Gengenbach (Baden-Württemberg)

Datei:Gengenbach in OG.svg Gengenbach ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 11.000 Einwohnern im Ortenaukreis – ca. zehn Kilometer südöstlich von Offenburg gelegen (Kartenskizze 'Ortenaukreis', Hagar 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

Reichsstädte Offenburg - Gengenbach - Zell am Harmersbach, Michal 1725.png Kartenausschnitt von 1725 (Abb. aus: wikipedia.org, CCO)

 

In Gengenbach - bis um 1800 Freie Reichsstadt - wurden jüdische Familien bereits 1308 erstmals erwähnt; sie wohnten in der „Judengasse“, der späteren Engelgasse. Ob damals gemeindliche Strukturen vorhanden waren, kann auf Grund fehlender Quellen nicht belegt werden. Für die kommenden Jahrhunderte fehlen dann jedwede Hinweise auf mögliche Anwesenheit jüdischer Familien im Ort.

Eine neuzeitliche Gemeinde – Filialgemeinde von Offenburg - gab es dann seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zu ihrer gewaltsamen Auflösung 1938. Ihren zahlenmäßigen Höchststand erreichte die hiesige Judenschaft um 1885 mit nahezu 60 Personen.

Von 1903 bis 1934 befand sich in der zweiten Etage des alten Kaufhauses (am Markt) ein Betsaal; die Stadt hatte die Räumlichkeit unentgeltlich zur Verfügung gestellt. In den Jahren zuvor muss bereits ein Betraum in einem Privathause vorhanden gewesen sein; denn von 1890 stammte eine Suchanzeige nach einer Thora-Rolle, die seitens der Filialgemeinde aufgegeben worden war.

Kleinanzeige aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 4.Dez. 1890

Auf Grund der geringen Zahl der Gemeindemitglieder konnten aber keine regelmäßigen Schabbat-Gottesdienste abgehalten werden. Wenn aber die Gemeinde zu Feiertagen zusammenkam, war der Offenburger Rabbiner anwesend.

Gemeinsam mit Haslach - ebenfalls Filialgemeinde von Offenburg - hatte man einen Religionslehrer, der auch die religiös-rituellen Tätigkeiten wahr nahm; er wurde von der Offenburger Synagogengemeinde gestellt.

                                           Stellenangebot aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 6.12.1900

Verstorbene Juden aus Gengenbach wurden auf dem jüdischen Friedhof in Offenburg beigesetzt.

Juden in Gengenbach:

--- 1875 .......................... 42 Juden,

--- 1885 .......................... 56   “  ,

--- 1900 .......................... 36   “  ,

--- 1925 .......................... 35   “  ,

--- 1933 .......................... 30   “  ,

--- 1939 ..........................  ?      .

Angaben aus: Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2, S. 146

Hauptstraße in Gengenbach, Postkarte um 1910, aus. wikipedia.org, CCO)

Im Besitz der jüdischen Familien waren bis in die NS-Zeit einige Gewerbebetriebe, darunter eine Viehhandlung, zwei Textilgeschäfte, eine Tabakwarengroßhandlung und eine Weinhandlung. 

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20191/Gengenbach%20Israelit%2029031900.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20191/Gengenbach%20FrfIsrFambl%2012041911.jpg

Zwei Stellenangebote des Manufaktur- u. Ausstattungsgeschäftes S. Blum & Söhne von 1900 und 1911

Der seit 1903 genutzte Betraum im alten Kaufhaus am Marktplatz (heutiges städtischen Verkehrsamt) musste seitens der Filialgemeinde aufgegeben werden, nachdem die Kommune nun eine Miete für die Nutzung verlangte. Letzter Hinweis auf den Betsaal ist eine Notiz des Gemeindevorstands vom 27. Juni 1934 mit den Worten „das Lokal ist geräumt“.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden 13 gebürtige Gengenbacher Juden Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/gengenbach_synagoge.htm).

Datei:Gedenktafel für die Jüdische Gemeinde Gengenbach.jpg  Seit 1985 erinnert eine Tafel am Gebäude des zuletzt genutzten Betsaales an die frühere kleine jüdische Gemeinschaft (Aufn. A. Schwarzkopf, 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

Mehrere sog. „Stolpersteine“ weisen seit 2009 auf die letzten Wohnsitze ehemaliger jüdischer Familien hin; die Verlegung initiiert hatte die Projekt-AG „Stolpersteine“ des Martha-Schanzenbach-Gymnasiums.

Ludwig Valfer DSCN3598.jpgGreta Valfer DSCN3594.jpgIsaak Valfer DSCN3594.jpgSofie Meier DSCN3601.jpgBerthold Meier DSCN3600.jpgAdolf Valfer DSCN3594.jpg

Stolpersteine in Gengenbach (alle Abbildungen D., 2017, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)

Gedenkstein in GengenbachSchüler/innen des Martha-Schanzenbach-Gymnasiums beteiligten sich auch mit der Schaffung eines Memorialsteines am landesweiten Mahnmalprojekt in Neckarzimmern, das an die Deportationen der badischen Juden vom Oktober 1940 erinnert. Einer der beiden Steine steht - eingebettet in einer kleinen Gedenkstätte - in der Altstadt von Gengenbach (Abb. aus: mahnmal-neckarzimmern.de).

Gedenkstätte (Aufn. Bubo, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Auf der daneben stehenden Tafel informieren die folgenden Sätze:. „Am 22. Oktober 1940 wurden alle Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland - 6504 an der Zahl - in Transportzügen in das südfranzösische Gurs deportiert. Im dortigen Internierungslager erwartete die Deportierten ein Leben unter menschenunwürdigen Bedingungen und zugleich ein ungewisses Schicksal - in vielen Fällen Krankheit und Tod. Auch aus Gengenbach wurden am 22. Oktober 1940 neun jüdische Mitbürger deportiert. Die Erinnerung an dieses Verbrechen gilt es wach zu halten - den Opfern zur Ehre, den Nachgeborenen zur Mahnung."

 

 

 

Weitere Informationen:

F.Hundsnurscher/G.Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden - Denkmale, Geschichte, Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1968, S. 228

Gabi Aubele, Jüdische Mitbürger in Gengenbach während der Zeit des Nationalsozialismus, 1983

Gengenbach, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 146/147

Martin Ruch, 700 Jahre Geschichte der Gengenbacher Juden 1308 - 2008, books on demand, Norderstedt 2008

Mark Faltin (Red.),  Namen der Opfer sind zurückgekehrt. Künstler Gunter Demnig verlegt sechs "Stolpersteine" zum Gedenken an ermordete Juden aus Gengenbach, in: "Offenburger Tageblatt" vom 27.5.2008

Claudia Ramsteiner (Red.), Gengenbach erhält sechs denkwürdige „Stolpersteine“, in: bo.de/lokales/kinzigtal/gengenbach (vom 26.5.2009)

Marc Faltin (Red.), Namen der Opfer sind zurückgekehrt – Künstler Gunter Demnig verlegt sechs „Stolpersteine“ zum Gedenken an ermordete Juden aus Gengenbach, in: „Offenburger Tageblatt“ vom 27.5.2009

Martin Ruch, Aus der „Heimatgeschichte der Badischen Juden". Isak Valfer schreibt aus Gengenbach an Berthold Rosenthal, in: „Gengenbacher Blätter 2014“, S. 10/11

Auflistung der in Gengenbach verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Gengenbach