeit: Der jüdische Friedhof in Schwanewede. Eine historische und dokumentarische Darstellung, Clausthal-Zellerfeld, 2013

Andrea Grotheer (Red.), Hagen im Dritten Reich Spuren der jüdischen Vergangenheit in Hagen, in: „Weser-Kurier“ vom 16.8.2014

Jens Gehrke (Red.), Gegen das Vergessen: Utlehde gedenkt letzter Jüdin im Ort mit einer Stele, in: „Nord24“ vom 25.4.2016

Andrea Grotheer (Red.), Auf den Spuren jüdischer Geschichte, in: „Osterholzer Kreisblatt“ vom 12.11.2018

Andrea Grotheer (Red.), Ausstellung in der Burg zu Hagen. Auf den Spuren der jüdischen Geschichte, in: „Weser-Kurier“ vom 3.3.2020