Eberstadt a.d. Bergstraße (Hessen)

Jüdische Gemeinde - Heppenheim/Bergstraße (Hessen) Eberstadt ist bereits seit 1937 ein Stadtteil im Süden Darmstadts mit derzeit ca. 23.000 Einwohnern (Ausschnitt aus hist. Karte ohne Eintrag von Eberstadt, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Skizze 'Stadtteile von Darmstadt', St. 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

In Eberstadt sind jüdische Bewohner seit Ende des 17.Jahrhundert belegt; eine Gemeinde soll seit dem 18.Jahrhundert bestanden haben. - 1687 und 1701 fanden in Eberstadt sog. Judenlandtage statt.

Das bereits um 1825 erworbene Gebäude des alten Eberstädter Rathauses an der Modaubrücke war bis in die Zeit des Ersten Weltkrieges der gottesdienstliche Mittelpunkt der jüdischen Gemeinde. 1914/1915 errichtete man - nach dem Abriss des baufälligen Gebäudes - eine neue Synagoge.

               Synagoge in Eberstadt, Aufn. von 1915 (Hess. Staatsarchiv Darmstadt) 

                Stellenanzeigen von 1898 und 1904

Verstorbene Gemeindeangehörige wurden auf dem jüdischen Friedhof in Alsbach (Bergstraße) beerdigt.

Die Kultusgemeinde Eberstadt gehörte dem orthodoxen Rabbinat Darmstadt an.

Juden in Eberstadt (Hessen):

    --- um 1620 ....................   4 jüdische Familien,

--- um 1770 ....................   6     “       “    ,

    --- 1829/30 ....................  66 Juden,

    --- 1861 ................... ca. 120   “   (ca. 5% d. Bevölk.),

    --- 1867 .......................  80   “  ,

    --- 1880 .......................  90   “  ,

    --- 1905 .......................  95   “   (ca. 1% d. Bevölk.),

    --- 1925 .......................  77   “  ,

    --- um 1930 ................ ca.  60   “  ,

    --- 1939 .......................  28   “  .

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 146

 

Um 1900 erreichte die Zahl der Gemeindeangehörigen mit knapp 100 Personen ihren Höchststand; diese waren Kaufleute, Händler und Angestellte und in die kleinstädtische Gesellschaft integriert.

Anzeigen Eberstädter jüdischer Geschäftsleute (1920/1930):

   

In den ersten sechs Jahre der NS-Herrschaft verließ mehr als die Hälfte der jüdischen Familien Eberstadt; bei Kriegsbeginn lebten nur noch ca. 25 Juden am Ort.

Während des Novemberpogroms wurde die Synagoge in Brand gesetzt und völlig zerstört; die heimische Feuerwehr wurde angewiesen, jegliche Löschversuche zu unterlassen. SA- und HJ-Trupps drangen gewaltsam in jüdische Wohnungen ein und zerschlugen Mobiliar; vereinzelt kam es auch zu schweren körperlichen Misshandlungen. Die letzten vier Eberstädter Juden wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden 27 gebürtige Eberstadter Juden Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/eberstadt_da_synagoge.htm).

In einem Ende 1946 durchgeführten Prozess vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Darmstadt wurden die meisten der sieben an der Zerstörung der Eberstädter Synagoge Beteiligten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

 

Heute erinnert ein Gedenkstein - unmittelbar neben der Modaubrücke an der Heidelberger Landstraße gelegen - an das ehemalige jüdische Gotteshaus.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2075/Eberstadt%20DA%20Synagoge%20220.jpg Gedenkstein (Aufn. J. Hahn, 2006)

Zahlreiche sog. „Stolpersteine“ erinnern an diversen Standorten an ehemalige, vor allem jüdische Bewohner, die während der NS-Zeit der Gewaltherrschaft ausgesetzt und dies zumeist mit ihrem Leben bezahlen mussten.

Stolperstein Adolf Kiefer, 1, Eberstädter Kirchstraße 3, Eberstadt, Darmstadt.jpgStolperstein Selma Kiefer, 1, Eberstädter Kirchstraße 3, Eberstadt, Darmstadt.jpgStolperstein Hans Kiefer, 1, Eberstädter Kirchstraße 3, Eberstadt, Darmstadt.jpg verlegt in der Kirchstraße

und der Heidelberger Landstraße Stolperstein Meyer Heyum, 1, Heidelberger Landstraße 289, Eberstadt, Darmstadt.jpgStolperstein Rosa Heyum, 1, Heidelberger Landstraße 289, Eberstadt, Darmstadt.jpg (Aufn. G., 2021, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Das „Judenbrünnchen“ ganz in der Nähe Eberstadts trägt deshalb diesen Namen, weil die gläubigen Juden am Sabbat nur eine bestimmte Wegstrecke gehen durften; die erlaubte Entfernung entsprach der bis zu jenem Brunnen.

 

vgl. dazu auch: Darmstadt (Hessen)

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 146/147

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder - Dokumente, E. Roether Verlag, Darmstadt 1973, S. 46

Robert Hess, Eberstadts jüdische Mitbürger, in: "Eberstädter Heimathefte", No. 3, Darmstadt 1982

C.-H.Hoferichter/P.Berninger (Bearb.), Repertorien des Hess. Staatsarchivs Darmstadt 27/1, Abt. ST 15: Gemeindearchiv Eberstadt i.O., Darmstadt 1988

Friedrich Boss (Bearb.), Repertorien des Hess. Staatsarchivs Darmstadt 13/2, Judaica im Staatsarchiv Darmstadt, Band 2, Darmstadt 1988

Thomas Lange (Hrg.), ‘L’chajim’ - Die Geschichte der Juden im Landkreis Darmstadt-Dieburg, Hrg. Landkreis Darmstadt-Dieburg, Reinheim 1997

150 Jahre Rathaus Eberstadt” (Ausstellung), Eberstadt 1997 (Texte von Ausstellungstafeln)

Eberstadt (Stadt Darmstadt), in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

H.Heinemann/Chr. Wiesner, Der jüdische Friedhof in Alsbach an der Bergstraße, in: "Schriften der Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen 18", Wiesbaden 2001

Michael Zimmermann, Juden in Eberstadt – Ausgrenzung, Integration, Vernichtung, Jusus von Liebig Verlag, Darmstadt 2019

Jens Joachim (Red.), Darmstadt: Die Geschichte der Juden in Eberstadt, in: „Frankfurter Rundschau“ vom 27.3.2020