Bitburg/Eifel (Rheinland-Pfalz)

Lage des Landkreises Bitburg (1905) Eifelkreis stadt bitburg.png Bitburg mit seinen derzeit ca. 17.000 Einwohnern ist die Kreisstadt des Eifelkreises Bitburg-Prüm und Verwaltungssitz der Verbandsgemeinde Bitburger Land – knapp 30 Kilometer nördlich von Trier gelegen (Ausschnitt aus hist. Landkarte von 1905, aus: wikiwand.com  und  Kartenskizze 'Eifelkreis Bitburg-Prüm', S. 2007, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Seit wann Juden in Bitburg gelebt haben, ist nicht bekannt. Der erste urkundliche Nachweis einer in Bitburg ansässigen fünfköpfigen jüdischen Familie stammt aus dem Jahre 1824; dabei handelte es sich wahrscheinlich um den Handelsmann Kallmann Pelzer, der aus Kordel stammte. Erst ab Mitte des 19.Jahrhunderts war ein merklicher Zuzug jüdischer Familien zu verzeichnen.

Jahrzehntelang besaß Bitburg keine eigene Synagogengemeinde. 1877 erwarben 40 jüdische Bürger dann ein Grundstück an der Ecke Rautenberg-/Klausweg und errichteten hier eine Synagoge, die das „Betlocal“ in einem der jüdischen Privathäuser ablöste. Da der Synagogenbau die finanziellen Mittel der kleinen Gemeinde überstieg, wurden Glaubensgenossen in anderen Gemeinden zu Spenden aufgerufen. Aus einer Anzeige in „Der Israelit“ vom 21.Aug. 1878:

Aufruf!

Als Vertreter der hiesigen unbemittelten Gemeinde, welche sich nothgedrungen ein neues Gotteshaus schaffen muß, zu dessen Kostentilgung voraussichtlich die bestehenden Verhältnisse leider niemals ausreichen werden, betreten wir durch Gegenwärtiges einen Weg, auf dem bewährtermaßen alle guten jüdischen Herzen uns freudig entgegenkommen. Es ist der Weg der Mildthätigkeit. Es gilt der Unterstützung eines uneigennützigen religiösen Bestrebens, bestehend in dem Aufbau der ersten Synagoge der Eifel. Die Nothwendigkeit dieses Baues war umso dringender geboten, als unsere, in so vielen kleineren Orten der Umgegend zerstreut wohnenden armen Glaubensbrüder, trotz ihrer treuesten Anhänglichkeit an Religion, sozusagen niemals einem Gottesdienste beiwohnen konnten, wenn sich dieselben nicht des Opfers einer circa 10 Stunden weiten Reise nach Trier und den sich hieran anknüpfenden Unkosten unterziehen wollten.  Die kleine Gemeinde Bitburg, als Centralpunkt dieser zerstreut Wohnenden, aus nur sieben Mitgliedern bestehend, wovon jedoch nur die Hälfte leistungsfähig, beschloß, diese traurigen Zustände für immer zu beseitigen. Durch diesen Beschluß wurden die wenigen Beitragenden bis allhier schon so hart mitgenommen, daß die noch bleibende Last von ca. 6.000 Mark selbst von jenen fortan nicht weiter getragen werden kann. Die kleinsten Gaben sind uns willkommen. Durch dieses nothgedrungene Hilfsmittel hoffen wir unsere Last wesentlich zu erleichtern.

Hochachtungsvoll. H. Pelzer S. Juda, Gemeindevorstand.

Bitburg i. d. Eifel, August 1878.

(Auch die Expedition des „Israelit“ ist bereit, Gaben in Empfang zu nehmen).

Die Einweihung des neuen Gotteshauses erfolgte vermutlich Anfang des Jahres 1879.

  Synagoge, links im Bild (hist. Postkarte, Landesamt)

Seit Ende der 1870er Jahre hatte die kleine Gemeinde einen Lehrer angestellt, der neben dem Religionsunterricht auch als Vorbeter und Schochet tätig war. Die Besetzung der Stelle war einem häufigen Wechsel unterworfen.

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20118/Bitburg%20Israelit%2005061878.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20166/Bitburg%20Israelit%2013061900.jpg  Stellenangebote in der Zeitschrift „Der Israelit“ von 1878, 1900, 1912 und 1928

Ihre Verstorbenen begrub die Bitburger Judenschaft zunächst in Trier oder in Aach, bis ihnen 1890 ein eigener Begräbnisplatz am Talweg zugestanden wurde.

Die Bitburger Judenschaft gehörte zum Rabbinatsbezirk Trier.

Juden in Bitburg:

    --- 1824 ...........................   5 Juden (eine Familie),

    --- 1848 ...........................  14   “  ,

    --- um 1880 .................... ca.  40   “  ,

    --- 1895 ...........................  42   “  ,

    --- um 1900 ........................ 200   “  ,*     * Kreis Bitburg

    --- 1925 ...........................  60   “  ,

    --- um 1930 ........................  40   “  ,

    --- 1941 (Dez.) ....................   4   “  ,

    --- 1942 (Mai) .....................   keine.

Angaben aus: Joseph Pelzer, Juden in Bitburg

                   Obere Hauptstraße (Aufn. aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei)

                                            https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20166/Bitburg%20Israelit%2025081890.jpgKleinanzeige von 1890

Zu Beginn der NS-Zeit lebten etwa 40 Einwohner jüdischen Glaubens in der Kleinstadt; den meisten gelang in den Jahren bis 1939/1940 die Emigration.

Im November 1938 verwüsteten NSDAP-Parteigänger die Behausungen jüdischer Bewohner und die Synagoge der Stadt. Durch Kriegseinwirkung wurde das Synagogengebäude im Dezember 1944 zerstört, die Ruine Anfang der 1950er Jahre abgebrochen.

Im April 1942 wurden die letzten vier in Bitburg lebenden Juden - zusammen mit anderen aus dem Landkreis - deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind nachweislich 25 gebürtige bzw. länger in Bitburg ansässig gewesene jüdische Bürger Opfer der „Endlösung“ geworden (namentliche Nennung der betreffenden Personen siehe: alemannia-judaica.de/bitburg_synagoge.htm).

 

Anlässlich des 50.Jahrestages des Novemberpogroms wurde am Standort der ehemaligen Synagoge an der Ecke Rautenbergstraße/Römermauer eine Gedenktafel angebracht, die die folgende Inschrift trägt:

An dieser Stelle stand die Synagoge der jüdischen Gemeinde Bitburgs. Sie wurde in der Reichskristallnacht vom 9./10.November 1938 verwüstet. 1942 wurden die letzten jüdischen Mitbürger aus Bitburg deportiert. Weihnachten 1944 wurde das Gebäude bei einem Bombenangriff auf Bitburg zerstört.  Stadt Bitburg 1988

 

Auf Ratsbeschluss (von 2011) soll in Bitburg ein Denkmal für die ehemalige jüdische Gemeinde erstellt werden. Die Diskussionen über Ausführung und Standort des Mahnmals endeten schließlich im Frühjahr 2017 damit, dass sich der Stadtrat mit großer Mehrheit dafür aussprach, eine Stele im Bereich „Am Markt“ - hier lebten früher zahlreiche jüdische Familien - aufzustellen, die mit einem Bronzeband verbunden ist. Im November 2020 wurde die Stele offiziell der Öffentlichkeit übergeben. Das vom Wittlicher Bildhauer Sebastian Langner entworfene Werk („Der Riss“) ist ein in den Erdboden eingelassenes ca. zehn Meter langes, ca. 30 Zentimeter breites Bronzeband, das in einer Stele endet, die in Richtung des ehemaligen Standortes der Synagoge weist. Auf dieser Stele sind namentlich die ehemals hier lebenden jüdischen Bürger der Stadt verzeichnet.

Bürgermeister Joachim Kandels enthüllte die Gedenkstele am Markt Enthüllung der Gedenkstele am Markt (Aufn. Stadt Bitburg, 2020)

Auf die Verlegung sog. „Stolpersteine“ in den Gehwegen im Stadtgebiet wurde vorerst verzichtet (Stand 2020).

Das einzige bekannte Relikt der Bitburger Synagoge ist eine marmorne Tafel mit einer Inschrift; diese stammt aus dem Bauschutt des im Jahr 1952 abgebrochenen jüdischen Gotteshauses.              

Der jüdische Friedhof in Bitburg (Erdorfer Straße/Talweg) weist heute noch fünf Grabstelen auf. Diese konnten - in der Werkstatt des Bildhauers Wilhelm Dreiser versteckt - von der Zerstörung bewahrt werden und fanden nach 1945 wieder einen Platz auf dem Friedhof. Zum Angedenken an die aus Bitburg stammenden Shoa-Opfer wurde eine mit 30 Namen versehene Gedenktafel aufgestellt.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20166/Bitburg%20Friedhof%20164.jpg Jüdischer Friedhof in Bitburg (Aufn. Hans-Peter Laqueur, 2008)

 

 

 

In Irrel - südlich Bitburgs - lebten seit gegen Mitte des 19.Jahrhunderts vereinzelt jüdische Familien; die ältesten Dokumente reichen bis 1842 zurück. Um 1895 wurden ca. 35 jüdische Bewohner gezählt. In einem Privathause (im Obergeschoss des Gasthauses Kallmann) war ein Betraum vorhanden. Auch eine Religionsschule befand sich am Ort. Anfang der 1930er Jahre lebten in Irrel noch ca. 15 Juden; bis 1938 hatten alle hier ansässig gewesenen jüdischen Bewohner ihren Heimatort verlassen; die meisten von ihnen wurden später von ihren neuen Wohnorten deportiert. Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ sind zwölf aus Irrel stammende Juden (fast ausschließlich Angehörige der Familie Kallmann) Opfer des Holocaust geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/irrel_juedgeschichte.htm).

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20324/Irrel%20Friedhof%2012105.jpg(Aufn. J. Hahn, 2012)     Auf dem von einer Mauer umgebenen winzigen jüdischen Friedhof in Irrel (Talstraße) - mit sechs Grabstätten und zwei -steinen - befindet sich eine Gedenktafel mit der Inschrift:

Zur Erinnerung an unsere Bürger jüdischen Glaubens

und zum Gedenken an ihr in den Jahren 1933-1945 durch Unrecht und Gewalt erlittenes Schicksal.

Die Bürger der Ortsgemeinde Irrel". 

 

 

 

Weitere Informationen:

Peter Neu, Juden in Bitburg, in: J.Hainz/u.a., Geschichte von Bitburg - Chronik, Trier 1965, S. 555 - 558

Gerda Dreiser, Bitburg war ihre Heimatstadt, in: "Heimatkalender für den Kreis Bitburg-Prüm 1980", S. 67 f.

Joseph Pelzer, Juden in Bitburg, in: Stadtchronik Bitburg, 2.Aufl., Bitburg 2001

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels”. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 117/118 (Bitburg) und S. 195/196 (Irrel)

Bitburg, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Ansichten jüdischen Lebens – Die Synagoge von Bitburg, Ausstellung im Kreismuseum Bitburg-Prüm, Dez. 2008 – Febr. 2009

Dagmar Schommer (Red.), Bitburg will Mahnmal für ermordete Juden, in: volksfreund.de vom 25.3.2011

Willi Körtels, Die jüdische Schule in der Region Trier, hrg. vom Förderverein Synagoge Könen e.V., 2011, S. 242 - 247

Thomas Barkhausen (Red.), Aus dem Stadtarchiv – Die letzte jüdische Familie, Stadt Bitburg vom 24.4.2014

Peter Wagner, Spuren jüdischer Familien in Irrel - Broschüre, hrg. von der Ortsgemeinde Irrel, 2014

Bettina Rosenbaum (Verf.), Juden in Bitburg – Facharbeit in Geschichte, 2015

Bitburg Arbeitskreis Gedenken (Red.), Entstehung und Entwicklung der jüdischen Gemeinde Bitburg, online abrufbar unter: bitburg-gedenkt.de

Bitburg Arbeitskreis Gedenken (Hrg..), Jüdische Bewohner Bitburgs mit Angabe biografischer Daten, online abrufbar unter: bitburg-gedenkt.de

Christian Moeris (Red.), Bitburger Stadtrat diskutiert über Verlegung von Stolpersteinen und zentrale Gedenkstätte für Holocaust-Opfer, in: volksfreund.de vom 1.3.2017

Gedenkarbeit in Bitburg: Stadtrat beschließt Stolpersteine und Denkmal, veröffentlicht von der Stadt Bitburg am 14.3.2017

Maria Adrian (Red.), Geplante Gedenkstele für jüdische Mitbürger - Bitburg hat seine Form des Erinnerns gefunden, in: volksfreund.de vom 20.11.2017

Christian Altmayer (Red.), Erinnerung an 22 zerstörte Leben – Mahnmal in Bitburg soll am achten Mai enthüllt werden, in: volksfreund.de vom 21.2.2020

Dagmar Dettmer (Red.), Gedenkstele für den neuen Markt steht, in: volksfreund.de vom 15.4.2020

N.N. (Red.), Spende bringt Kunstprojekt überraschend zurück auf die Tagesordnung, in: volksfreund.de vom 18.9.2020 (betr. „Stolpersteine“)

Uwe Hentschel (Red.), Vorerst keine Stolpersteine in Bitburg, in: volksfreund.de vom 27.9.2020

Uwe Hentschel (Red.), Erinnerungskultur. Erste Kranzniederlegung an neuer Gedenkstele in Bitburg, in: volksfreund.de vom 9.11.2020

Christina Bents (Red.), Der jüdische Friedhof in Bitburg, aus: TV-Serie „Jüdische Friedhöfe im Eifelkreis“, in: volksfreund.de vom 26.1.2021

Christina Bents (Red.), 28 Menschen aus Irrel überlebten den Holocaust nicht, aus: TV- Serie „Jüdische Friedhöfe“, in: volksfreund.de vom 1.2.2021