Gollnow

 POL Goleniow map.svg Gollnow a. d. Ina (poln. Goleniów) - nordöstlich von Stettin gelegen - war eine Kleinstadt im ehem. Kreis Naugard; derzeit leben in der Stadt etwa 22.000 Einwohner (Ausschnitt aus hist. Landkarte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Polen' mit Goleniów rot markiert, K. 2006, aus: commons.wikimedia.org CC BY-SA 3.0).

                     Goleniów1840.jpgOrtsansicht von Gollnow, um 1840 (Abb. aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei)

Jüdische Familien siedelten sich in Gollnow relativ spät an, erst nach 1812. Nach 1830 verstärkte sich der Zuzug aus Gebieten Westpreußens und Posens.

Die jüdische Gemeinde verfügte über eine Synagoge, die in den 1840er Jahren in der Petersilienstraße errichtet worden war, und einen bereits seit 1816 bestehenden eigenen Friedhof, der an der Stettiner Chaussee gelegen war.

Juden in Gollnow:

    --- 1782 ........................  62 Juden,*     * Region um Gollnow

    --- 1816 ........................  24   “  ,

    --- 1831 ........................ 137   “  ,

    --- 1840 ........................ 165   “  ,

    --- 1852 ........................ 131   "  ,

    --- 1861 ........................ 105   "  ,

    --- 1871 ........................ 143   “  ,

    --- 1880 ........................ 134   “  ,

    --- um 1895 ................. ca. 130   “  ,

    --- 1909 ........................ 120   “  ,

    --- 1925 ........................  66   “  ,*   *andere Angabe: 45 Pers.

    --- 1932 .................... ca.  65   “  ,

    --- 1939 ........................  39   "  .

Angaben aus: M.Heitmann/J.H.Schoeps (Hrg.), “Halte fern dem ganzen Land jedes Verderben ...”, S. 47

und                 Wolfgang Wilhelmus, Geschichte der Juden in Pommern, Statistik S. 251

 

Durch die Abwanderung der jüdischen Familien in die Großstädte verringerte sich seit dem Ende des 19.Jahrhunderts die Zahl der Gemeindeangehörigen deutlich. Die kleinen jüdischen Gemeinden Cammin, Naugard und Regenwalde schlossen sich um die Jahrhundertwende mit der Gollnows zu einer Bezirksgemeinde zusammen, um mit dem Schulverband die finanziellen Belastungen zu begrenzen.

Ansichtskarte / Postkarte Goleniów Gollnow Pommern, | akpool.de

Straßenzug mit Wolliner Tor, um 1905 und Bahnhofstraße, um 1910 (aus: akpool.de und wikipedia.org, CCO)

Bereits drei Wochen vor dem reichsweiten Boykott versuchten in Gollnow NS-Sympathisanten und SA-Angehörige das am Ort bestehende jüdische „Kaufhaus Oppel“ zu blockieren. In einem Bericht des Bürgermeisters von Gollnow vom 14.3.1933 hieß es:

„ ... Am 10.März ds. Js. und zwar im Laufe des Vormittags ... erschienen vor dem Oppel’schen Geschäft 2 junge Männer, die je ein Schild mit der Aufschrift ‘Deutsche, kauft deutsche Ware’ und ‘Deutsche, kauft nur bei Deutschen’ trugen. ... Im Zusammenhang damit entstand an den Ecken des Marktplatzes ein Menschenauflauf. ... Gleich darauf ... erschienen uniformierte SA Männer und nahmen in ziemlich geschlossener Form vor dem Ladeneingang Aufstellung und zwar derart, daß der Eingang vollkommen blockiert war. Mir sind Fälle bekannt, in denen das Betreten des Kaufhauses behindert wurde. ... In der darauffolgenden Nacht wurden die Schaufenster des Kaufhauses Oppel mit Farbe und Versen bestrichen. ...”

Im Jahre 1935 gab es in Gollnow noch ca. zwölf jüdische Gewerbetreibende.

Während des Novemberpogroms wurde die Synagoge in der Petersilienstraße von SA-Trupps aus Stettin zunächst verwüstet, kurz danach das Gebäude in Brand gesetzt; die Kosten der Trümmerbeseitigung wurden der jüdischen Gemeinde auferlegt.

In den Städten und Gemeinden Pommerns begann ab Mitte Februar 1940 die „Zwangsverschickung” der Juden aus Deutschland. Fast 1.200 jüdische Bewohner aus Stettin und anderen Ortschaften des Regierungsbezirks wurden in einer Nachtaktion am 12./13.Februar 1940 verhaftet und mit der Bahn nach Lublin verfrachtet. Dort mussten sie bei klirrender Kälte nach Piaski, Glusk und Belzyce marschieren. Auch jüdische Bewohner aus Gollnow gehörten diesem großen Deportationstransport an.

 

Im Jahre 1995 wurde auf dem zu einer Parkanlage umgestalteten ehemaligen jüdischen Begräbnisgelände ein Gedenkstein aufgestellt; kupferne Tafeln erinnern in mehreren Sprachen an dessen einstige Bestimmung.

http://www.shabbat-goy.com/wp-content/gallery/goleniow-kirkut/the-jewish-cemetery-of-goleniow-panorama.jpg Aufn. aus: shabbat-goy.com

 

 

In der Kleinstadt Massow (poln. Maszewo) – wenige Kilometer südöstlich von Gollnow gelegen – bestand im 19.Jahrhundert eine kleine israelitische Gemeinde mit maximal ca. 85 Angehörigen. 1925 waren es noch 14 Personen, Die letzten beiden jüdischen Familien - sie führten hier Geschcäfte – emigrierten Ende 1938 in die USA.Nur das in Vergessenheit geratene und völlig verwahrloste jüdische Friedhofsgelände erinnert heute noch daran, dass im Ort ehemals Familien mosaischen Glaubens hier ansässig waren.

 

 

 Weitere Informationen:

M.Heitmann/J.H.Schoeps (Hrg.), “Halte fern dem ganzen Land jedes Verderben ...”. Geschichte und Kultur der Juden in Pommern, Georg Olms Verlag, Hildesheim/Zürich 1995, S. 47

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 439

Wolfgang Wilhelmus, Geschichte der Juden in Pommern, Ingo Koch Verlag, Rostock 2004

Gerhard Salinger, Die einstigen jüdischen Gemeinden Pommerns. Zur Erinnerung und zum Gedenken, Teilband 2, Teil III, New York 2006, S. 415 - 423

Goleniów, in: sztetl.org.pl

Gabriele Lesser (Red.), Umgepflügte Friedhöfe – Wenn niemand hilft, verschwinden die letzten Spuren der deutsch-jüdischen Gemeinden, in: „Jüdische Allgemeine“ vom 18.9.2017 (betr. Friedhofsareal in Massow/Maszewo)